JudikaturOLG Wien

31Bs36/25h – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
24. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* und einen weiteren Angeklagten wegen § 105 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über 1. die Berufung des Angeklagten B*wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 12. November 2024, GZ **-23.3, sowie 2. dessen implizite Beschwerde gegen den gemäß § 53 Abs 1, Abs 3 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO gefassten Beschluss nach der unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Dr. Schwab, im Beisein der Richter Mag. Weber LL.M. und Mag. Spreitzer LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Gretzmacher MAS LL.M. sowie in Anwesenheit des Angeklagten B* und dessen Verteidigers Dr. Yalcin Duran durchgeführten Berufungsverhandlung am 24. April 2025

I. zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten B* auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last;

II. den

Beschluss

gefasst:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen Schuldspruch des Mitangeklagten sowie einen Privatbeteiligtenzuspruch enthaltenden Urteil wurde – soweit hier von Interesse - der am ** geborene türkische Staatsangehörige B* des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (2.) schuldig erkannt und hiefür nach dieser Gesetzesstelle unter Anwendung des § 39 Abs 1a StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Ein Teil der Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten wurde gemäß § 43a Abs 3 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Mit gleichzeitig gefasstem Beschluss wurde vom Widerruf der B* mit Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 29. Jänner 2024, AZ **, gewährten bedingten Nachsicht gemäß (ergänze: § 53 Abs 1 StGB iVm) § 494a Abs 1 Z 2 StPO abgesehen und die Probezeit gemäß (ergänze: § 53 Abs 3 StGB iVm) § 494a Abs 6 StPO auf fünf Jahre verlängert.

Nach dem Inhalt des Schuldspruches hat B* am 5. Juli 2024 in ** A* durch wiederholte Äußerung, er werde ihn schlagen, und durch das Ballen der Faust gefährlich mit Zufügung einer Körperverletzung bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Bei der Strafbemessung wertete der Erstrichter als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen und als mildernd keinen Umstand, wobei nach allgemeinen Strafzumessungserwägungen die Tatbegehung im raschen Rückfall nach der Verurteilung und während offener Probezeit als weiters schulderhöhend berücksichtigt wurde.

Gegen dieses Urteil richtet sich – nach Rückziehung der von A* angemeldeten Berufung (ON 23.2; Bekanntgabe des Verteidigers vom 3. April 2025) - die zu ON 24 angemeldete und zu ON 28.1 ausgeführte Berufungdes B* wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe. Gegen den gemäß § 53 Abs 3 StGB iVm § 494a Abs 6 StPO gefassten Beschluss auf Verlängerung der Probezeit ist die implizite Beschwerde (§ 498 Abs 3 dritter Satz StPO) des B* gerichtet.

Rechtliche Beurteilung

Die aus Z 9 lit b des § 281 Abs 1 (iVm § 489 Abs 1) StPO ergriffene Berufung des B* wegen Nichtigkeit ist nicht berechtigt.

Die Berufung reklamiert das Vorliegen des Rechtfertigungsgrundes nach § 80 Abs 2 StPO. Nach jener Bestimmung ist zur Anhaltung einer Person auf verhältnismäßige Weise berechtigt, wer aufgrund bestimmter Tatsachen annehmen kann, dass eine Person eine strafbare Handlung ausführe oder unmittelbar zuvor ausgeführt habe oder dass wegen der Begehung einer strafbaren Handlung nach ihr gefahndet werde. Entgegen dem Berufungsvorbringen liegen die Voraussetzungen für dieses sogenannte Anhalterecht Privater im konkreten Fall nicht vor. Denn die ersten beiden Fälle des § 80 Abs 2 StPO (derzeitiges Ausführen einer strafbaren Handlung oder eine solche Ausführung unmittelbar vor der Anhaltung) sind im Hinblick auf die eine Woche zurückliegendeTat des A* unzweifelhaft nicht gegeben. Aber auch der dritte Fall der genannten Bestimmung, nämlich die Annahme, dass wegen der Begehung einer strafbaren Handlung nach der Person gefahndet werde, liegt nicht vor. Denn unter „Fahndung“ ist nur die in § 168 Abs 2 StPO vorgesehene Personenfahndung zur Festnahme zu verstehen ( Schwaighofer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 80 Rz 36). Weshalb der Angeklagte B* irrtümlich von einem (tatsächlich rechtfertigenden) Sachverhalt ausgegangen sein soll, kann die Berufung nicht nachvollziehbar erklären. Da die Voraussetzungen des § 80 Abs 2 StPO somit nicht einmal im Ansatz indiziert sind, war das Erstgericht entgegen der Berufungskritik auch nicht verhalten, zu jenem Rechtfertigungsgrund oder zu einer allfälligen irrtümlichen Annahme jenes Grundes entsprechende Feststellungen zu treffen.

Auch die Berufung wegen Schuld ist nicht berechtigt.

Der Erstrichter unterzog die wesentlichen Verfahrensergebnisse einer denkrichtigen und lebensnahen Würdigung und legte mit äußerst ausführlicher Begründung überzeugend dar, wie er zu den Feststellungen über die entscheidenden Tatsachen gelangte und weshalb er der leugnenden Verantwortung des Berufungswerbers die Glaubwürdigkeit versagte. Dabei konnte er sich nicht zuletzt auf seinen in der Hauptverhandlung gewonnenen unmittelbaren Eindruck von der Persönlichkeit beider Angeklagter und der Zeugen stützen.

Die äußerst ausführliche erstgerichtliche Beweiswürdigung begegnet keinen Bedenken. Insbesondere sprach der Umstand, dass der Angeklagte auch nach Einschreiten der Polizeibeamten nicht davor zurückschreckte, neuerlich eine Verletzung des A* in Aussicht zu stellen (ON 4.11, 2), für die von A* geschilderten auch zuvor geäußerten Drohungen. Die Verantwortung des Angeklagten, er habe bloß hypothetische Angaben über die Vergangenheit gemacht, wurde von beiden vernommenen Polizeibeamten klar bestritten (ON 23.2, 23 bis 26).

Mit der bloßen Berufungsausführung, es sei „nicht logisch […], dass jemand, der einen flüchtigen Straftäter ausfindig mache, diesen bedrohen soll, nachdem er kurze Zeit davor selbst die Polizei verständigt hat“, werden die genau dies aussagenden Angaben der Polizeibeamten übergangen, die kein erkennbares Motiv für eine falsche Aussage hätten. Im Übrigen folgt schon aus der allgemeinen Lebenserfahrung, dass emotional aufgebrachte Täter keineswegs immer „logisch“ handeln. Schließlich ist in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft festzuhalten, dass die in der Berufungsverhandlung beantragte neuerliche Einvernahme des B* zum Beweis dafür, dass dieser bloß bewirken habe wollen, dass A* von der Polizei identifiziert und einvernommen werde, keine erkennbaren neuen Erkenntnisse erwarten lässt. Denn dies entspricht im Wesentlichen bloß der bisherigen Verantwortung des Angeklagten (siehe etwa ON 23.2, 4). Es bestehen keine Bedenken gegen die erstgerichtliche Ableitung der inneren Tatseite aus dem äußeren Geschehensablauf.

Da somit auch das Rechtsmittelgericht bei der im Rahmen der Überprüfung der Beweiswürdigung in Erledigung der Schuldberufung anzustellenden Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der erstrichterlichen Lösung der Schuldfrage hegt, hat der Schuldspruch Bestand.

Schließlich ist auch die Berufung wegen Strafe nicht im Recht.

Die vom Erstgericht herangezogenen besonderen Strafzumessungsgründe sind lediglich dahingehend zu präzisieren, dass die Tatbegehung im raschen Rückfall auch formell als Erschwerungsgrund herangezogen werden kann (siehe Riffel in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 33 Rz 11).

Im Übrigen hat das Erstgericht die besonderen Strafzumessungsgründe vollständig und richtig herangezogen und auch zutreffend gewichtet. Entgegen dem Berufungsvorbringen kann auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 Abs 1a StGB das Vorliegen einschlägiger Vorstrafen als erschwerend berücksichtigt werden, ohne gegen das Doppelverwertungsverbot zu verstoßen (siehe RIS-Justiz RS0091527).

Die weiters reklamierte Tatbegehung aus achtenswerten Beweggründen (§ 34 Abs 1 Z 3 StGB) liegt nicht vor. Achtenswert sind Tatmotive nämlich nur dann, wenn sie auch einem rechtstreuen Menschen die Begehung einer mit dem Beweggrund in engem Zusammenhang und noch akzeptabler Relation stehenden Straftat nahelegen ( RiffelaaO § 34 Rz 10/1). Da im konkreten Fall B* bereits den Wohnort des A* ausgeforscht und die Polizei verständigt hatte, waren seine Ziele ohnehin schon erfüllt und ist keine akzeptable Relation zu einer gefährlichen Drohung zum Nachteil des Genannten mehr erkennbar. Die ebenso reklamierte allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung (§ 34 Abs 1 Z 8 StGB) kann sich ebensowenig mildernd auswirken, lag die Attacke des A* gegen den Sohn des B* doch bereits eine Woche zurück und hatte B* seitdem gezielt nach dem Täter Ausschau gehalten (ON 8.4.3, 4). Eine sorgfältige Tatplanung spricht aber gegen die Annahme einer heftigen Gemütsbewegung ( RiffelaaO § 34 Rz 20). Umstände, die einen Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahe kommen (§ 34 Abs 1 Z 11 StGB), sind Konstellationen, in denen die Voraussetzungen für einen solchen Grund nicht zur Gänze vorliegen, so etwa, wenn die Schuldfähigkeit im Grenzbereich zur Zurechnungsunfähigkeit angesiedelt ist ( RiffelaaO § 34 Rz 26). Da hingegen (wie oben ausgeführt) das Anhalterecht Privater nach § 80 Abs 2 StPO im konkreten Fall nicht einmal im Ansatz vorliegt, kann sich dies hier nicht mildernd auswirken. Der schließlich reklamierte „Beitrag zur Strafverfolgung des Erstangeklagten“ (A*) wurde von diesem durch Ausforschung des A* zwar zweifellos geleistet, jedoch nicht durch die hier gegenständliche Tat, sondern durch seine davor gesetzten Handlungen. Inwieweit die geäußerten gefährlichen Drohungen gegen einen bereits ausgeforschten Täter dazu beigetragen haben sollen, diesen der Strafjustiz zu „übergeben“, ist entgegen dem Berufungsvorbringen nicht erkennbar.

A* wurde einmal wegen Körperverletzung und einmal wegen gefährlicher Drohung zu einer jeweils bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Weder die bloße Androhung dieser Sanktionen noch die zweimalige Beigebung eines Bewährungshelfers konnten ihn von einem nunmehr besonders raschen Rückfall abhalten. Insbesondere der besonders rasche Rückfall in ein im engsten Sinne einschlägiges Delikt rechtfertigt die vom Erstgericht gefundene, die mögliche Höchststrafe (bis zu eineinhalb Jahre Freiheitsstrafe) zur Hälfte ausschöpfende Strafe. Die genannten Umstände sprechen auch gegen eine in der Berufung geforderte gänzliche bedingte Nachsicht der verhängten Sanktion.

Zum Beschluss:

Aufgrund der offensichtlich aufbrausenden und problematischen Persönlichkeit des A* erscheint es dringend erforderlich, die Dauer der bereits ausgesprochenen Probezeit auf das gesetzliche Höchstmaß zu verlängern, um so den Angeklagten mit Sanktionsmöglichkeit nachhaltig zu einem rechtskonformen Verhalten anhalten zu können.