16R21/25p – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Sonntag als Vorsitzenden sowie die Richterinnen des Oberlandesgerichts Mag. Elhenicky und Dr. Rieder in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, vertreten durch ALLMAYER-BECK STOCKERT Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei B* , **, Malta, vertreten durch BK.PARTNERS Bugelnig Kirner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen (eingeschränkt) Kosten, über den Kostenrekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse: EUR 2.698,41) gegen das (Kosten-)Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 17. Dezember 2024, ** 9, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Kostenentscheidung wird dahin abgeändert, dass sie wie folgt lautet:
„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.528,06 (darin enthalten EUR 198,84 USt und EUR 335,-- Barauslagen) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 336,82 (darin EUR 56,14 USt) bestimmten Kosten des Rekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrte mit Klage vom 4.7.2024 gestützt auf Art 15 DSGVO die digitale Übermittlung einer Kopie sämtlicher seiner Daten, die Gegenstand der Verarbeitung der Beklagten seien. Er habe über die von der Beklagten betriebene Website ** Online-Glücksspiele gespielt und die Beklagte gemäß Art 15 Abs 1 und Abs 3 DSGVO aufgefordert, sämtliche von ihm getätigte Ein- und Auszahlungen offenzulegen und entsprechende Kopien dieser Daten zu übermitteln. Die Beklagte weigere sich jedoch beharrlich, die erfragten Daten zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagteanerkannte den geltend gemachten Anspruch in der Klagebeantwortung und beantragte Kostenzuspruch nach § 45 ZPO. Sie habe dem Kläger die gewünschten Daten am 1.8.2024 übermittelt und damit den geltend gemachten Anspruch auf Herausgabe von Daten erfüllt. Die Klagevertreterin habe die Beklagte zwar am 23.5.2024 zur Übermittlung von Daten aufgefordert, diesem Aufforderungsschreiben sei jedoch keine rechtsgültige Vollmacht beigelegen. Die Unterschrift auf der Vollmacht sei wesentlich von der Unterschrift auf der Kopie des beiliegenden Ausweisdokumentes abgewichen. Die Beklagte habe daher die Identität des Anspruchstellers nicht zweifelsfrei feststellen können und deshalb die Daten nicht herausgegeben.
Mit Schriftsatz vom 10.10.2024 schränkte der Kläger das Klagebegehren auf Kosten ein.
Mit dem angefochtenen (Kosten-)Urteil verpflichtete das Erstgericht den Kläger, der Beklagten die mit EUR 1.170,35 bestimmten Prozesskosten zu ersetzen. Dabei ging das Erstgericht von folgendem, im Rekursverfahren nicht strittigem Sachverhalt aus:
Vor Prozessführung übermittelte die Klagevertreterin der Beklagten eine Vollmacht des Klägers mit unter anderem nachstehendem Inhalt:
Dieser Vollmacht legten sie eine Kopie des Führerscheins des Klägers bei.
Die Beklagte antwortete darauf mit E-Mail vom 25. Mai 2024, in dem es unter anderem hieß:
„Wir bitten Sie, uns auch eine gültige Kopie der Vollmacht zu senden, damit wir diese Anfrage erfüllen können. Bitte beachten Sie, dass diese Vollmacht handschriftlich in Tinte von den Kunden unterzeichnet sein muss, da wir keine elektronischen Unterschriften akzeptieren können.“
Der Kläger brachte daraufhin die Klage ein.
Die Beklagte übermittelte ihm nach Klagseinbringung und vor Einbringung der Klagebeantwortung die gewünschten Daten.
Rechtlich bejahte das Erstgericht einen Kostenersatzanspruch der Beklagten nach § 45 ZPO. Bei einem Auskunftsanspruch und Ersuchen auf Herausgabe von Daten von Dritten habe auch ein Rechtsanwalt seine Vollmacht privaten Personen gegenüber urkundlich nachzuweisen. Stimme die Unterschrift des Vollmachtgebers auf der Vollmacht nicht mit jener in einem Ausweisdokument überein, sei der Verantwortliche verpflichtet, weitere Informationen über die Identität des Vollmachtgebers einzuholen, und dürfe erst nach Vergewisserung über die Identität Daten ohne Verletzung des Datengeheimnisses herausgeben. Da die Unterschrift des Klägers auf der übermittelten Vollmacht im Schriftbild nicht mit jener in seinem Führerschein ident sei und merkliche Abweichungen in der Buchstabenführung bestanden hätten, die Unterschrift auf der Vollmachtsurkunde aber offensichtlich auch keine Originalunterschrift, sondern eine „abgeschnittene“ Kopie sei und die drei letzten Buchstaben des Nachnamens gefehlt hätten, habe die Beklagte berechtigte Zweifel an der Rechtsgültigkeit der Vollmacht haben dürfen. Sie sei daher weder verpflichtet noch berechtigt gewesen, die gewünschten Daten aufgrund des Aufforderungsschreibens herauszugeben. Nach Klagszustellung und Akzeptanz der Vollmacht im Gerichtsverfahren nach § 8 RAO habe die Beklagte dem Auskunftsanspruch noch vor Einbringung der Klagebeantwortung entsprochen. Demnach habe sie keinen Anlass zur Klage gegeben, sodass ihr Kostenersatz nach § 45 ZPO zustehe.
Gegen dieses (Kosten-)Urteil richtet sich der Kostenrekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Kostenentscheidung – allenfalls nach Verfahrensergänzung und/oder Beweiswiederholung – dahin abzuändern, dass die Beklagte zum Ersatz der Kosten des Klägers von EUR 1.528,06 (Rekursinteresse insgesamt daher: EUR 2.698,41) verpflichtet werde.
Die Beklagte beantragte, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt .
1. Der Rekurswerber wendet sich gegen den Kostenzuspruch nach § 45 ZPO an die Beklagte. Er argumentiert, diese sei der außergerichtlichen Aufforderung zur Übermittlung der Daten trotz ausreichenden Nachweises der Vollmachtserteilung des Klägers nicht nachgekommen. Sie habe mit ihrem Verlangen nach einer Unterschrift des Vertretenen „handschriftlich in Tinte“ gegen die sie treffende Pflicht zur Auskunftserteilung verstoßen. Begründete Zweifel iSd Art 12 Abs 6 DSGVO hätten nicht bestanden. Schon durch die pauschale Verweigerung der außergerichtlichen Auskunftserteilung habe die Beklagte die Klagsführung veranlasst. Sie habe ihre Zweifel an der Übereinstimmung der Unterschriften gegenüber der Klagevertreterin vorprozessual auch nicht konkret dargelegt und sich nicht auf eine etwaige Abweichung des Schriftbilds der Unterschriften auf der Vollmacht und dem übermittelten Ausweis – die ohnehin nicht gegeben sei – gestützt. Erst im Rahmen des Gerichtsverfahrens habe sie – zu Unrecht – beanstandet, dass die Vollmacht nicht mittels qualifizierter elektronischer Signatur gezeichnet worden sei. Auch vor dem Hintergrund, dass die Klagevertreterin nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Vertretung ihrer Klienten strengen standes- und disziplinarrechtlichen Vorgaben unterliege und ihr bei Berufung auf eine tatsächlich nicht erteilte Vollmacht empfindliche Strafen und Sanktionen drohten, sei in keiner Weise nachvollziehbar, weshalb die Beklagte an der Echtheit der Rechtsanwaltsvollmacht hätte zweifeln sollen.
2. Die Voraussetzungen für einen Kostenzuspruch nach § 45 ZPO an die Beklagte sind, dass der mit der Klage erhobene Anspruch berechtigt ist und der Klage stattzugeben wäre, dass die Beklagte den Anspruch bei erster Gelegenheit vorbehaltlos anerkennt und bei Leistungsklagen überdies erfüllt, und schließlich, dass die Beklagte keinen Anlass zur Klagsführung gegeben hat ( Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.281; Schindler/Schmoliner in Kodek/Oberhammer , ZPO-ON § 45 Rz 2 ff; Fucik in Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 45 Rz 2 f).
Die ersten beiden Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht strittig; fraglich ist nur, ob die Beklagte Anlass zur Klagsführung gegeben hat. Einen solchen Anlass gibt man durch ein Verhalten, das vernünftigerweise den Schluss auf die Notwendigkeit eines Prozesses rechtfertigt ( ObermaieraaO Rz 1.282). Die Veranlassung zur Klagsführung hängt nicht von einem Verschulden ab (OLG Wien 33 R 162/23w = RW0001053). Die Behauptungslast dafür, dass er zur Klagsführung keinen Anlass gegeben hat, trifft den Beklagten. In aller Regel hat er die Klage dann nicht veranlasst, wenn er vom Kläger vorher nicht zu jenem Verhalten aufgefordert wurde, das dieser in der Folge zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat oder wenn ihm eine solche Aufforderung – wie hier - zwar zuging, es ihm aber bis zur Klageerhebung aus objektiven Gründen nicht möglich sein konnte, die Berechtigung des klägerischen Ansinnens zu überprüfen oder ihm nachzukommen ( M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3§ 45 ZPO Rz 2).
Damit stellt sich die Frage, ob die Beklagte den - an sich berechtigten - Anspruch des Klägers vorprozessual infolge begründeter Zweifel an der mit dem Aufforderungsschreiben vorgelegten Vollmacht nicht erfüllen konnte.
3. Bevor in Entsprechung des Auskunftsrechts der betroffenen Person nach Art 15 Abs 3 DSGVO personenbezogene Daten zur Verfügung gestellt werden, sollte der Verantwortliche alle vertretbaren Mittel nutzen, um die Identität einer auskunftssuchenden betroffenen Person zu überprüfen, insbesondere im Rahmen von Online-Diensten und im Falle von Online-Kennungen ( Feiler/Forgó, EU-DSGVO und DSG: Kommentar 2, Art 15 DSGVO Anm 26). Hat der Verantwortliche begründete Zweifel an der Identität der natürlichen Person, die einen Antrag gemäß Art 15 bis 21 DSGVO stellt, so kann er zusätzliche Informationen anfordern, die zur Bestätigung der Identität erforderlich sind (Art 12 Abs 6 DSGVO). Diese Bestimmung ermöglicht aber keine routinemäßige Identitätsüberprüfung; ein Verantwortlicher darf bei der Erfüllung von Betroffenenrechten daher nicht generell die Vorlage eines Identitätsnachweises verlangen (BVwG W214 2228346-1), sondern nur dann, wenn er begründete und einzelfallbezogene Zweifel hat. Als geeignete Form des Identitätsnachweises wurde bei einem schriftlichen Auskunftsbegehren etwa die Beilage der Kopie eines amtlichen Lichtbildausweises angesehen; auch eine digitale Signatur ist ein ausreichender Nachweis der Identität ( Jahnel , DSGVO-Kommentar Art 12 Rz 13).
4. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist es der dafür beweispflichtigen (vgl Illibauer in Knyrim, DatKomm Art 12 DSGVO Rz 76) Beklagten nicht gelungen, darzulegen, dass sie berechtigterweise Zweifel an der Identität des Klägers haben durfte: Richtig ist zwar, dass sich ein einschreitender Rechtsanwalt gegenüber dem Verantwortlichen nicht gemäß § 8 Abs 1 RAO auf die erteilte Bevollmächtigung berufen kann, sondern diese urkundlich nachzuweisen hat (vgl Vitek in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO 11 § 8 Rz 6/1; IllibaueraaO Rz 80). Die Klagevertreterin hat sich in ihrem vorprozessualen Aufforderungsschreiben allerdings nicht auf die erteilte Vollmacht berufen, sondern eine schriftliche Vollmacht vorgelegt. Wenngleich weiters richtig ist, dass nur eine qualifizierte elektronische Signatur der Schriftform des § 886 ABGB entspricht (vgl RS0126251), so ist für die Beklagte daraus schon deshalb nichts gewonnen, weil sie vorprozessual zu erkennen gab, überhaupt keine elektronischen – und damit auch keine qualifiziert elektronischen – Unterschriften zu akzeptieren. Zweifel an der Identität des Klägers und seiner Bevollmächtigung der Klagevertreterin waren nicht begründet, weil dem Antrag sogar eine Ausweiskopie angeschlossen war, die bereits für sich genommen als Identitätsnachweis ausgereicht hätte, außerdem die Unterschrift auf der Vollmacht zwar erkennbar unvollständig (es fehlten die letzten drei Buchstaben des Nachnamens), jener auf dem Führerschein aber doch ähnlich war und es gerichtsnotorisch ist, dass die Klagevertreterin und die Beklagte in regelmäßigem Kontakt über Auskunftsersuchen einzelner Kunden der Beklagten stehen (vgl ua OLG Wien 3 R 5/25i, 33 R 157/24m). Der Beklagten war daher bekannt, dass die Klagevertreterin eine Rechtsanwaltskanzlei ist und dass sie regelmäßig Teilnehmer von Online-Glücksspielen vertritt. Im Hinblick auf die allgemein bekannte disziplinarrechtliche Verantwortlichkeit von Rechtsanwälten, die neben die strafrechtlichen Bestimmungen über die Urkundenfälschung tritt, bestand für die Beklagte somit kein nachvollziehbarer Grund, daran zu zweifeln, dass der Kläger die Klagevertreterin bevollmächtigt hatte, oder gar anzunehmen, dass die vorgelegte Vollmacht ge- oder verfälscht sei.
5. Entscheidend ist aber, dass die Beklagte in ihrem E-Mail vom 25.5.2024 gegenüber der Klagevertreterin Zweifel an der Identität des Klägers oder an der Gültigkeit der Vollmacht gar nicht behauptet hat. Sie hat weder auf die von ihr nun im Verfahren behaupteten Unterschiede in den Unterschriften des Klägers auf der Vollmacht und dem Führerschein noch auf die Unvollständigkeit der Unterschrift des Klägers auf der Vollmacht hingewiesen und auch nicht darauf, dass die Vollmacht nicht qualifiziert elektronisch unterschrieben war. Sie hat im Gegenteil ausgeführt, sie könne gar keine elektronischen Unterschriften, somit auch keine qualifizierte digitale Signatur, sondern nur „handschriftlich in Tinte“ unterfertigte Vollmachten akzeptieren. Ein solches nicht näher begründetes Vorgehen kommt aber einer routinemäßigen Identitätsprüfung gleich, welche die DSVGO gerade nicht vorsieht (siehe oben Punkt 4.). Einem solchen unbegründeten Verlangen musste der Kläger daher nicht nachkommen (vgl in diesem Sinn jüngst ua OLG Wien 3 R 5/25i, 33 R 157/24m).
6. Der Beklagten ist somit der ihr obliegende Nachweis, dass sie die Klagsführung nicht veranlasst hat, nicht gelungen. Dem Rekurs ist daher stattzugeben und die Kostenentscheidung des Erstgerichts zu Gunsten des Klägers abzuändern. Die Beklagte erhob keine Einwendungen gegen die Kostennote des Klägers (ON 7.2 iVm ON 7.4, Seite 2).
7. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
8. Der Ausschluss des Revisionsrekurses nach § 528 Abs 2 Z 3 ZPO greift auch dann, wenn wie hier über ein auf Kosten eingeschränktes Klagebegehren zu entscheiden war (vgl G. Kodek in Kodek/OberhammerZPO-ON § 528 ZPO Rz 55; Musger in Fasching/Konecny 3§ 528 ZPO Rz 71). Der Revisionsrekurs ist daher jedenfalls unzulässig.