21Bs224/25g – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Hahn als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Maruna und Dr. Bahr als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 3. Juni 2025, GZ ** 5, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt St. Pölten den über ihn mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 6. Mai 2025, AZ **, wegen zum Teil als junger Erwachsener begangener Straftaten nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 4 erster Fall SMG, § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und § 12 zweiter Fall, 288 Abs 1 StGB verhängten unbedingten Strafteil von einem Jahr einer insgesamt verhängten dreijährigen Freiheitsstrafe. Das errechnete Strafende fällt unter Bedachtnahme auf § 148 Abs 2 StVG auf den 23. Jänner 2026 (ON 2.3, 1). Die zeitlichen Voraussetzungen für die bedingte Entlassung nach der Hälfte der Strafzeit waren am 23. Juli 2025 gegeben, jene für die bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit werden am 23. September 2025 vorliegen (ON 2.3).
Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgericht St. Pölten als zuständiges Vollzugsgericht (im Hinblick auf die Strafzeit von zwölf Monaten zulässig ohne Durchführung einer Anhörung [RISJustiz RS0131225]) in Übereinstimmung mit der ablehnenden Stellungnahme der Staatsanwaltschaft (ON 1.9), jedoch entgegen der befürwortenden Äußerung des Anstaltsleiters der Justizanstalt St. Pölten (ON 2.2,2) zusammengefasst aus spezial und generalpräventiven Erwägungen ab.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen den ablehnenden Beschluss bei dessen Bekanntgabe erhobene (ON 6) und zu ON 7 rechtzeitig ausgeführte Beschwerde des A*, mit der dieser auf seinen bisherigen ordentlichen Lebenswandel, seine zufriedenstellende Arbeitsleistung in der Anstaltsküche sowie die Irrelevanz der Schwere der Tat, die Wohnmöglichkeit bei seiner Mutter und die bessere Wirksamkeit einer Suchttherapie hinweist, kommt keine Berechtigung zu.
Gemäß § 46 Abs 1 StGB ist einem Verurteilten nach Verbüßung der Hälfte der im Urteil verhängten zeitlichen Freiheitsstrafe der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Nach Abs 4 leg cit ist besonders zu beachten, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch die Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw ob negative Faktoren durch begleitende Maßnahmen ausgeglichen werden können. Auch in diesem Fall setzt die bedingte Entlassung aber die Annahme der im Vergleich zur weiteren Verbüßung nicht geringeren Wirkung in Bezug auf künftige Straffreiheit voraus. Bei der zu erstellenden Verhaltensprognose sind insbesondere die Art der Tat, das private Umfeld des Verurteilten, sein Vorleben und seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit in die Erwägungen einzubeziehen ( Jerabek/Ropper , WK 2StGB § 46 Rz 15/1).
Gemäß § 46 Abs 2 StGB ist ein Verurteilter, der die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel der über ihn verhängten Freiheitsstrafe verbüßt hat, trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 leg cit solange nicht bedingt zu entlassen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzugs der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.
Was die vom Vollzugsgericht und der Staatsanwaltschaft genannten generalpräventiven Hindernisse für eine bedingte Entlassung nach Verbüßung der Hälfte der Strafzeit betrifft, ist Folgendes zu beachten. A* wurde zwar wegen Straftaten verurteilt, die er sowohl vor als auch nach Vollendung des 21. Lebensjahres begangen hat, allerdings war das als junger Erwachsener begangene Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG fallbezogen strafsatzbestimmend, weshalb er dafür zutreffend unter Anwendung des § 19 Abs 1 JGG und somit wegen einer als junger Erwachsener begangenen Tat verurteilt wurde (siehe zum umgekehrten Fall Schroll/Oshidari in WK 2JGG § 17 Rz 4/2 mwN).
Bei einer wegen einer (Jugendstraftat oder) Straftat eines jungen Erwachsenen verhängten Freiheitsstrafe stehen jedochdie sonst nach § 46 Abs 2 StGB nach Verbüßung der Hälfte aber noch nicht zwei Dritteln der Strafzeit bei über 21 Jahre alten Erwachsenen nach wie vor beachtlichen, mit Blick auf die „Schwere der Tat“ die vorzeitige Entlassung hemmenden - Gründe der Generalprävention nach § 17 JGG einer Vorgangsweise nach § 46 StGB nicht entgegen. Die „Hälfteentlassung“ und die „Zwei Drittel Entlassungen“ unterscheiden sich daher in einem solchen Fall in Bezug auf diese Voraussetzung nicht (vgl Schroll/Oshidari in WK 2JGG § 17 Rz 5). Das bedeutet, dass die Ablehnung der bedingten Entlassung nach Verbüßung der Hälfte der Strafzeit im vorliegenden Fall nicht auf generalpräventive Bedenken gestützt werden kann.
Allerdings ist dem Erstgericht zuzustimmen, dass ungeachtet des bisherigen ordentlichen Lebenswandels des A* spezialpräventive Erwägungen gegen eine bedingte Entlassung zum frühestmöglichen Zeitpunkt sprechen. Denn der vollzugsgegenständlichen Verurteilung liegen zahlreiche Tathandlungen zugrunde, die gegen verschiedene Rechtsgüter gerichtet waren, so gegen die körperliche Unversehrtheit (deren Verletzung mit Blick auf die große und übergroße Menge an durch gewinnbringenden Verkauf anderen überlassenen und zu diesem Zweck aufbewahrten Suchtgiften in Form von Kokain [Cocain] und Cannabiskraut [Delta-9-THC und THCA] besonders schwer wiegt), aber auch gegen fremdes Vermögen, die Freiheit und die Rechtspflege in einem Zeitraum von lediglich etwa sechs Monaten. Daraus sind jedenfalls die Umstände abzuleiten, die die Erstellung einer im Gesetz geforderten günstigen Zukunftsprognose bereits nach Verbüßung der Hälfte der Strafzeit ungeachtet des davor zu berücksichtigenden bisherigen ordentlichen Lebenswandels nicht zulassen.
In die zu erstellende Verhaltensprognose ist nämlich auch die Art der Tat in die Erwägungen zu den einer bedingten Entlassung entgegenstehenden spezialpräventiven Hindernisse einzubeziehen. Im Hinblick auf die oben sowie in der angefochtenen Entscheidung zutreffend dargestellten Tatmodalitäten in Bezug auf das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 4 erster Fall SMG, aber auch auf die zum Nachteil des B* und der Rechtspflege begangenen Tathandlungen der schweren Nötigung nach § 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 StGB zeigen diese einen deutlichen Mangel an Respekt gegenüber den rechtlich geschützten Werten unserer Gesellschaft auf und offenbaren eine Täterpersönlichkeit, der nicht nur mit einer spürbaren Sanktion, sondern auch mit dem zumindest über die Hälfte der Strafzeit hinausgehenden Vollzug begegnet werden muss.
Angesichts der dem vollzugsgegenständlichen Urteil zugrundeliegenden Taten und der daraus hervorgehenden Täterpersönlichkeit kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Verspüren des Haftübels von bisher sechs Monaten bereits ausgereicht hat, bei A* einen ausreichend deliktabhaltenden Umdenkprozess ausgelöst zu haben, woran weder die Wohnmöglichkeit bei der Mutter noch die (aus dem Bericht der Anstaltsleitung der Justizanstalt St. Pölten im Übrigen nicht hervorgehende) zufriedenstellende Arbeitsleitung in der Anstaltsküche etwas zu ändern vermag.
Aus all dem ist in Übereinstimmung mit dem Erstgericht derzeit noch nicht auf eine den weiteren Strafvollzug (zumindest) gleichwertige präventive Wirkung einer bedingten Entlassung nach der Hälfte der Strafzeit zu schließen und sind derzeit auch keine sinnvollen Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB denkbar, die die negative Prognose wirksam verändern können.
Der Beschwerde gegen den im Ergebnis der Sach und Rechtslage entsprechenden Beschluss ist daher ein Erfolg zu versagen.