JudikaturOLG Wien

32Bs176/25d – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
30. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 4. März 2025, GZ **-18.5, nach der am 30. Juli 2025 unter dem Vorsitz der Richterin Dr. Vetter, im Beisein der Richterinnen Mag. Körber und Mag. Marchart als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin HR Mag. Riener, der Privatbetiligtenvertreterin Dr. Koller, des Angeklagten A* und seiner Verteidigerin Mag. Zsuzsanna Parczer, durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen - auch einen in Rechtskraft erwachsenen Privatbeteiligtenzuspruch enthaltenden - Urteil wurde A* des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hierfür nach der genannten Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten verurteilt, wovon ein Teil im Ausmaß von 16 Monaten gemäß § 43a Abs 3 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* am 30. Mai 2024 in ** die am ** geborene und aufgrund einer Schlaftablette tief schlafende B*, die Tochter seiner Lebensgefährtin, für zwei bis drei Minuten vaginal mit einem Finger penetriert, bis diese davon wach wurde, sohin eine wehrlose (US 4: widerstandsunfähige – vgl dazu RIS - Justiz RS0095097 [T2] und RS0102727 [T1]) Person unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er mit ihr eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung vornahm.

Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht die Tatbegehung gegen eine Angehörige und als Volljähriger gegen eine minderjährige Person erschwerend, mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel und das teilweise Geständnis.

Nach Zurückweisung der vom Angeklagten erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 3. Juni 2025, GZ 11 Os 52/25v-4 (ON 24.2), liegt nunmehr dessen Berufung wegen Strafe zur Entscheidung vor, mit der er eine Herabsetzung der Sanktion sowie eine gänzlich bedingte Strafnachsicht anstrebt (ON 21).

Rechtliche Beurteilung

Dem Rechtsmittel kommt keine Berechtigung zu.

Der Behandlung der Berufung ist voranzustellen, dass Grundlage für die Bemessung der Strafe die Schuld des Täters ist. Dabei hat das Gericht die Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auch auf die Auswirkungen der Strafe und anderer zu erwartender Folgen der Tat auf das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft Bedacht zu nehmen. Zu berücksichtigen ist vor allem, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen nahe liegen könnte (§ 32 Abs 2 StGB).

Zunächst sind die erstgerichtlichen Strafzumessungsgründe dahingehend zu korrigieren, dass die Einlassungen des Angeklagten zwar iSd § 34 Abs 1 Z 17 StGB als Beitrag zu Wahrheitsfindung mildernd zu werten sind, diesem jedoch der angeführte Milderungsgrund - im Hinblick auf seine zwar im Sinne eines Geschehens nach § 205 Abs 2 StGB reumütig geständige, jedoch eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung iSd § 205 Abs 1 StGB und damit wesentliche Aspekte der Tathandlung leugnende Verantwortung (vgl ON 18.4 S 11 und ON 4.3 S 4) - nicht auch aufgrund eines Geständnisses zugute kommt.

Bei rechtbesehender Abwägung der vom Erstgericht im Übrigen vollständig erfassten und zutreffend gewichteten besonderen Strafzumessungsgründe sowie der allgemein im Sinn des § 32 Abs 2 und 3 StGB anzustellenden Erwägungen erweist sich die angesichts eines zur Verfügung stehenden Strafrahmens von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe mit 24 Monaten, sohin im Ausmaß eines Fünftels der möglichen Höchststrafe ausgemessene Unrechtsfolge bereits mit Blick auf das junge Alter des Opfers und den Umstand, dass das konkrete Tatgeschehen im vermeintlich geschützten familiären Umfeld gesetzt wurde, fallbezogen als schuld- und tatangemessen sowie dem sozialen Störwert, der Rechtsgutbeeinträchtigung und auch spezial- wie generalpräventiven Erfordernissen Rechnung tragend, zumal – wie vom Erstgericht bereits zutreffend erwogen – die Festsetzung spürbarer Sanktionen gerade im so sensiblen Bereich strafbarer Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung Minderjähriger und wehrloser Personen besondere Bedeutung zukommt.

Vor diesem Hintergrund stehen den Berufungsausführungen zuwider der Anwendung der geforderten Rechtswohltat gänzlich bedingter Nachsicht nicht nur spezialpräventive Erwägungen, sondern insbesondere auch Belange der Generalprävention entgegen, ist doch sowohl dem Angeklagten, der durch die Tat unter Beweis gestellt hat, dass er seine sexuellen Begehrlichkeiten nicht unter Kontrolle hat, als auch anderen tatgeneigten Personen zu verdeutlichen, dass derartige strafbare Handlungen auch zum (hier teilweisen) Vollzug verhängter Freiheitsstrafen führen. Auch ist die in Rede stehende strafbare Handlung gegen die sexuelle Integrität eines wehrlosen und minderjährigen Opfers von solchem Gewicht und solcher Sozialschädlichkeit, dass eine gänzlich bedingte Strafnachsicht geeignet wäre, einen der generellen Normtreue abträglichen bagatellisierenden Eindruck entstehen zu lassen und damit gegenüber anderen potentiellen Rechtsbrechern nicht die erforderliche tatabhaltende Wirkung zu erzielen.