31Bs165/25d – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*wegen §§ 15, 269 Abs 1 vierter Fall und letzter Fall StGB über die Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Strafe gegen das Urteil des Landesgerichtes Wr. Neustadt vom 5. März 2025, GZ ** 21.3, nach der unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Dr. Schwab, im Beisein des Richters Mag. Spreitzer LL.M. und der Richterin Mag. Marchart als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin HR Mag. Sonja Riener sowie des Angeklagten A* und seines Verteidigers MMMag. Alfred Krenn LL.M. durchgeführten Berufungsverhandlung am 24. Juli 2025 zu Recht erkannt:
Spruch
In teilweiser Stattgebungder Berufung wird die Anwendung des § 43a Abs 3 StGB aus dem Strafausspruch ausgeschaltet.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* des Verbrechens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 vierter und letzter Fall StGB schuldig erkannt und nach dem zweiten Strafsatz des § 269 Abs 1 StGB – unter aktenkonformer Vorhaftanrechnung - zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs 3 StGB wurde ein Strafteil von zehn Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Überdies wurde (ergänze: gemäß § 50 StGB) Bewährungshilfe angeordnet (ON 21.2,7), die gesonderte Beschlussausfertigung gemäß § 494 StPO ( KirchbacherStPO 15 § 494 Rz 1) ist offenbar bislang unterblieben.
Nach dem Inhalt des Schuldsprucheshat A* am 10. Oktober 2024 eine Beamtin, nämlich die Gerichtsvollzieherin des BG Wiener Neustadt B*, durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung, nämlich an der Vollziehung einer Fahrnisexekution, zu hindern versucht, indem er zu ihr sagte, er werde über seinen Anwalt ihre private Adresse herausfinden und ihr dann „Rumänen“ schicken, die sie erledigen würden, keine Polizei könne ihr dabei helfen, wobei er die Nötigung zu begehen versuchte, indem er mit dem Tod drohte (§ 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB).
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, als mildernd hingegen das „schließlich“ reumütige Geständnis und den Umstand, dass es beim Versuch geblieben ist.
Gegen das Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete und zu ON 24 ausgeführte Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Strafe, mit der diese die Erhöhung der Sanktion und die Ausschaltung der teilweisen bedingten Strafnachsicht begehrt.
Rechtliche Beurteilung
Der Berufung kommt teilweise Berechtigung zu.
Vor Eingehen in die Berufung waren die erstgerichtlichen Strafzumessungsgründe zum Nachteil des Angeklagten um den raschen Rückfall (RIS-Justiz RS0091041) seit seiner letzten Verurteilung am 26. September 2023 wegen § 83 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe, die bislang noch nicht vollzogen wurde (Pkt 10 der Strafregisterauskunft) zu ergänzen.
Bezugspunkt für die erschwerende Wertung des raschen Rückfalls ist nicht der Zeitpunkt der Begehung der früheren Tat, sondern der ihrer Aburteilung bzw der Verbüßung der verhängten Strafe ( Leukauf/Steininger/Tipold, StGB 4§ 33 Rz 14b). Überdies lässt sich nicht generell festlegen, bis zu welcher Zeitspanne noch davon gesprochen werden kann: Richtwerte für einen raschen Rückfall sind etwa mehrere Monate oder eine Tatbegehung innerhalb eines Jahres. Im Rahmen der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 Abs 2 und 3 StGB) fiel die Tatbegehung während offenen Strafvollzugs (vgl 14 Os 110/20p) zusätzlich zum Nachteil des Angeklagten ins Gewicht.
Zutreffend verweist die Berufung darauf, dass der Angeklagte ein massiv getrübtes Vorleben hat, wurde er doch beginnend ab 2005, 2008, 2010, 2013, 2015, 2016, 2017 und 2018 in Deutschland wegen Gewalt- und Vermögensdelikten zu Geldstrafen und Freiheitsstrafen verurteilt, die teils sofort in Vollzug gesetzt, teils bedingt nachgesehen worden waren. Auch eine bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug und die mehrmalige Beigebung von Bewährungshilfe konnten A* nicht dauerhaft von weiteren Straftaten abhalten. So wurden über ihn wegen Gewaltdelikten im August 2021 und im September 2023 abermals jeweils Geldstrafen (Pkt 9 und 10 der Strafregisterauskunft) verhängt. Zu Recht leitet die Staatsanwaltschaft daraus die ersichtliche Unbeeindrucktheit des Angeklagten durch die bislang erfolgten Sanktionierungen ab.
Bei einem Strafrahmen von 6 Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe ist bei der vorliegenden Strafzumessungslage eine Freiheitsstrafe von 15 Monaten spezialpräventiv gerade noch ausreichend und trägt auch den generalpräventiven Erfordernissen entsprechend Rechnung.
Hingegen kann die zu Gunsten des Angeklagten erstellte positive Prognose aufgrund der in der Tathandlung zum Ausdruck kommenden ungehemmten Aggressionsbereitschaft nicht geteilt werden. Bisherige Sanktionen und Rechtswohltaten wie auch die versuchte Stützung durch Bewährungshilfe vermochten keine ausreichende deliktsabhaltende Wirkung zu entfalten, das zuletzt abgelegte Geständnis und der persönliche Eindruck in der Hauptverhandlung wurden für die teilweise bedingte Nachsicht in Treffen geführt. Ein reumütiges Geständnis iSd § 34 Abs 1 Z 17 StGB liegt aber nur dann vor, wenn der Angeklagte in Bezug auf die objektive und die subjektive Tatseite reuige Schuldeinsicht zeigt (Riffel in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 34 Rz 38). In der Verantwortung des Angeklagten, der sich im Verfahren zunächst nicht äußerte und sich eingangs der Verhandlung als teilweise schuldig bekannte, die Aussage der Zeugin jedoch bestritt, und letztlich nur einräumte, dass es so sein könne, wie es die Zeugin gesagt habe, er habe es aus Wut getan, lässt – trotz gleichzeitiger Entschuldigung bei der Zeugin – schon auf Grund des Verfahrensablaufes und des Zeitpunkts der Erklärung gegen Ende des Beweisverfahrens zwar prozesstaktische Überlegungen, nicht jedoch die gebotene innere Umkehr erkennen. Das – soweit überhaupt abgelegte – Geständnis trug auch nicht wesentlich zur Wahrheitsfindung bei und erfolgte erst im Laufe der Hauptverhandlung über Druck der schwerwiegend belastenden Beweismittel, nämlich nach der Aussage der Zeugin B* in der Hauptverhandlung (ON 21.2,3ff), ohne eine innere Umkehr zum Ausdruck zu bringen (ON ON 21.2,6). Die erste Variante des § 34 Abs 1 Z 17 StGB muss gerade auch die subjektive Tatseite umfassen und von innerer Umkehr getragen sein, kommt es hier doch vor allem auf die spezialpräventive Perspektive an ( Riffel aao § 34 Rz 38). Demgemäß kann das Geständnis nur marginal zugunsten des Angeklagten gewertet werden.
Auf Grund der kriminellen Beharrlichkeit und der aus nichtigem Anlass gesetzten Straftat im Zuge eines Exekutionsverfahrens gegen die amtshandelnde Beamtin bleibt bei dem sowohl aus dem Vorleben als auch der Tat erhellenden negativen Persönlichkeitskalkül kein Platz für eine positive Verhaltensprognose und teilweise bedingte Nachsicht, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Zufolge Ausschaltung der teilweisen bedingten Nachsicht ist der Beschluss auf Beigebung von Bewährungshilfe gegenstandslos.