18Bs193/25a – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Richterin Mag. Heindl als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Lehr und Dr. Hornich, LL.M., als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A*wegen vorläufigen Absehens vom Strafvollzug wegen Einreise- oder Aufenthaltsverbots gemäß § 133a StVG über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 29. Juni 2025, GZ **-12, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der am ** geborene rumänische Staatsangehörige A* verbüßt in der Justizanstalt ** den unbedingten Teil von acht Monaten Freiheitsstrafe der über ihn mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. Oktober 2024, rechtskräftig seit 19. Oktober 2024, AZ B*, wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von vierundzwanzig Monaten sowie die damit widerrufene und vom Landesgericht für Strafsachen Wien vom 14. Februar 2024, rechtskräftig seit 20. Februar 2024, wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB, des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG, des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 dritter Fall StGB, des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 2, 84 Abs 2 StGB, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB sowie des Verbrechens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 zweiter Fall StGB über ihn verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten.
Das errechnete Strafende fällt auf den 16. Oktober 2026. Die zeitlichen Voraussetzungen einer bedingten Entlassung gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG werden am 19. September 2025, jene nach 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG am 29. Jänner 2026 erfüllt sein.
Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 12) lehnte das Landesgericht Korneuburg als zuständiges Vollzugsgericht – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Korneuburg (ON 1.2) - den Antrag des A* auf vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen Einreise- oder Aufenthaltsverbots gemäß § 133a StVG zum Hälfte-Stichtag unter Hinweis auf die in der Schwere der verurteilten Tat zu AZ ** des Landesgerichts für Strafsachen Wien gelegenen (besonderen) generalpräventiven Erfordernisse ab.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde des Strafgefangenen (ON 13; Übersetzung ON 14), der keine Berechtigung zukommt.
Gemäß § 133a Abs 1 StVG ist, wenn ein Verurteilter die Hälfte der Strafzeit, mindestens aber drei Monate verbüßt hat, vom weiteren Vollzug der Strafe vorläufig abzusehen, wenn gegen ihn ein Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot besteht (Z 1), er sich bereit erklärt, seiner Ausreiseverpflichtung in den Herkunftsstaat (§ 2 Abs 1 Z 17 AsylG) unverzüglich nachzukommen und zu erwarten ist, dass er dieser Verpflichtung auch nachkommen wird (Z 2), und der Ausreise keine tatsächlichen oder rechtlichen Hindernisse entgegenstehen (Z 3).
Hat ein Verurteilter die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel einer Freiheitsstrafe verbüßt, so ist nach § 133a Abs 2 StVG trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 leg cit solange nicht vorläufig vom weiteren Vollzug der Strafe abzusehen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzuges bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.
Gegen den Strafgefangenen besteht zur IFA-Zahl ** ein mit 20. Februar 2025 rechtskräftiges, auf die Dauer von sechs Jahren ab Ausreise befristetes Aufenthaltsverbot (ON 5 und ON 7). Mit seinem Antrag auf vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen Einreise- oder Aufenthaltsverbots gemäß § 133a StVG erklärte sich der Strafgefangene bereit, seiner Ausreiseverpflichtung umgehend nachzukommen (ON 3, 3).
Ungeachtet des Vorliegens auch der weiteren Voraussetzungen des § 133 Abs 2 StVG sprechen gegenständlich generalpräventive Gründe gegen ein vorläufiges Absehen vom Strafvollzug zum frühestmöglichen Zeitpunkt aus.
Bereits dem vollzugsgegenständlichen Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien zu AZ B* ist zusammengefasst zu entnehmen, dass der Verurteilte sein Opfer durch gefährliche Drohung mit dem Tod zum Verlassen einer Örtlichkeit genötigt hat, indem er aus seiner Tasche ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von ca 15 Zentimetern zog, in Richtung des Opfers richtete und das flüchtende Opfer mit dem Messer in der Hand verfolgte, während er Stichbewegungen von oben nach unten ausführte und das Opfer anbrüllte (ON 11).
In dieser Tat manifestiert sich, wie auch bereits das Erstgericht zutreffend darlegte, nicht zuletzt aufgrund der konkreten Tatmodalitäten (wie Verwendung eines Küchenmessers, Verfolgung des flüchtenden Opfers unter Durchführung von Stichbewegungen mit dem Messer) ein Handlungsund Erfolgsunrecht in einer Unwerthöhe, die im Wege einer überprüfenden Gesamtbewertung als auffallend zu beurteilen ist („Schwere der Tat“, RIS-Justiz RS0091863). Die Drohung mit dem Messer und die Verfolgung des Opfers unter Durchführung von Stichbewegungen stellen somit Umstände dar, die sich aus Sicht der Allgemeinheit von regelmäßig vorkommenden Delikten gegen die Freiheit auffallend abheben. Darüber hinaus bringt der Gesetzgeber bereits durch die Strafdrohung von sechs Monaten bis zu fünf Jahren (§ 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB), welche durch die Tatbegehung unter Drohung mit einer Waffe gemäß § 39a Abs 1 Z 4, Abs 2 Z 3 StGB eine Anhebung der Strafuntergrenze auf ein Jahr Freiheitsstrafe erfährt, vorweg einen hohen sozialen Störwert der vom Verurteilten zu verantwortenden strafbaren Handlung zum Ausdruck.
Bleibt der Vollständigkeit halber zu erwähnen, dass auch der weiteren vollzugsgegenständlichen Verurteilung zu AZ ** des Landesgerichts für Strafsachen Wien Taten zugrunde liegen (Versetzen eines Faustschlages, Schlag mit dem Tretroller gegen den Kopf und versuchter Schlag mit einem Absperrpoller gegen das Opfer [Punkt I./] sowie Richten eines Küchenmessers mit einer Klingenlänge von elf Zentimetern mit einem Abstand von ca 50 Zentimetern gegen den Brustbereich eines einschreitenden Polizeibeamten [Punkt V./], siehe ON 29 des vom Erstgericht beigeschafften dg Strafaktes), bei denen jeweils von einem auffallend verwerflichen und mit ungewöhnlichem sozialen Störwert verbundenen Tatverhalten auszugehen ist.
Mit Blick auf die in den letzten Jahren massiv um sich greifenden Aggressions- und Gewaltdelikte, insbesondere auch unter Einsatz oder Drohung von waffentauglichen Gegenständen, bedarf es des konsequenten und im vorliegenden Fall zumindest über die Hälfte hinausgehenden Vollzugs der Sanktion, um potentielle Nachahmungstäter von der Begehung derartiger für die Opfer oft mit schwerwiegenden körperlichen oder aufgrund der hiedurch ausgelösten Todesängste psychischen Folgen einhergehenden Straftaten abzuhalten.
Diesem Kalkül hat der Verurteilte mit seiner Beschwerde, in der er auf sein Aufwachsen in einem schwierigen Umfeld hinweist und beteuert, seine Lektion nach zehnmonatiger Haft gelernt zu haben, nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen und verkennt dabei, dass im Rahmen des § 133a Abs 2 StVG neben der Schwere der Tat ausschließlich generalpräventive Erwägungen (Entgegenwirkung der Begehung strafbarer Handlungen durch andere) zu berücksichtigen sind und es gerade nicht darauf ankommt, ob der Strafgefangene selbst durch den bisherigen Strafvollzug bereits geläutert ist, sodass der Beschwerde gegen den der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beschluss ein Erfolg zu versagen ist.
Gegen die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.