7Ra24/25p – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Glawischnig als Vorsitzende, die Richterin Mag. Derbolav-Arztmann, den Richter Mag. Zechemeister sowie die fachkundigen Laienrichter Kammerrätin Anneliese Schippani und Ing. Mag. Michael Burger in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch Brandstätter Scherbaum Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei B* GmbH , **, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Rechnungslegung, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 13.12.2024, **-14, gemäß §§ 2 ASGG, 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 2.220,42 (darin EUR 370,07 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Vorauszuschicken ist, dass das Berufungsgericht die Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig, hingegen die damit bekämpften Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils für zutreffend erachtet. Es kann daher mit einer kurzen Begründung das Auslangen gefunden werden (§ 500a ZPO).
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei Rechnung über die während der Dauer des Arbeitsverhältnisses zwischen 15.2.2021 und 31.3.2024 auf Vorschlag der klagenden Partei getätigten Investitionen in Unternehmen (Start-ups), enthaltend i) den Namen des Unternehmens, ii) das Datum der Investition, iii) die Höhe des eingesetzten Investitionskapitals, iv) das durch das eingesetzte Kapital erhaltene Ausmaß der Beteiligung (in Prozent), v) den zum Zeitpunkt 31.3.2024 bestehenden Unternehmenswert des jeweiligen Unternehmens, sowie vi) die für die Beteiligung bis zum 31.3.2024 aufgelaufenen Kosten und Gebühren zu legen und die sich auf Grund der Rechnungslegung ergebende Vergütung in voller Höhe zu bezahlen, wobei die ziffernmäßige Festsetzung des Zahlungsbegehrens bis zur Punkt 1. des Urteilsspruchs erfolgten Rechnungslegung vorbehalten bleibe, ab .
Seiner Entscheidung legte es den auf den Urteilsseiten 4 bis 7 wiedergegebenen Sachverhalt zugrunde, auf den verwiesen und aus dem als für das Berufungsverfahren wesentlich hervorgehoben wird:
Im Dezember 2021 legte der damalige Geschäftsführer der beklagten Partei, C*, dem Kläger eine Bonusvereinbarung (Beilage ./C) vor. Dabei wurde besprochen, dass der Kläger einen Bonus erhalten solle, wenn es zu einem „Ausstieg“ kommt.
Als „Ausstieg“ wird in der Bonusvereinbarung der „Verkauf der vom Arbeitgeber gehaltenen Anteile an einem eingeführten Start-up-Projekt […]“ definiert.
5. VERGÜTUNG
5.1. Die Parteien vereinbaren, dass der Arbeitnehmer eine Bonuszahlung in Form einer Gewinnbeteiligung an den vom Arbeitnehmer erzielten Nettogewinnen nach erfolgreichem Ausstieg aus einem der eingeführten Start-up-Projekte erhält und vereinbaren daher Folgendes:
5.2. Investiert der Arbeitgeber während der Laufzeit dieses Vertrags selbst oder über ein mit ihm verbundenes Unternehmen in ein eingeführtes Start-up-Projekt, hat der Arbeitnehmer […] Anspruch auf eine Bonuszahlung des Arbeitgebers in Höhe von 2,5% der Gewinnbeteiligung, vorbehaltlich der Unverfallbarkeit gemäß Abschnitt 5.3., für jedes einzelne angeführte Start-up-Projekt. […]
5.3. Unverfallbarkeit des Start-up-Bonus
Der Anspruch des Arbeitnehmers auf den Start-up-Bonus wird über einen Zeitraum von 4 Jahren unverfallbar […]
Ungeachtet dessen werden 100% des Start-up-Bonus, das heißt 2,5% der Gewinnbeteiligung, bei einem Ausstieg sofort unverfallbar, wenn der Ausstieg während der Laufzeit des Arbeitsvertrags erfolgt.
[…]
Vor Unterzeichnung der Vereinbarung sprach der Kläger mit C* noch darüber, was mit dem Bonus passieren sollte, wenn er vor einem „Ausstieg“ ableben würde […].
Darüber hinaus wurde über den Inhalt der Bonusvereinbarung nicht gesprochen. Es wurde auch nicht darüber gesprochen, was mit dem Bonus passieren soll, wenn das Dienstverhältnis des Klägers vor einem „Ausstieg“ enden sollte [gerügte Feststellung 1].
Der Kläger ging davon aus, dass er in diesem Fall bei Ende des Dienstverhältnisses einen Bonus auf Basis des zu diesem Zeitpunkt bestehenden Werts der Investition erhalten sollte. Angesprochen hat er dies nicht.
Der Geschäftsführer der beklagten Partei verfolgte mit dieser Bonusvereinbarung das Ziel, den Kläger an erwirtschafteten Gewinnen der beklagten Partei teilhaben zu lassen. Der Bonus sollte nach seiner Vorstellung nur dann zur Auszahlung gelangen, wenn auch tatsächlich Geld bei der beklagten Partei aus einem gewinnbringenden Ausstieg eingeht. Eine von einem gewinnbringenden Ausstieg unabhängige Bonusvereinbarung war von der beklagten Partei nicht gewollt (gerügte Feststellung 2).
Die Entscheidung über einen „Ausstieg“ oblag der Geschäftsführung der beklagten Partei.
Zum Schluss der mündlichen Verhandlung ist die beklagte Partei aus keiner Investition, welche während des aufrechten Dienstverhältnisses des Klägers auf dessen Vorschlag getätigt wurde, vollständig ausgestiegen.
Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass Ansprüche auf Rechnungslegung und Buchauszug typische Nebenansprüche zur Durchsetzung eines Provisionsanspruchs oder anderen Zahlungsanspruchs als Hauptanspruch darstellten und gemeinsam mit dem Hauptanspruch verjährten. Ein Nebenanspruch könne daher nur bestehen und fällig sein, soweit der Hauptanspruch bestehe.
Nach § 914 ABGB sei zur Auslegung von Verträgen die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspreche. Es sei nicht das, was schriftlich geäußert werde, allein entscheidend.
Ein abweichender übereinstimmender Parteiwille könne aus den Feststellungen nicht abgeleitet werden. Die Vertragsauslegung durch Ermittlung des objektiven Erklärungswerts stelle klar auf den Verkauf von Start-up-Beteiligungen ab.
In keinem Punkt der Bonusvereinbarung werde auf den zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Wert der Investition Bezug genommen und ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut, dass der Anspruch auf Bonuszahlung erst nach Verkauf der Beteiligungen an einem Start-up-Projekt entstehe und nicht bei Beendigung des Dienstverhältnisses.
Die Bonusvereinbarung enthalte explizite Regeln, dass und in welcher Höhe der Bonusanspruch auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses entstehen könne. Eine unklare Regelung, die zu Lasten der beklagten Partei auszulegen wäre, liege nicht vor.
Da der Hauptanspruch des Klägers auf Zahlung eines Bonus mangels Ausstiegs aus einem der eingeführten Start-up-Projekte noch nicht entstanden sei, bestehe ebenso das Rechnungslegungsbegehren des Klägers (zum aktuellen Zeitpunkt) nicht.
Die Behauptung der Sittenwidrigkeit und die Übertragung des wirtschaftlichen Risikos auf den Arbeitnehmer sei nicht nachvollziehbar.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers aus den Berufungsgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil im gänzlich klagestattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. Unter dem Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung bekämpft der Rechtsmittelwerber zunächst die bei der teilweisen Wiedergabe des Sachverhalts als „gerügte Feststellung 1“ bezeichnete Konstatierung und begehrt ersatzweise die Feststellung: „ Zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten, C*, wurde bei Abschluss der Bonusvereinbarung, Beilage ./C, besprochen, dass der Kläger bei einem Ausstieg der Beklagten aus einem Start-up-Projekt bezahlt werden sollte. Ebenso sollte der Kläger den Bonus dann erhalten, wenn das Dienstverhältnis des Klägers beendet wird, die Beklagte zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht aus den Start-ups ausgestiegen sei. Über die Frage, wie der Bonus auszubezahlen sei, wurde nicht gesprochen. “
Der Rechtsmittelwerber vermeint, dass die gerügte Feststellung deshalb nicht zu treffen gewesen wäre, weil ihr keine Beweisergebnisse zugrunde lägen. Der Kläger habe im Rahmen seiner Einvernahme auf die Frage des Gerichts, was bezüglich der Bonusvereinbarung besprochen worden sei, ausgeführt, dass er bei einem Ausstieg bezahlt werden sollte. Andernfalls sollte er bei Beendigung des Dienstverhältnisses bzw. wenn er das Unternehmen verlasse, bezahlt werden. Andere Beweisergebnisse als die Aussage des Klägers, was hinsichtlich der Bonusvereinbarung bei deren Abschluss besprochen worden sei, lägen nicht vor. Dass der Kläger bei der Frage, wie die Bezahlung bei Beendigung des Dienstverhältnisses hätte erfolgen sollen, darauf verwiesen habe, dass dies nicht konkret besprochen worden sei, vermöge daran, dass eine solche Bezahlung bei Beendigung des Dienstverhältnisses erfolgen sollte (und auch besprochen gewesen sei), nichts zu ändern.
Die erstgerichtliche Beweiswürdigung, wonach der Kläger angegeben habe, mit C* nicht ausdrücklich darüber gesprochen zu haben, was im Fall der Beendigung des Dienstverhältnisses vor einem Ausstieg passieren solle, widerspreche daher den Ergebnissen des Beweisverfahrens.
Für eine erfolgreiche Tatsachen- und Beweisrüge reicht nicht aus, bloß auf einzelne für den Prozessstandpunkt des Berufungswerbers günstige Beweismittel zu verweisen; vielmehr muss dargelegt werden, warum das Erstgericht diesen und nicht anderen Beweismitteln hätte Glauben schenken sollen. Erforderlich ist also eine kritische Auseinandersetzung mit der gesamten Beweislage. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Der Rechtsmittelwerber stützt sich ausschließlich auf seine Angaben auf Seite 3 in ON 11, übergeht aber die schlüssige und nachvollziehbare Beweiswürdigung des Erstgerichts, wonach der Kläger zwar zuerst angegeben habe, dass darüber gesprochen worden sei, dass er bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausbezahlt würde, über konkrete Nachfrage allerdings angegeben habe, dass er mit C* nicht ausdrücklich darüber gesprochen hätte, was im Fall der Beendigung des Dienstverhältnisses vor einem Ausstieg passieren sollte sondern dass dies „ganz klar“ gewesen sei. Von einer kritischen Auseinandersetzung mit der erstgerichtlichen Beweiswürdigung kann daher keine Rede sein.
In diesem Zusammenhang ist augenfällig, dass der Rechtsmittelwerber die weitere Feststellung „Der Kläger ging davon aus, dass er in diesem Fall bei Ende des Dienstverhältnisses einen Bonus auf Basis des zu diesem Zeitpunkt bestehenden Werts der Investition erhalten sollte. Angesprochen hat er dies nicht (sic!)“, unbekämpft gelassen hat.
Angesichts der teilweise widersprüchlichen und teilweise unklaren Aussagen des Klägers (S 3-7 in ON 11) erweist sich die erstgerichtliche Beweiswürdigung als schlüssig nachvollziehbar und für den Berufungssenat überzeugend.
In der Folge bekämpft der Rechtsmittelwerber die „gerügte Feststellung 2“ und begehrt deren ersatzlosen Entfall.
Abgesehen davon, dass die Behauptung des Rechtsmittelwerbers, dass diesbezüglich keinerlei Beweisergebnisse vorliegen sollten, nicht zutrifft, ist der „ersatzlose Entfall“ von Feststellungen zu rechtlich relevanten Beweisthemen dem System der ZPO fremd. Liegt nämlich ein rechtlich erhebliches Beweisthema vor, hat das Gericht positive oder negative Feststellungen dazu zu treffen. Ist das Beweisthema jedoch rechtlich nicht relevant, erübrigen sich sowohl eine Bekämpfung der Feststellung als auch eine Auseinandersetzung mit der diesbezüglichen Rüge ( Pochmarsky/Lichtenberg Die Berufung im Zivilprozess 2 123; vgl. auch 8 Ob 337/97k).
Das Berufungsgericht übernimmt daher die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis einer einwandfreien Beweiswürdigung.
2. Unter dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung moniert der Rechtsmittelwerber die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts als verfehlt.
Trotz weitgehender Privatautonomie sei im Einzelfall zu prüfen, ob die Vereinbarung nicht gegen zwingende Gesetze oder gegen die guten Sitten (§ 879 ABGB) verstoße. Wegen der vom Arbeitgeber vorformulierten Bedingungen sei im Fall von Auslegungszweifeln die Unklarheitenregel gemäß § 915 (gemeint offenbar ABGB) zu Gunsten des Arbeitnehmers anzuwenden.
Um eine Rechtsrüge gesetzmäßig auszuführen reicht es nicht aus, zu behaupten, dass die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts unrichtig sei. Vielmehr müssen Argumente vorgebracht werden, worin die unrichtige rechtliche Beurteilung besteht. Mit seinen allgemein gehaltenen Ausführungen erfüllt der Rechtsmittelwerber diese Voraussetzungen nicht. So hat das Erstgericht zutreffend ausdrücklich darauf hingewiesen, dass vorliegend gerade keine Auslegungszweifel der hier relevanten Beilage ./C bestanden, vielmehr lediglich der Kläger einen abweichenden übereinstimmenden Parteiwillen – der allerdings so nicht festgestellt wurde – behauptete.
Soweit der Rechtsmittelwerber in der Folge darlegt, dass er im vorliegenden Fall durch seine Arbeitsleistung in Vorleistung getreten sei und der beklagten Partei nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeliefert wäre, weil er keinen Einfluss mehr auf das Management des Projekts hätte und die Höhe seiner Gewinnbeteiligung entsprechend der Auslegung der Bonusvereinbarung durch das Erstgericht von Investitionsentscheidungen und einer Projektverwaltung (nur) der beklagten Partei abhängig sei, ist nicht nachvollziehbar, worin hier eine unrichtige rechtliche Beurteilung (gemeint wohl: unrichtige Auslegung) des Erstgerichts liegen sollte. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der Kläger selbst (S 7 in ON 11) über Befragen, wer über den Verkauf von Beteiligungen entschied, die beklagte Partei nannte und im Übrigen zu keinem Zeitpunkt behauptete, dass er selbst über einen „Ausstieg“ entscheiden konnte.
Im Übrigen kann auf die zutreffende rechtliche Beurteilung des Erstgerichts verwiesen werden.
Der in allen Punkten unberechtigten Berufung war daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 2 ASGG, 41, 50 ZPO.
Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil vorliegend keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zur Beurteilung stand.