18Bs57/25a – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung des Genannten wegen des Ausspruchs über die Schuld, die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 19. Dezember 2024, GZ **-14.2, nach der am 24. April 2025 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Frohner, im Beisein der Richterinnen Mag. Lehr und Mag. Primer als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Vertreterin der Oberstaatsanwaltschaft Staatsanwältin MMag. Linzner, in Anwesenheit des Angeklagten A* und seiner Verteidigerin Mag. Dr. Astrid Wagner durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Text
Mit dem angefochtenen – einen Teilfreispruch (I./) enthaltenden - Urteil wurde der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (II./), des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB (III./) und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (IV./) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem Strafsatz des § 105 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten sowie gemäß §§ 366 Abs 2 iVm 369 Abs 1 StPO zur Zahlung von 400,-- Euro binnen 14 Tagen an die Privatbeteiligte B* verurteilt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in ** B*
II./ am 1. September 2024 mit Gewalt zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme der Rückforderung ihres Mobiltelefons genötigt, indem er, als sie nach ihrem Mobiltelefon greifen wollte, einen heftigen Stoß gegen ihren Brustkorb versetzte, wodurch sie zu Boden fiel;
III./ durch die in Punkt II./ genannte Tat am Körper misshandelt und dadurch fahrlässig verletzt, wodurch sie eine Schürfwunde am linken Knie und eine Schwellung am rechten Ringfinger erlitt;
IV./ eine fremde Sache, nämlich das Mobiltelefon der B* unbrauchbar gemacht, indem er es bei der in Punkt II./ genannten Tathandlung zu Boden warf, dagegen trat und gegen die Wand warf, wodurch es zu Bruch ging.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht vier einschlägige Vorstrafen, wenngleich diese teils längere Zeit zurückliegen, das Zusammentreffen von drei Vergehen und die Tatbegehung gegenüber der (früheren) Lebensgefährtin als erschwerend, hingegen keinen Umstand als mildernd.
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete Berufung des A* wegen des Aus-spruchs über die Schuld, die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche (ON 15), die in der Folge unausgeführt blieb.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Der Schuldberufung ( Ratz, WK-StPO § 476 Rz 9) ist vorauszuschicken, dass die freie Beweiswürdigung ein kritisch-psychologischer Vorgang ist, bei dem durch die Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungssätze Schlussfolgerungen zu gewinnen sind ( Kirchbacher, StPO 15§ 258 Rz 8). Auch die Frage der Glaubwürdigkeit von Angeklagten und Zeugen sowie der Beweiskraft ihrer Aussage ist der freien richterlichen Beweiswürdigung vorbehalten, wobei das Gericht nur zu einer gedrängten Darlegung seiner Gründe, nicht jedoch dazu verhalten ist, jedes Verfahrensergebnis im Einzelnen zu analysieren (RIS-Justiz RS0104976). Wenn aus den vom Erstgericht aus den vorliegenden Beweisergebnissen folgerichtig abgeleiteten Urteilsannahmen auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich sind, so tut dies nichts zur Sache. Der Grundsatz „in dubio pro reo“ stellt nämlich keine negative Beweisregel dar, die das erkennende Gericht - im Falle mehrerer denkbarer Schlussfolgerungen - verpflichten würde, sich durchwegs für die dem Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden, es kann sich vielmehr jede Meinung bilden, die den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung nicht widerspricht ( Mayerhofer, StPO 6§ 258 E 65; RIS-Justiz RS0098336).
In Ansehung dieser Prämissen bestehen keine Zweifel an der überzeugenden Beweiswürdigung des Erstgerichts. Der Tatrichter legte nach Durchführung eines umfassenden Beweisverfahren und nachdem er sich von allen Vernommenen einen persönlichen Eindruck verschaffen konnte, schlüssig dar, aufgrund welcher Erwägungen er zur Überzeugung von der Schuld des Angeklagten in objektiver und subjektiver Hinsicht gelangt ist. Dabei legte er den Feststellungen die Angaben der Zeugin B* zugrunde, die er als glaubwürdig erachtete (US 4 f). Mit der leugnenden Verantwortung des Angeklagten setzte sich das Erstgericht hinreichend auseinander, legte jedoch mit nicht zu beanstandender Begründung dar, weshalb es diese Einlassung als bloße Schutzbehauptung wertete (US 5 f).
Der vom Erstgericht zu sämtlichen Tathandlungen gezogene Schluss vom gezeigten Verhalten und einer lebensnahen Betrachtung des objektiven Sachverhalts auf das jeweils zugrundeliegende Wissen und Wollen, sohin die Ableitung der subjektiven Tatseite aus dem (zuvor dargestellten) äußeren Tatgeschehen, ist rechtsstaatlich vertretbar und unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0116882).
Da auch das Berufungsgericht bei der im Rahmen der Schuldberufung anzustellenden Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der erstgerichtlichen Lösung der Schuldfrage hegt, ist dieser ein Erfolg zu versagen.
Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe ist ebenfalls nicht im Recht.
Die vom Erstgericht zur Darstellung gebrachten Strafzumessungsgründe sind zunächst dahingehend zu korrigieren, dass der Angeklagte insgesamt fünf einschlägige Vorstrafen aufweist (Punkte 1 bis 5 der Strafregisterauskunft ON 6).
Der Erschwerungsgrund nach § 33 Abs 2 Z 2 StGB hat zu entfallen. Denn der Angeklagte hatte mit dem Opfer zwar eine (On-Off-)Beziehung (US 3), eine Lebensgemeinschaft ergibt sich jedoch weder aus dem Akteinhalt noch aus den erstgerichtlichen Feststellungen.
Bei objektiver Abwägung der nach dem Vorgesagten zum Vorteil und zum Nachteil des Angeklagten korrigierten Strafzumessungslage und ausgehend von einem Strafrahmen einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen erweist sich die verhängte Unrechtsfolge angesichts des mehrfach einschlägig getrübten Vorlebens als durchaus dem Schuld- und Unrechtsgehalt sowie dem sozialen Störwert der strafbaren Handlungen entsprechend. Für eine Herabsetzung der verhängten Sanktion besteht kein Anlass.
Auch die Anwendung des § 43 StGB oder die Verhängung einer Geldstrafe ist aufgrund der einschlägigen Vorstrafenbelastung und der Wirkungslosigkeit bisheriger Resozialisierungschancen völlig außer Reichweite, woran die in der Berufungsverhandlung vorgebrachten Argumente, wonach der Angeklagte eine schwierige Kindheit gehabt habe und nunmehr psychologische Hilfe in Anspruch nehme, nichts zu ändern vermögen.
Der Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche kommt ebenfalls keine Berechtigung zu. Der Privatbeteiligtenzuspruch findet nicht nur in den zivilrechtlichen Schadenersatzregeln der §§ 1295 ff ABGB, sondern auch in den Verfahrensergebnissen Deckung. Das Erstgericht hat die für das Adhäsionserkenntnis erforderlichen Konstatierungen zum objektiven Sachverhalt, zur subjektiven Tatseite sowie zur Schadenshöhe getroffen und nachvollziehbar begründet (US 12), sodass der Zuspruch nicht zu beanstanden ist.
Es ist somit der Berufung insgesamt ein Erfolg zu versagen.