JudikaturOLG Wien

20Bs210/25s – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
04. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Richterin Mag. Neubauer als Vorsitzende sowie die Richterin Mag. Maruna und den Richter Mag. Gruber als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Wr. Neustadt vom 15. Juli 2025, GZ **-11, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird mit der Maßgabe, dass der Antrag auf bedingte Entlassung zurück- statt abgewiesen wird, nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der am ** geborene staatenlose A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt * eine über ihn mit am 22. April 2024 in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien, AZ **, wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 130 Abs 2 erster Fall, 15 StGB sowie des Vergehens der Amtsanmaßung nach § 314 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 13. November 2019, AZ **, verhängte Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren und vier Monaten (ON 7) mit errechnetem Strafende am 28. Mai 2027.

Die Hälfte der Sanktion hatte der Verurteilte am 30. Mai 2024 verbüßt, der Stichtag für eine bedingte Entlassung gemäß § 46 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG liegen seit 30. Mai 2025 vor.

Nachdem der Antrag des Strafgefangenen auf bedingte Entlassung zum Zwei-Drittel-Stichtag nach dessen Anhörung bereits mit am selben Tag in Rechtskraft erwachsenem Beschluss des Landesgerichts Wr. Neustadt vom 27. März 2025, AZ B*, abgelehnt worden war, begehrte der Strafgefangene mit Schreiben vom 24. Juni 2025 – somit weniger als ein Monat nach dem in Betracht kommenden Stichtag – erneut seine bedingte Entlassung unter Hinweis auf sein tadelloses Führungsverhalten, die beabsichtigte Rückkehr nach Deutschland und (nicht bescheinigte) Beschäftigungsmöglichkeit als Hausmeister (ON 5).

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 15. Juli 2025 (ON 11) lehnte das Landesgericht Wr. Neustadt als weiterhin zuständiges Vollzugsgericht in Übereinstimmung mit der ablehnenden Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt sowie des Leiters der Justizanstalt Hirtenberg in Ermangelung einer positiven Zukunftsprognose die bedingte Entlassung aus spezialpräventiven Gründen unter Hinweis auf das massiv getrübte Vorleben in Deutschland ab.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die fristgerecht angemeldete (ON 12), rechtzeitig zu ON 13.3 ausgeführte Beschwerde des Strafgefangenen, mit der er vorbringt, gute Vorbereitungen für ein Leben nach der Haft getroffen zu haben, durch seine in Deutschland lebende Familie unterstützt zu werden und ein straffreies Leben zu führen beabsichtige.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rechtsmittel kommt keine Berechtigung zu.

Vorauszuschicken ist, dass eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung – somit auch ein Beschluss, mit dem ein Antrag auf Gewährung der bedingten Entlassung rechtskräftig abgewiesen wurde – Sperrwirkung (vgl. dazu Lewisch, WK-StPO Vor §§ 352 – 363 Rz 31 ff; vgl. RIS-Justiz RS010270) entfaltet. Ein Entlassungsantrag kann daher nicht beliebig oft wiederholt werden. Eine dem § 176 Abs 1 Z 2 StPO entsprechende Regelung besteht im Strafvollzugsrecht nicht. Ein auf Grundlage identischer Verhältnisse neuerlich eingebrachter Antrag ist a limine wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Allerdings wohnt ablehnenden Entscheidungen über die bedingte Entlassung die Umstandsklausel (clausula rebus sic stantibus) inne. Eine wesentliche Änderung entscheidungsrelevanter Umstände erlaubt trotz rechtskräftiger Entscheidung eine neuerliche meritorische Prüfung. Als relevante Umstände kommen insbesondere seit der letzten Entscheidung eingetretene oder dem Gericht bei der letzten Entscheidung unbekannt gewesene, zur Erfüllung der materiellen Voraussetzungen einer bedingten Entlassung grundsätzlich geeignete neue Tatsachen, eine Änderung der Gesetzeslage oder die einer solchen nahe kommenden Änderung fundamentaler Rechtsprechungsgrundsätze oder wesentliche Veränderungen der zeitlichen Umstände in Betracht (Pieber, WK 2StVG § 152 Rz 31 ff).

Über einen Antrag auf bedingte Entlassung kann gemäß § 152 Abs 1 StVG frühestens drei Monate (vgl. Pieber, WK 2StVG § 152 Rz 17; Drexler/Weger StVG 5 § 152 Rz 3) vor dem in Betracht kommenden Stichtag (hier relevant der 30. Mai 2025) entschieden werden. Berücksichtigt man, dass sich die Entscheidung des Landesgerichts Wr. Neustadt zu AZ B* vom 27. März 2025 auf die bedingte Entlassung zum Zwei-Drittel-Stichtag am 30. Mai 2025 bezog und der erneute Antrag des Verurteilten bereits ein Monat nach diesem Stichtag eingebracht wurde, ist mit Blick auf das Ausmaß der zu verbüßenden Zusatzfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten keine wesentliche Änderung der zeitlichen Umstände eingetreten (Pieber, aaO Rz 31, 33).

Ebenso wenig vermag der Beschwerdeführer mit seinen Läuterungsbekundungen und Hinweisen auf den familiären Rückhalt in Deutschland im Zusammenhalt mit seiner Ausreisebereitschaft eine Änderung sonstiger entscheidungsrelevanter Umstände der seit der letzten Entscheidung über die bedingte Entlassung darzutun, vermochten ihn doch auch familiäre Bindungen nicht von erneuter einschlägiger Delinquenz abzuhalten. Vielmehr lässt sich den Urteilsfeststellungen der Anlassverurteilung entnehmen, dass A* mit Urteil des Amtsgerichts München vom 21. Februar 2018, rechtskräftig seit 1. März 2018, AZ **, wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt wurde, aus deren Vollzug er am 28. Juni 2018 bei einem Ausgang flüchtete (ON 11) und welche er nach seiner Festnahme am 21. März 2019 (ON 11) bis 17. Mai 2019 vollständig verbüßte. Im Anschluss wurde er mit Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 13. November 2019, rechtskräftig seit 20. November 2019, **, unter anderem wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Diebstahls in Tateinheit mit Amtsanmaßung und gewerbsmäßiger Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt, wobei auch die Unterbringung in einer Erziehungsanstalt angeordnet wurde.

Schließlich verübte er in Österreich im Zeitraum vom 12. Dezember 2018 bis 16. März 2019 in einer Vielzahl von Angriffen gewerbsmäßig wertqualifizierte Trickdiebstähle mit einer Gesamtbeute in Höhe von insgesamt rund EUR 245.000,--, indem er sich mit zumindest einem weiteren unbekannten Mittäter gegenüber betagten, jeweils über 70-jährigen Opfern als Kriminalbeamter ausgab, vorspiegelte, nach vermeintlich stattgehabten Einbruchsdiebstählen in der Umgebung Wertgegenstände und Bargeldbestände kontrollieren zu müssen und diese in einem unbeobachteten Moment wegnahm.

Berücksichtigt man, dass der zwar in Österreich mit Ausnahme der Anlassverurteilung unbescholtene A* in Deutschland neun einschlägige Vorstrafen aufweist (vgl. ECRIS-Auskunft ON 10), dort wiederholt zu teils mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt wurde und ungeachtet der wiederholten Hafterfahrung spezifisch einschlägig delinquierte, liegt fallkonkret ein evidentes Rückfallrisiko vor, das seiner bedingten Entlassung entgegensteht.

Da weder dem Antrag des Beschwerdeführers noch dem Akteninhalt neue, das Kalkül über die bedingte Entlassung ändernde Umstände zu entnehmen sind, wäre im Lichte der obigen Überlegungen zur Einmaligkeitswirkung der Antrag des Beschwerdeführers vom Vollzugsgericht wegen entschiedener Sache a limine zurückzuweisen gewesen (res iudicata), jedenfalls aber musste er erfolglos bleiben, weshalb der Beschwerde kein Erfolg zukommt.