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11Os46/24k – OGH Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
27. August 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 2024 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Jetzinger als Schriftführer in der Strafsache gegen * W* wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1, Abs 2 (iVm § 161 Abs 1) StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. Jänner 2024, GZ 71 Hv 98/23k 165, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu A/1/, demzufolge in der zu A/ gebildeten Subsumtionseinheit und im Strafausspruch aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit der (weiteren) Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie den Schuldspruch zu A/1 betrifft, und der Berufung wird der Angeklagte auf die Kassation verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * W* des Ver brechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1, Abs 2 (iVm § 161 Abs 1) StGB (A/), des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB (C/) und des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB (D/) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W*

A/ im Zeitraum 1. Jänner 2014 bis 31. Dezember 2016 als leitender Angestellter (§ 161 Abs 1 StGB) der V* GmbH deren Vermögen verringert und dadurch die Befriedigung deren Gläubiger vereitelt oder geschmälert, wobei er einen 300.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte, indem er

1/ „Privatentnahmen aus dem Vermögen der V* GmbH in Höhe von 406.938,78 Euro im Jahr 2014, 480.464,81 Euro im Jahr 2015 und 84.848,46 Euro im Jahr 2016 tätigte, denen Einlagen in Höhe von lediglich 249.241,35 Euro (2014), 87.257,71 Euro (2015) und 59.260 Euro (2016) gegenüberstanden, wodurch die Gläubiger der genannten Gesellschaft im Betrag von insgesamt 576.492,99 Euro am Vermögen geschädigt wurden“;

2/ in Vertretung der V* GmbH am 30. Juli 2015 wertlose Anteile an der D* GmbH gegen ein Entgelt von 534.009,75 Euro erwarb und im Zeitraum August bis Oktober 2015 der letztgenannten Gesellschaft mehrere Darlehen in Höhe von insgesamt 47.562 Euro zuzählte, wodurch nach Bezahlung von insgesamt 259.000 Euro durch die D* GmbH die Gläubiger der V* GmbH im Betrag von insgesamt 322.571,75 Euro am Vermögen geschädigt wurden;

C/ im Zeitraum Juli bis September 2015 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Verfügungsberechtigte der W* Limited durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Vorspiegelung, im Falle vollständiger Einzahlung des Stammkapitals der Va* GmbH würde die U* AG einen Kredit über 10 Millionen Euro gewähren und das Kapital werde in weiterer Folge für den Unternehmenszweck der Va* GmbH verwendet, zu einer Handlung, nämlich zur Überweisung von insgesamt 800.000 Euro am 15. September 2015, verleitet, wodurch die W* Limited in einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurde;

D/ am 9. Februar 2016 seine Befugnis, als Geschäftsführer der Va* GmbH über deren Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht und dadurch die genannte Gesellschaft in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt, indem er ein Steuerguthaben der Va* GmbH in Höhe von 125.000 Euro ohne Gegenleistung auf die V* GmbH übertrug.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen den Schuldspruch zu A/ und D/ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Zum berechtigten Teil der Nichtigkeitsbeschwerde:

[4] Zutreffend macht die Rechtsrüge (Z 9 lit a) in Ansehung des Schuldspruchs zu A/1/ einen Rechtsfehler mangels Feststellungen geltend:

[5] Nach den wesentlichen Urteilsannahmen „entzog“ der Angeklagte der V* GmbH „erhebliche Geldmittel für gesellschaftsfremde, nämlich private Zwecke und ersetzte diese nachträglich nur zu einem kleinen Teil“ (US 5). In den Jahren 2014, 2015 und 2016 habe er der Gesellschaft „auf diese Weise per Saldo 576.492,99 Euro“ entzogen, wobei es sich „bei einem Teil der Einlagen“ – deren Höhe sich allein im Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO [US 2]), das die Feststellungen nicht zu ersetzen vermag (RIS Justiz RS0114639), findet – „um die Geschäftsführerbezüge des Angeklagten“ gehandelt habe (US 6).

[6] Durch welche konkreten iSd § 156 Abs 1 StGB tatbildlichen Handlungen (scheinbare oder wirkliche Verringerung des dem Zugriff der Gläubiger durch Zwangsvollstreckung unterliegenden Vermögens [zum Vermögensbegriff Kirchbacher in WK 2 StGB § 156 Rz 7 ff]) die konstatierte Gläubigerschädigung (US 2 iVm US 8) und in welchem konkreten Ausmaß diese herbeigeführt wurde, ist den Feststellungen zum Schuldspruch zu A/1/ jedoch nicht zu entnehmen.

[7] Schon dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen erfordert die Aufhebung dieses Schuldspruchs, weshalb sich ein Eingehen auf das hiezu weiter erstattete Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde erübrigt.

[8] Im Übrigen versagt die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch:

[9] Voranzustellen ist, dass die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen sind, wobei unter Beibehaltung dieser klaren Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen sind, durch die sich der Nichtigkeitswerber für beschwert erachtet. Soweit in der Beschwerdeschrift daher vielfach „zur Vermeidung von Wiederholungen“, „aus anwaltlicher Vorsicht“ und „hilfsweise“ gleichzeitig auf mehrere Nichtigkeitsgründe Bezug genommen wird bzw Verweise auf das Vorbringen zu anderen Nichtigkeitsgründen getätigt werden, entspricht diese Art der Rechtsmittelausführung nicht der Strafprozessordnung (RIS Justiz RS0115902) und gehen jegliche Unklarheiten, die dadurch bedingt sein könnten, zu Lasten des Beschwerdeführers (RIS-Justiz RS0100183).

[10] Nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe orientiert (vgl jedoch RIS Justiz RS0119370) ist die zum Schuldspruch zu A/2/ in Bezug auf die konstatierte Wertlosigkeit der erworbenen Gesellschaftsanteile (US 7) eine unvollständige Begründung behauptende Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall), weil sie sowohl übergeht, dass nach dem Urteilssachverhalt über die D* GmbH bereits am 27. Oktober 2016 das Konkursverfahren eröffnet worden war (US 8), als auch die Erwägungen des Schöffengerichts zur Verbuchung des Kaufpreises als Darlehen der V* GmbH zugunsten der D* GmbH sowie das E-Mail des Angeklagten an den Gesellschafter * R* vom 3. Juli 2015 (US 16) vernachlässigt.

[11] Im Übrigen haben die Tatrichter die „Planungsrechnungen des Angeklagten“ nicht unberücksichtigt gelassen, sondern diese – der Einschätzung des Sachverständigen * D* (ON 64, ON 130 S 17 ff) folgend – als formell wie inhaltlich unplausibel erachtet (US 15) und die leugnende Verantwortung des Angeklagten verworfen (US 16).

[12] Soweit die Beschwerde ferner behauptet, der Sachverständige habe die Planungsrechnungen des Angeklagten „in unzulässiger Beweiswürdigung für unglaubwürdig erachtet“, ist zudem festzuhalten, dass die Würdigung von Wahrnehmungsergebnissen durch einen Sachverständigen nicht mit der Würdigung der Beweismittel eines Verfahrens durch das Gericht gleichzusetzen ist (vgl schon 11 Os 101/13g [11 Os 139/13w]). Dass der Sachverständige anlässlich der Ermittlung des Werts der Gesellschaftsanteile an der D* GmbH zu den vom Angeklagten vorgelegten Prognoserechnungen ausführte, eine für Zwecke der Unternehmensbewertung geeignete Planung sei im gegenständlichen Fall nicht nachvollziehbar (ON 64 S 32) und die „Planrechnungen formell und materiell unplausibel“ nannte (ON 64 S 39), ist nicht zu beanstanden.

[13] Mit der Verantwortung des Angeklagten zur angeblichen Werthaltigkeit der Gesellschaftsanteile an der D* GmbH haben sich die Tatrichter der weiteren Mängelrüge zuwider sehr wohl auseinandergesetzt, sind dieser jedoch nicht gefolgt (US 15 f). Da die Tatrichter die Einlassung des Beschwerdeführers in diesem Zusammenhang insgesamt verwarfen, waren sie nicht gehalten, sämtliche Details seiner diesbezüglichen Verantwortung zu erörtern (RIS Justiz RS0098642 [T1]). Im Ergebnis reduziert sich dieser Vorwurf damit auf eine – in dieser Form unzulässige (RIS Justiz RS0098471 [T1]) – Bekämpfung der Beweiswürdigung des Erstgerichts.

[14] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet zur subjektiven Tatseite eine „bloße Wiederholung der verba legalia ohne Sachverhaltsbezug“, legt jedoch nicht dar, welcher weiterer Feststellungen es bedurft hätte (vgl RIS Justiz RS0095939 [T1]). Soweit die Beschwerde eine Auseinandersetzung mit den Planungsrechnungen des Angeklagten vermisst, greift sie bloß unzulässig die Beweiswürdigung an (RIS Justiz RS0099810 [T33]).

[15] Weshalb es Feststellungen „zum Befriedigungsausfall […] mehrerer Gläubiger“ bedürfen sollte (zum Erfordernis einer Gläubigermehrheit, nicht aber einer Opfermehrheit vgl Kirchbacher in WK 2 StGB § 156 Rz 5/2 mwN), leitet die Rüge ebenso wenig methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS Justiz RS0116565), wie das Erfordernis von „näheren“ Konstatierungen zum Zeitpunkt des Entstehens der – nach dem Urteilssachverhalt im Tatzeitpunkt (RIS-Justiz RS0133786) bestehenden (US 8) – Gläubigerforderungen. Zum Schuldspruch zu A/2/ stellte das Schöffengericht – von der Beschwerde übergangen – den Befriedigungsausfall der Gläubiger ausdrücklich mit 322.571,75 Euro fest (US 7). Nicht nachvollziehbar ist – angesichts der Urteilsannahmen in subjektiver Hinsicht zum Anteilskauf und eines dadurch bewirkten Befriedigungsausfalls mit einer 300.000 Euro übersteigenden Schadenshöhe (US 8 f) – der Einwand, den Feststellungen sei nicht zu entnehmen, dass der Schädigungsvorsatz des Angeklagten auf den Ausfall von zum Tatzeitpunkt bestehenden Gläubigerforderungen gerichtet gewesen wäre.

[16] Weshalb die am 8. Februar 2016 vorgenommene – das Vermögen der Va* GmbH schädigende – Übertragung eines Steuerguthabens in Höhe von 125.000 Euro der Va* GmbH an die V* GmbH (D/) eine „straflose Nachtat“ („Scheinkonkurenz [...] in Form einer Konsumation“; allgemein zur Konsumtion RIS Justiz RS0090880; Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 57 ff; zu Untreue und Betrug vgl RIS Justiz RS0091714; Kirchbacher/Sadoghi in WK 2 StGB § 146 Rz 155) zur betrügerischen Verleitung von Verfügungsberechtigten der W* Limited zur – das Vermögen dieser Gesellschaft schädigenden – Überweisung von 800.000 Euro am 15. September 2015 auf das Geschäftskonto der Va* GmbH (C/) sein soll, leiten weder die Rechtsrüge (Z 9 lit a) noch die Subsumtionsrüge (Z 10) nachvollziehbar aus dem Gesetz ab (vgl im Übrigen zu gegen verschiedene Personen gerichtete Taten Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 66 und RIS Justiz RS0124024).

[17] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war daher wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.

[18] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise