23Bs148/25w – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1, Abs 2 (iVm § 161 Abs 1) StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12. Dezember 2024, GZ ** 182, nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Aichinger, im Beisein der Richterin Mag. Staribacher und des Richters Mag. Trebuch LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Wallenschewski, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Andreas Pollak durchgeführten Berufungsverhandlung am 31. Juli 2025 zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil setzte das Landesgericht für Strafsachen Wien als Schöffengericht für die im ersten Rechtsgang (vgl dazu ON 165 und ON 177) in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüche des A* wegen der Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 (iVm § 161 Abs 1) StGB (Faktum A/) und des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB (Faktum C/) sowie des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB (Faktum D/) unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem Strafsatz des § 147 Abs 3 StGB eine Freiheitsstrafe von 20 Monaten fest, von der gemäß § 43a Abs 3 StGB 17 Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in **
A/ „im Zeitraum 1. Jänner 2014 bis 31. Dezember 2016“ als leitender Angestellter (§ 161 Abs 1 StGB) das Vermögen der B* GmbH verringert und dadurch die Befriedigung deren Gläubiger vereitelt oder geschmälert, wobei er einen 300.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte, indem er in Vertretung der B* GmbH am 30. Juli 2015 wertlose Anteile an der C* GmbH gegen ein Entgelt von 534.009,75 Euro erwarb und im Zeitraum August bis Oktober 2015 der letztgenannten Gesellschaft mehrere Darlehen in Höhe von insgesamt 47.562 Euro zuzählte, wodurch nach Bezahlung von insgesamt 259.000 Euro durch die C* GmbH die Gläubiger der B* GmbH im Betrag von insgesamt 322.571,75 Euro am Vermögen geschädigt wurden;
C/ im Zeitraum Juli bis September 2015 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Verfügungsberechtigte der D* Limited durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Vorspiegelung, im Falle vollständiger Einzahlung des Stammkapitals der E* GmbH würde die F* AG einen Kredit über 10 Millionen Euro gewähren und das Kapital werde in weiterer Folge für den Unternehmenszweck der E* GmbH verwendet, zu einer Handlung, nämlich zur Überweisung von insgesamt 800.000 Euro am 15. September 2015, verleitet, wodurch die D* Limited in einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurde;
D/ am 9. Februar 2016 seine Befugnis, als Geschäftsführer der E* GmbH über deren Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht und dadurch die genannte Gesellschaft in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt, indem er ein Steuerguthaben der E* GmbH in Höhe von 125.000 Euro ohne Gegenleistung auf die B* GmbH übertrug.
Bei der Strafzumessung wurden erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit einem Vergehen, die Herbeiführung eines die Wertgrenze von 300.000 Euro weit übersteigenden Schadens bei Faktum C/ sowie die Herbeiführung eines Schadens in Höhe des 25 fachen der Wertgrenze von 5.000 Euro bei Faktum D/, mildernd hingegen der bisher ordentliche Lebenswandel, das Wohlverhalten seit den Taten und die überlange Verfahrensdauer, welche mit einer Reduktion der Freiheitsstrafe im Ausmaß von sechs Monaten Berücksichtigung fand, gewertet.
Nach Zurückweisung der vom Angeklagten erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 6. Mai 2025, GZ 11 Os 45/25i 4, ist nunmehr über dessen Berufung (ON 185) zu entscheiden, mit welcher er eine schuldangemessene Herabsetzung der verhängten Freiheitsstrafe und deren soweit als möglich (teil)bedingte Nachsicht anstrebt.
Rechtliche Beurteilung
Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.
Grundlage für die Bemessung der Strafe nach § 32 StGB ist die Schuld des Täters. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen naheliegen könnte. Im allgemeinen ist die Strafe umso strenger zu bemessen, je größer die Schädigung oder Gefährdung ist, die der Täter verschuldet hat oder die er zwar nicht herbeigeführt, aber auf die sich sein Verschulden erstreckt hat, je mehr Pflichten er durch seine Handlung verletzt, je reiflicher er seine Tat überlegt, je sorgfältiger er sie vorbereitet oder je rücksichtsloser er sie ausgeführt hat und je weniger Vorsicht gegen die Tat hat gebraucht werden können.
Der Berufungswerber vermag keine weiteren mildernden Umstände für sein Begehren ins Treffen zu führen.
Wenn der Angeklagte zunächst moniert, im Rahmen der Hauptverhandlung vom 12. Dezember 2024 ein reumütiges Geständnis abgegeben zu haben, so kann dem nicht bedingungslos gefolgt werden. Der Angeklagte verantwortete sich zunächst im gesamten Verfahren leugnend (ON 165, US 13ff) und lag zum Zeitpunkt des „Geständnisses“ in der Hauptverhandlung vom 12. Dezember 2024 (ON 181 AS 3f) bereits ein rechtskräftiger Schuldspruch vor (vgl dazu 11 Os 46/24k, ON 177), sodass von einem reumütigen Geständnis im Sinn des § 34 Abs 1 Z 17 StGB keine Rede mehr sein kann (vgl Mayerhofer, StGB 6 § 34 E 52 mwN; nach Riffel, WK 2 StGB § 34 Rz 38 kommt einem im Rahmen der Strafberufung zum Ausdruck gebrachten reumütigen Geständnis „wenn überhaupt, nur geringes Gewicht“ zu; nach Birklbauer/Stiebellehner, SbgK § 34 Rz 124 ist aufgrund der Distanzierung gegenüber der Tat eine strafmildernde Berücksichtigung des reumütigen Geständnisses auch noch im Berufungsverfahren möglich, wenngleich der späte Zeitpunkt im Regelfall für ein geringes Gewicht spricht).
Im Übrigen argumentiert der Berufungswerber ausschließlich mit einer unrichtigen Gewichtung der vom Erstgericht dargestellten Strafzumessungsparameter und bringt vor, dass die Milderungsgründe des bisher ordentlichen Lebenswandels, des Wohlverhaltens nach der Tat und die überlange Verfahrensdauer vom Schöffensenat nicht ausreichend berücksichtigt worden seien.
Angesichts vorliegender schwerer Vermögensdelinquenz, und dem Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit einem Vergehen liegt – entgegen dem Berufungsvorbringen - kein geringer bzw unauffälliger Handlungs und Gesinnungsunwert vor.
Dem Vorbringen des Angeklagten in der Berufungsverhandlung, er habe nunmehr eine Festanstellung bei einer deutschen Beratungsfirma, welche er bei einer Haftstrafe verlieren werde, ist zu entgegnen, dass mit dem Postulat, die entsozialisierenden Folgen einer Strafe möglichst gering zu halten, eine generelle Milderung der Strafe nicht zwangsläufig angestrebt wird (Mayerhofer, StGB 6 § 32 Anm 2).
Aufgrund des Gewichts der Tathandlungen, der besonderen Strafzumessungsgründe und der persönlichen Schuld des Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB) ist die innerhalb einer Strafbefugnis von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe - verhängte Sanktion, die aufgrund der überlangen Verfahrensdauer eine Reduktion im Ausmaß von sechs Monaten erfuhr und welche nicht einmal 17 % der Höchststrafe ausmacht, durchaus angemessen und damit keiner Herabsetzung zugänglich. Bei dieser Sanktionsfindung wurde auch der bisherige ordentliche Lebenswandel sowie das Wohlverhalten nach der Tat ausreichend gewichtet und fand auch der Umstand, dass der Schuldspruch zu A/1 vom Obersten Gerichtshof (AZ 11 Os 46/24k [ON 177]) aufgehoben und folglich nicht Gegenstand der nunmehrigen Entscheidung war, hinlänglich Berücksichtigung.
Für eine weitere Herabsetzung aufgrund überlanger Verfahrensdauer bieten aber weder der Akteninhalt noch das Berufungsvorbringen eine taugliche Grundlage.
Spezialpräventiv entscheidend für die Frage, ob eine Strafe bedingt nachzusehen ist, ist allein der Umstand, ob die in Schwebe bleibende Strafdrohung im konkreten Fall nach der Person des Täters, dem Grad seiner Schuld und seinem Vorleben kriminalpolitisch als ausreichendes gegenüber dem sofortigen Strafvollzug zweckmäßigeres (oder zumindest gleich zweckmäßiges) Mittel anzusehen ist, um den Rechtsbrecher in Hinkunft von der Begehung von Straftaten (gleicher oder anderer Art) abzuhalten (Mayerhofer, aaO § 43 E 6).
Ein Täter mit unbescholtenem Lebenswandel hat ein Anrecht auf den bedingten Strafnachlass, denn die im § 43 StGB vorausgesetzte Annahme künftigen Wohlverhaltens wird in der Regel schon in der Tatsache des bisherigen rechtschaffenen Betragens zu erblicken sein. Lediglich in Ausnahmefällen werden dem anderweitige besondere Gründe bei einem bisher Unbescholtenen entgegenstehen (Mayerhofer, aaO E 18).
Beim 57 jährigen Angeklagten ist infolge seiner Unbescholtenheit und des Wohlverhaltens seit den Tathandlungen die Vollziehung auch nur eines Teils der Freiheitsstrafe zwar spezialpräventiv nicht geboten, um ihn von künftiger Straffälligkeit abzuhalten, jedoch darf für ein Vorgehen nach § 43 Abs 1 StGB der Strafvollzug nicht auch aus Gründen der Generalprävention notwendig sein (Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB 15 § 43 Rz 6; RIS-Justiz RS0090622).
Bei Beurteilung der Frage, ob der Vollzug einer (Geld oder Freiheits)Strafe generalpräventiv erforderlich ist, kommt es darauf an, ob die bedingte Nachsicht der ausgesprochenen Strafe die Motivationskraft der Rechtsnormen überhaupt und insbesondere der in Betracht kommenden Bestimmungen hinlänglich aufrecht erhalten kann. Dabei ist auf die besondere Lage des Einzelfalls abzustellen und eine differenzierte Betrachtung erforderlich. Es ist daher unter Würdigung des Schuld und Unrechtsgehalts der Tat(en) jedenfalls zu prüfen, ob es der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen, insbesondere der gleichen Art, durch andere entgegenzuwirken (Mayerhofer, aaO E 42a). Eine hinreichend abschreckende Wirkung und Stärkung allgemeiner Normentreue kann allein durch die Strafverfolgung von Wirtschaftskriminellen nicht erzielt werden, sondern muss der Öffentlichkeit nachhaltig vor Augen geführt werden, dass Vermögensdelikte im Wirtschaftsbereich keineswegs Kavaliersdelikte sind und auch empfindliche Strafen nach sich ziehen, und signalisiert werden, dass derartige Taten wegen strenger Bestrafung auch den (teilweisen) Vollzug zur Folge haben. Diese Erfordernisse der Generalprävention vermag die Tatsache des langen Zurückliegens der Taten nicht aufzuheben. Angesichts der äußerst geringen Hemmschwelle zur Begehung schwerer Vermögensdelinquenz und der gezielten Art der Tatbegehung durch den Angeklagten beispielsweise übermittelte er bei Faktum C/ den Opfern einen von ihm selbst erstellten gefälschten Kreditvertrag (ON 165 US 10f) gilt es, potentielle Täter im Milieu und Lebenskreis des Angeklagten von der Begehung solcher vermögensdeliktischer Umtriebe verlässlich abzuhalten, sodass generalpräventive Belange eine gänzlich bedingte Nachsicht in casu nicht zulassen.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.