33R105/25s – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien erkennt als Berufungs- gericht durch den Senatspräsidenten MMMag. Frank als Vorsitzenden, den Richter Mag. Schmoliner und die fach- kundige Laienrichterin HR in Mag. a Fröch in der Markenschutzsache der Antragstellerin A *** gegen die Antragsgegnerin B ***, wegen der Löschung einer Marke gemäß § 32 MSchG, über die Berufung der Antragstellerin gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts vom 13.3.2025, Nm 35/2023, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht:
Spruch
In der Hauptsache wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Im Kostenpunkt wird der Berufung teilweise Folge gegeben.
Die erstinstanzliche Kostenentscheidung wird dahin abgeändert, dass sie insgesamt wie folgt zu lauten hat:
„Die Antragstellerin ist schuldig, der Antrags- gegnerin deren mit EUR 6.359,17 (darin EUR 1.015,33 deutsche USt) bestimmte erstinstanzliche Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die Antragstellerin ist schuldig, der Antrags- gegnerin deren mit EUR 3.670,56 (darin EUR 586,06 deutsche USt) bestimmte Berufungsbeantwortungskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
C *** gründete ein Unternehmen mit der Bezeichnung „Ventio“, das mit dieser Firma am 27.1.2020 im französischen Unternehmensregister unter der Nr. 880968383 als juristische Person (Société par actions simplifiée à associé unique [SAS]) eingetragen wurde. Dabei handelt es sich um die nunmehrige Antragstellerin; als ihr einziger Geschäftsführer wurde damals C *** registriert. Die von ihm bereits am 19.12.2019 erwirkten Internet Domains ventio.net, ventio.fr, ventio.be und ventio.cloud werden von diesem Unternehmen seit 2.1.2020 als Lizenznehmer genützt. Sein Geschäftsgebiet umfasst die Bereitstellung von Computerdiensten für die Indizierung, Speicherung und Verarbeitung und für den Austausch sensibler Daten sowie die Erstellung von Gutachten und die Erteilung von Ratschlägen in diesem Zusammenhang.
Die Antragsgegnerin ist Inhaberin der mit Priorität 18.2.2021 für die Klassen 9, 35 und 42 eingetragenen österreichischen Wortbildmarke AT 321459 (in der Folge stets: angegriffene Marke), die folgendermaßen aussieht:

Die Antragstellerin brachte im Wesentlichen vor, ihre Unternehmensbezeichnung „Ventio“ sei als Bestandteil der Wortbildmarke der Antragsgegnerin registriert worden. Zwischen diesen Zeichen bestehe eine hochgradige visuelle und phonetische Ähnlichkeit. Darüber hinaus seien die Geschäftsgebiete, auf denen die Parteien tätig seien, praktisch identisch. Die Benutzung der Wortbildmarke sei deshalb geeignet, im geschäftlichen Verkehr die Gefahr von Verwechslungen mit der Bezeichnung der Antragstellerin hervorzurufen. Diese Bezeichnung sei von der Antragstellerin bereits vor dem 18.2.2021 in Österreich auf verschiedene Arten zu geschäftlichen Zwecken verwendet worden.
Gestützt auf diese Behauptungen begehrte die Antragstellerin gemäß § 32 MSchG die Löschung der angegriffenen Marke.
Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung dieses Löschungsantrags und wandte im Wesentlichen ein, die Antragstellerin habe ihre Bezeichnung vor dem 18.2.2021 in Österreich nicht in einer Weise benutzt, die eine Löschung der angegriffenen Marke rechtfertigen könnte.
Mit der nun angefochtenen Entscheidung wies die Nichtigkeitsabteilung des Patentamts den Löschungsantrag ab und verhielt die Antragstellerin zum Kostenersatz im Umfang von EUR 7.241,53 brutto. Auf Basis der unstrittigen Sachverhaltselemente und der darüber hinaus auf den Entscheidungsseiten 13 bis 17 getroffenen Feststellungen, auf welche zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, kam die Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung zum Ergebnis, der Löschungsantrag scheitere dann, dass die Antragstellerin eine vor dem 18.2.2021 entfaltete geschäftliche Benutzung ihrer Unternehmensbezeichnung in Österreich nicht nachgewiesen habe.
Dagegen wendet sich die vorliegende Berufung der Antragstellerin, die in der Hauptsache inhaltlich ungeachtet der zum Teil anderen Bezeichnung der Berufungsgründe nur eine Rechtsrüge enthält und darauf abzielt, die bekämpfte Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Löschungsantrag stattgegeben werde. Darüber hinaus enthält das Rechtsmittel auch eine Kostenrüge mit dem Bestreben, den Kostenzuspruch an die Antragsgegnerin auf EUR 5.195,49 brutto zu reduzieren.
Die Antragsgegnerin stellt in ihrer Berufungs-beantwortung den Antrag, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist in der Hauptsache unberechtigt und nur im Kostenpunkt teilweise berechtigt.
1. Zur Rechtsrüge:
1.1. Die Antragstellerin erklärt zwar am Beginn ihres Rechtsmittels, die bekämpfte Entscheidung auch wegen „unrichtiger Sachverhaltsfeststellung, […] unrichtiger Beweiswürdigung und Aktenwidrigkeit“ anzufechten (Berufung S 2 oben). Ihre weiteren Ausführungen zeigen aber, dass sie die von der Nichtigkeitsabteilung getroffenen Feststellungen in Wahrheit nicht anzweifelt, sondern nur die darauf basierende rechtliche Beurteilung als unzutreffend erachtet. Damit macht die Antragstellerin in der Hauptsache in Wahrheit nur eine Rechtsrüge geltend.
1.2. Gemäß § 32 Abs 1 MSchG kann ein Unternehmer die Löschung einer Marke begehren, wenn sein Name, seine Firma oder die besondere Bezeichnung seines Unternehmens oder eine diesen Bezeichnungen ähnliche Bezeichnung ohne seine Zustimmung als Marke oder als Bestandteil einer Marke registriert worden ist und wenn die Benutzung der Marke geeignet wäre, im geschäftlichen Verkehr die Gefahr von Verwechslungen der vorerwähnten Unternehmenskennzeichen des Antragstellers hervorzurufen.
Ein ausländisches Unternehmen kann einen derartigen Löschungsantrag nur dann mit Erfolg stellen, wenn es seine Bezeichnung vor dem Prioritätstag, den die angegriffene Marke genießt, in Österreich so in Gebrauch genommen hat, dass daraus auf den Beginn einer dauernden wirtschaftlichen Betätigung im Inland geschlossen werden konnte (Om 6/10 = PBl 2011, 44 mwN; in diesem Sinne auch 17 Ob 6/11y [3.4.] mwN in einem Verletzungsstreit).
Aus der bloßen Zugänglichkeit einer Website in dem durch eine Marke erfassten Gebiet kann nicht darauf geschlossen werden, dass sich die auf ihr angezeigten Angebote an Adressaten in diesem Gebiet richteten (4 Ob 206/22f [2.3.], anknüpfend an EuGH C 324/09, L'Oréal/ebay [Rn 64]; ebenso auch EuGH C-98/13, Blomqvist/Rolex [Rn 31]).
1.3. Im hier zu beurteilenden Fall haben nach den Feststellungen vor dem 18.2.2021 nur drei Aktivitäten stattgefunden, die unter dem Blickwinkel des § 32 Abs 1 MSchG einer näheren Prüfung bedürfen.
1.3.1. Die Webseite verzeichnete im Zeitraum 1.1.2020 bis 17.2.2021 100 Zugriffe aus Österreich (Entscheidung S 16, Abs 2).
Der Umstand, dass diese Webseite (auch) von in Österreich ansässigen Personen aufgerufen werden konnte und auch tatsächlich aufgerufen wurde, erlaubte aber für sich allein keine Rückschlüsse darauf, dass die Antragstellerin (bzw. ihre vor der Registrierung [27.1.2020] agierende Rechtsvorgängerin) in diesem Zeitraum geschäftliche Aktivitäten in Österreich auch nur beabsichtigt, geschweige denn in Angriff genommen habe. Dieser Internet-Auftritt ist daher nach den ad 1.2. dargelegten Grundsätzen irrelevant.
1.3.2. Am 14.1.2020 hielt C *** vor ca. 20 Personen (vor allem Wissenschaftlern und Radiologen) einen wissenschaftlichen Vortrag an der TU Graz. Während des anschließenden Abendessens wurde auch über die Firma der Antragstellerin und ihre Homepage gesprochen, und C *** verteilte Visitenkarten, auf denen die Firma und die Internetadresse der Antragstellerin angeführt waren (Entscheidung S 14, Abs 1).
Demnach hat C *** die von ihm gegründete und etwas später registrierte Antragstellerin am 14.1.2020 bloß einem – sehr kleinen – Personenkreis in Österreich vorgestellt. Daraus ließ sich aber nicht ableiten, dass eine dauernde wirtschaftliche Betätigung der Antragstellerin - auch - in Österreich damals in Erwägung gezogen worden sei, geschweige denn bereits begonnen habe.
1.3.3. Am 29.10.2020 hielt C *** auf dem Europäischen Kongress für Radiologie (einer Online Veranstaltung) einen Vortrag, in dessen Verlauf er auch über die Antragstellerin und die von ihr angebotenen Dienstleistungen sprach, wobei er aber die Antragstellerin und ihre Produkte nicht direkt bewarb. Von den insgesamt 15.265 Personen, die an dieser Veranstaltung teilnahmen, stammten 1.136 aus Österreich (Entscheidung S 14, letzter Abs).
Auch der Verlauf dieser Veranstaltung bot keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass dauernde geschäftliche Aktivitäten der Antragstellerin in Österreich damals geplant gewesen, geschweige denn schon in Angriff genommen worden seien. Denn selbst bei Bejahung eines impliziten Werbecharakters ist die in Rede stehende Veranstaltung angesichts ihres Online Formats gleich zu beurteilen wie eine – undifferenziert auch – dem österreichischen Publikum zugängliche Webseite, und sie ist daher nach den ad 1.2. dargelegten Grundsätzen jedenfalls unbeachtlich.
1.4. Aus dem Gesagten folgt, dass die Antragstellerin ihre Bezeichnung vor dem maßgeblichen 18.2.2021 in Österreich nicht in einer Weise in Gebrauch genommen hat, dass daraus auf den Beginn einer dauernden wirtschaftlichen Betätigung im Inland geschlossen werden konnte. Dieses Bild harmoniert auch mit einer Ex post Betrachtung; denn es steht unbekämpft fest (Entscheidung S 15 Mitte), dass die Antragstellerin (gemeint: bis zum Schluss der Streitverhandlung am 14.11.2024) keine Kunden in Österreich hatte.
Der vorliegende Löschungsantrag ist daher zutreffend abgewiesen worden, sodass der Berufung in der Hauptsache kein Erfolg beschieden sein kann.
2. Zur Kostenrüge:
Die Antragsgegnerin verzeichnete für die Verhandlung vom 14.11.2024 Kosten von EUR 10.687,20 brutto. In ihren Einwendungen machte die Antragstellerin geltend, erstattungsfähig seien angesichts der Dauer von drei Stunden bloß Kosten von EUR 3.562,56 brutto. Diesen Standpunkt erhält die Antragstellerin nun auch in ihrer Kostenrüge aufrecht.
Allerdings hat die in Rede stehende Tagsatzung – entgegen der Argumentation der Antragstellerin – nicht bloß drei Stunden gedauert, sondern gemäß dem – von der Antragstellerin nicht in Zweifel gezogenen Protokoll - von 10.00 Uhr bis 13.10 Uhr, also drei ganze und eine weitere begonnene Stunde lang. Daraus resultieren auf Basis des damals maßgeblichen Streitwerts von EUR 47.500 (§ 5 Z 14 AHK) gemäß TP 3 A II. RATG Kosten von EUR 4.416,09 brutto; ein (jedenfalls nicht explizit verzeichneter) Streitgenossenzuschlag ist für diese Tagsatzung nicht zuzuerkennen, weil die Ventio SAS ab dem Beginn dieser Tagsatzung die einzige Antragstellerin war (siehe die Richtigstellung im Protokoll, S 1 oben). Zuzüglich der von der Antragstellerin – zutreffend - zugestandenen Kosten für die Äußerung vom 21.9.2023 von EUR 1.943,08 brutto beläuft sich der Kostenersatzanspruch der obsiegenden Antragsgegnerin daher gemäß § 41 ZPO (iVm § 35 Abs 5 MSchG und § 122 Abs 1 PatG) auf EUR 6.359,17 brutto. Darin enthalten ist deutsche Umsatzsteuer in gerichtsnotorischer Höhe von (nur) 19 % (RS0114955 [T18]), die EUR 1.015,33 ausmacht.
Der erstinstanzliche Kostenzuspruch ist daher in teilweiser Stattgebung der vorliegenden Kostenrüge auf EUR 6.359,17 brutto zu reduzieren.
3.Die Entscheidung über die Berufungsbeantwortungskosten beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO (iVm § 35 Abs 5 MSchG und § 122 Abs 1 PatG). Der Umstand, dass die Antragstellerin mit ihrer Kostenrüge teilweise durchgedrungen ist, hat hier keine Auswirkungen (RS0087844 [T5]).
4.Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands beruht auf § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO (iVm § 42 MSchG und § 143 Abs 1 PatG) und folgt der hohen Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben.
5.Die ordentliche Revision ist mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO (iVm § 42 MschG und § 143 Abs 1 PatG) nicht zulässig.
Oberlandesgericht Wien
1011 Wien, Schmerlingplatz 11
Abt. 33, am 14.7.2025