JudikaturOLG Wien

31Bs45/25g – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
24. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*und eine weitere Angeklagte wegen § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und 2 sowie Abs 4 erster Fall FPG, § 15 StGB über die Berufungen des Genannten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 13. November 2024, GZ **-225, nach der unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Dr. Schwab, im Beisein der Richter Mag. Weber LL.M. und Mag. Spreitzer LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Elisabeth Gretzmacher MAS LL.M., sowie in Anwesenheit des Angeklagten A* und seiner Verteidigerin Dr. Susanne Kurtev, durchgeführten Berufungsverhandlung am 24. April 2025 zu Recht erkannt:

Spruch

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene slowakische Staatsangehörige A* zweier Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2 und Abs 4 erster Fall FPG, § 15 StGB (I. und II.A.) und eines Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und 2 und Abs 4 erster Fall FPG (II.B.) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 114 Abs 4 FPG unter aktenkonformer Vorhaftanrechnung zu einer Freiheitsstrafe von 33 Monaten verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchshat A* in ** und andernorts im Rahmen einer kriminellen Vereinigung (§ 278 StGB) im bewussten und gewollten Zusammenwirken (§ 12 StGB) mit einem abgesondert verfolgten Auftraggeber, den bereits abgesondert verurteilten Mittätern B*, C* und D* sowie den abgesondert verfolgten Mittätern E* und weiteren unbekannten Mittätern die rechtswidrige Ein- sowie Durchreise in Bezug auf mindestens drei Fremde, die über keine gültigen Einreise- und Aufenthaltsdokumente verfügten und zum Aufenthalt in der Europäischen Union nicht berechtigt waren, in sowie durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union, und zwar die Republiken Ungarn und Österreich, mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, sowie ab der dritten Tathandlung in gewerbsmäßiger Absicht (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB), gefördert bzw zu fördern versucht, indem A* die Schleppungen (mit-)organisierte und koordinierte, indem er D* anwies, weitere Fahrer für Schlepperfahrten anzuwerben, ihr nach der Anwerbung von B* und C* für die Durchführung von Schlepperfahrten Geld für die Anmietung eines Fahrzeugs übergab, B* nach Anmietung des Fahrzeugs dessen Wertkarte auflud und ihm 90 Euro für Spesen während der Fahrt übergab und in weiterer Folge mit diesem während der Fahrt telefonisch Kontakt hielt und ihm alle benötigten Informationen zu den Standorten zukommen ließ,

I. zu einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt zwischen Dezember 2022 und Februar 2023 an einem nicht mehr festzustellenden Ort E*, welcher von A* das Fahrzeug **, weiß, behördliches Kennzeichen **, zur Verfügung gestellt erhielt und sodann 40 Personen von F* bis nach ** bringen sollte, damit diese von dort die Grenze nach Österreich zu Fuß passieren können, E* zum bekannt gegebenen Abholort bei F* fuhr, jedoch die Fremden nicht über die Grenze nach Ungarn kamen, weshalb es beim Versuch blieb;

II. B* als Lenker und C* als Beifahrerin, wobei D* auf Anweisung von A* und dem von ihm bereitgestellten Geld mit B* gemeinsam das Fahrzeug **, weiß, behördliches Kennzeichen **, anmietete und diesen zum Treffpunkt mit A* begleitete, sodass B* und C* sodann über Auftrag des A*

A. am 2. Februar 2023 zu dem ihnen während der Fahrt von A* gesendeten ersten Standort in Ungarn bei F* fuhren, dort 15 Fremde aufnehmen und bis zur Grenze nach Österreich hätten bringen sollen, jedoch von der Polizei angehalten und kontrolliert wurden und daher die Schleppung in Bezug auf diese Fremden nicht ausführen konnten, weshalb es beim Versuch blieb,

B. am 2. Februar 2023 nach Abstimmung mit A*, dass die unter Punkt II.A. beschriebene Abholung der Fremden nicht ausgeführt werden konnte den übermittelten zweiten Standort nahe der serbisch-ungarischen Grenze anfuhren, dort zehn Fremde, die zuvor mit Hilfe von zwei Fußschleppern der kriminellen Vereinigung über die serbisch-ungarische Grenze zu einem Waldstück gebracht worden waren, aufnahmen und bis zur Grenze nach ** brachten, wo sie die Fremden ca 40 bis 50m vor dem Grenzstein ** aussteigen ließen und ihnen den Weg zu Fuß über die Grenze nach Österreich wiesen.

Bei der Strafzumessung wertete das Schöffengericht als erschwerend das Zusammentreffen von drei Verbrechen, die hohe Zahl der geschleppten Personen und die Erfüllung mehrfacher Deliktsqualifikation, als mildernd wurden hingegen das volle und reumütige Geständnis, der bisher ordentliche Lebenswandel, der (wesentliche) Beitrag zur Wahrheitsfindung und der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, berücksichtigt.

Nach Zurückziehung der vom Angeklagten - mit Eingabe vom 14. November 2024 als damals unvertretener Angeklagter im Zweifel mit vollem Anfechtungswille als „Berufung“ bezeichnete (ON 217) - erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde mit Schriftsatz vom 1. April 2025 ist nunmehr über die Berufungen des A* und der Staatsanwaltschaft zu entscheiden. Der Angeklagte strebt mit seiner unmittelbar nach Urteilsverkündung angemeldeten (ON 224,29 f) und zu ON 232.2 ausgeführten Berufung wegen Strafe eine Herabsetzung der verhängten Freiheitsstrafe an. Die Staatsanwaltschaft zielt hingegen mit ihrer rechtzeitig angemeldeten (ON ON 1.135) und zu ON 230 ausgeführten Berufung auf eine Erhöhung der Sanktion ab.

Rechtliche Beurteilung

Die besonderen Strafzumessungsgründe wurden vom Erstrichter vollständig und richtig erfasst.

Für den Angeklagten sprechende Umstände bzw weitere Milderungsgründe vermochte dessen Berufung nicht aufzuzeigen, ebenso wenig konnte die Staatsanwaltschaft bislang unberücksichtigte, für die Straffindung relevante Aspekte der benennen.

Soweit der Angeklagte das Vorliegen des Milderungsgrundes des § 34 Abs 1 Z 6 StGB ins Treffen führt, weil er an der Begehung der strafbaren Handlungen nur in untergeordneter Weise beteiligt gewesen sei, ist zu entgegnen, dass als untergeordnete Tatbeteiligung nur ein Verhalten strafmildernd ist, welches nach Art und Umfang für die Tatausführung nicht erheblich ist ( Riffel in Höpfel/Ratz, WK 2StGB § 34 Rz 16). Davon kann – wenngleich der Angeklagte nicht dem höchsten Führungskreis der kriminellen Vereinigung angehörte - im konkreten Fall nicht ausgegangen werden, war der Angeklagte doch in der Tatausführung koordinierend und organisierend beteiligt, indem er Mittäter zum Teil selbst anwarb und ihnen Handlungsanweisungen gab, die für die Durchführung der Schlepperfahrten unbedingt notwendig waren (US 6 f).

Soweit der Berufungswerber eine verfehlte Abstufung der Sanktion im Verhältnis der über ihn und die abgesondert verurteilten Mittäter moniert, ist ihm zu entgegen, dass das Berufungsgericht einen eigenen Ausspruch zu fällen hat, der an die Stelle des vom Berufungspunkt betroffenen Ausspruches tritt ( Kirchbacher, StPO 15§ 295 Rz 1; RIS-Justiz RS0120535) und dass Grundlage der Strafe die Einzeltatschuld ist ( Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB 14 § 32 Rz 2; Riffel aaO § 32 Rz 12; vgl auch 15 Os 113/96). Gegenstand dieses Berufungsverfahrens ist also nur der den Berufungswerber betreffende Strafausspruch, weshalb auf die über abgesondert verfolgte Mittäter verhängten Strafen nicht einzugehen ist.

Das jeweilige Vorbringen der Berufungswerber zur falschen Gewichtung der Strafzumessungsgründe kann nicht überzeugen und bei objektiver Abwägung der vorliegenden Strafzumessungsparameter und der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 StGB) erweist sich die vom Erstgericht im ersten Strafdrittel ausgemessene Sanktion der personalen Täterschuld und dem Unrechtsgehalt der Tat angemessen und keiner Reduktion zugänglich.

Mit der Sanktion wurde auch den für die Bekämpfung dieser Kriminalitätsform gewichtigen generalpräventiven Aspekten (RIS-Justiz RS0090600) entsprechend Rechnung getragen. Der Grund für das Schleppereiverbot liegt nämlich in der abstrakt drohenden Störung des wirtschaftlichen und sozialen Gefüges durch den unbegrenzten Zuzug von Personen aus ärmeren Ländern, wodurch der öffentliche Friede tiefgreifend beeinträchtigt würde ( Tipold in Höpfel/Ratz, WK 2FPG Vor §§ 114 - 119 Rz 6).