JudikaturOLG Wien

22Bs112/25v – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
25. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Mathes als Vorsitzende sowie den Richter Mag. Hahn und die Richterin Mag. Pasching als weitere Senatsmitglieder in d A* wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Krems an der Donau gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 17. April 2025, GZ ** 10, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Begründung:

Text

Der am ** geborene serbische Staatsangehörige A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt ** den mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 17. März 2025, AZ **, (ON 9) wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3; 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Z 3 SMG unbedingt verhängten Teil der Freiheitsstrafe von einem Jahr.

Das errechnete Strafende fällt auf den 27. August 2025. Die zeitlichen Voraussetzungen nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG waren am 27. Februar 2025 erfüllt, jene nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG werden am 27. April 2025 vorliegen (ON 4).

Mit dem angefochtenen Beschluss bewilligte das Landesgericht Krems an der Donau als zuständiges Vollzugsgericht die bedingte Entlassung des Strafgefangenen zum Zwei Drittel Stichtag.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde der Staatsanwaltschaft (ON 11).

Rechtliche Beurteilung

Dem Rechtsmittel kommt keine Berechtigung zu.

Gemäß § 46 Abs 1 StGB ist nach Verbüßung der Hälfte der im Urteil verhängten zeitlichen Freiheitsstrafe oder des nicht bedingt nachgesehenen Teils einer solchen Strafe, mindestens aber von drei Monaten, der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Nach Abs 2 leg cit ist für den Fall, dass ein Verurteilter die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel der Freiheitsstrafe verbüßt hat, dieser trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 solange nicht bedingt zu entlassen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzugs der Strafe bedarf, um strafbaren Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe sind generalpräventive Erwägungen nicht mehr zu berücksichtigen.

Die Prognose künftigen Verhaltens erfordert dabei eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, wie insbesondere die Art der Tat, das private Umfeld des Verurteilten, sein Vorleben und seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit (Jerabek/Ropper in WK 2StGB § 46 Rz 15/1).

Dabei ist nach § 46 Abs 4 StGB auf den Umstand Bedacht zu nehmen, inwieweit durch den bisherigen Vollzug der Strafe, insbesondere auch durch eine während des Vollzuges begonnene freiwillige Behandlung im Sinne von § 51 Abs 3 StGB, die der Verurteilte in Freiheit fortzusetzen bereit ist, eine Änderung der Verhältnisse, unter denen die Tat begangen wurde, eingetreten ist, oder durch Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB erreicht werden kann. Ist die Annahme berechtigt, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung – allenfalls unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB – nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird, so ist im Regelfall der Rest der Strafe bedingt nachzusehen. Die Anwendung des Rechtsinstituts der bedingten Entlassung soll nach erkennbarer Intention des Gesetzgebers der Regelfall sein, der Vollzug der gesamten Freiheitsstrafe hingegen auf (Ausnahme-)Fälle evidenten Rückfallrisikos des Rechtsbrechers beschränkt bleiben.

Dem vollzugsgegenständlichen Urteil (ON 9) ist zusammengefasst zu entnehmen, dass der Verurteilte der Begehung zweier Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz schuldig erkannt wurde, wobei er zusammengefasst als Mitglied einer kriminellen Vereinigung gemeinsam mit mehreren Mittätern Suchgift durch Anbau und Ernte von Cannabiskraut (enthaltend Delta-9-THC und THCA) in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge erzeugt hat, um dieses zu verkaufen. Zudem hat er als Mitglied einer kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar Cannabiskraut in einer das 15-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge anderen durch Verkauf überlassen.

Die Begehung dieser Verbrechen zeugt grundsätzlich von einer offensichtlich geringen Hemmschwelle zur Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen und einer auffallend wertwidrigen Einstellung.

Der Gesetzgeber hat jedoch auch schwerwiegende Delikte nicht von der Möglichkeit der bedingten Entlassung ausgenommen und ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der bislang gerichtlich unbescholtene Strafgefangene erstmals das Haftübel verspürt. Das bereits höhere Alter des A* verleiht der bisherigen Unbescholtenheit besonderes Gewicht (RIS-Justiz RS0091502). Weiters ist ins Kalkül zu ziehen, dass dem Strafgefangenen nur eine untergeordnete Rolle in der Hierarchie der kriminellen Vereinigung zukam (ON 9, 27).

Der Stellungnahme des Anstaltsleiters (ON 3) ist zu entnehmen, dass dieser eine bedingte Entlassung befürwortet.

Unter weiterer Berücksichtigung des Umstands, dass der Strafgefangene erstmalig das Haftübel verspürt, zwar keinen festen Arbeitsplatz, nach eigenen Angaben jedoch eine Wohnmöglichkeit bei seiner Lebensgefährtin in Serbien aufweist, gibt es dem Rechtsmittelvorbringen zuwider keine konkreten Gründe dafür, anzunehmen, dass es während des Vollzugs nicht zu einer Änderung der Verhältnisse im Sinn des § 46 Abs 4 StGB gekommen wäre.

Dieser Einschätzung stehen auch die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Meldungen von Ordnungswidrigkeiten nicht im Wege. Zutreffend kam das Erstgericht, das sich inhaltlich im Detail mit diesen auseinandersetzte, zum Schluss, dass die Vorfälle nicht dermaßen schwerwiegend waren, dass sie insgesamt zu einem negativen Kalkül führen würden, zumal einmal eine Abmahnung wegen einer lautstarken Unterhaltung (ON 6), einmal eine Abmahnung wegen einer kurzen Unterhaltung aus dem Fenster (ON 7) erfolgte und in einem Fall Ungereimtheiten bezüglich einer Überweisung bestanden (ON 8).

Ohne weitere gegenteilige Anhaltspunkte kann auf dieser Grundlage nicht davon ausgegangen werden, dass auch weiterhin keine Änderung in der Einstellung des gerichtlich bislang unbescholtenen Verurteilten, der erstmals das Haftübel verspürt hat, eingetreten wäre.

Soweit die Beschwerdeführerin den Umstand anspricht, dass sich die finanzielle Situation des Strafgefangenen bislang nicht geändert habe, ist darauf zu verweisen, dass dies im Strafvollzug wohl den Regelfall darstellt und eine unvermeidbare Folge der Haftstrafe ist. Konkrete Gründe, dass der Angeklagte nach seiner Entlassung in Serbien keinen Arbeitsplatz finden würde, sind nicht ersichtlich. Zudem hat er nach eigenen Angaben keine Schulden.

Dass der Verurteilte „ohnehin nur zu einer teilbedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe“ verurteilt wurde, ist nicht gesondert zu berücksichtigen, weil die Entscheidung über eine bedingte Entlassung kein Korrektiv für eine vermeintlich allenfalls zu milde Strafe darstellt. Durch die Gewährung teilbedingter Strafnachsicht nach § 43a Abs 4 StGB, die besonderen Ausnahmefällen vorbehalten ist (RIS-Justiz RS0092050), brachte vielmehr schon das Urteilsgericht - das sich im Zuge der Hauptverhandlung auch einen umfassenden persönlichen Eindruck von A* verschaffen konnte – klar zum Ausdruck, dass es von einer besonders günstigen Zukunftsprognose ausging.

Der Beschwerde gegen den der Sach und Rechtslage entsprechenden Beschluss war daher ein Erfolg zu versagen.