21Bs121/25k – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Krenn als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Sanda und Mag. Frigo als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus Freiheitsstrafen über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 7. März 2025, GZ ***, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Der am ** in ** geborene österreichische Staatsbürger A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt ** die über ihn verhängten nachfolgenden Freiheitsstrafen im Gesamtausmaß von 23 Monaten, und zwar
1. aufgrund des Widerrufsbeschlusses des Landesgerichts Krems an der Donau vom 16. April 2024 die zunächst bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von fünf Monaten zur Verurteilung des Landesgerichts Krems an der Donau, AZ **, wegen strafbarer Handlungen vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach § 107 Abs 1 und 2 StGB;
2. die über ihn mit Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 17. Oktober 2024, rechtskräftig seit 21. Oktober 2024, AZ **, wegen als junger Erwachsener begangener Straftaten nach § 241e Abs 1 erster Satz StGB, §§ 127, 129 Abs 1 Z 1 und Abs 2 Z 1 StGB; § 27 Abs 1 Z 1 erster und achter Fall, Abs 2a zweiter und fünfter Fall SMG, § 229 Abs 1 StGB; § 125 StGB; § 164 Abs 1 StGB verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten.
Das urteilsmäßige Strafende fällt auf den 2. Mai 2026. Die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach der Hälfte der Strafzeit werden am 17. Mai 2025, jene nach zwei Dritteln der Strafzeit werden am 12. September 2025 vorliegen.
Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 13) lehnte das Landesgericht Krems an der Donau als zuständiges Vollzugsgerichtohne A* gemäß § 152a StVG angehört zu haben (RISJustiz RS0131225) die bedingte Entlassung nach Verbüßung der Halbstrafe in Übereinstimmung mit den jeweils aufgrund seines Vorlebens und der getrübten Führung ablehnenden Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft Krems an der Donau (ON 1.2) und der Leiterin der Justizanstalt ** (ON 6, 2) aus spezialpräventiven Erwägungen ab.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die unmittelbar nach Zustellung des bekämpften Beschlusses erhobene (ON 14), unausgeführt gebliebene Beschwerde des Strafgefangenen, der keine Berechtigung zukommt.
Vorauszuschicken ist, dass gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 19 Abs 2 JGG einem wegen als junger Erwachsener begangenen Straftat Verurteilten der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen ist, wenn er die Hälfte der über ihn verhängten Freiheitsstrafe, mindestens jedoch einen Monat, verbüßt hat, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass er durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Diese Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, insbesondere der Art der Tat, des privaten Umfelds des Verurteilten, seines Vorlebens und seiner Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit. Besonderes Augenmerk ist auch darauf zu legen, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw ob negative Faktoren durch Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB ausgeglichen werden können ( Jerabek/Ropper,WK² StGB § 46 Rz 15/1). Ist die Annahme berechtigt, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung – allenfalls unter Wirkung der Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB – nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird und dieser somit zumindest gleiche Wirksamkeit zugebilligt werden kann, ist im Regelfall der Rest der Strafe bedingt nachzusehen.
Angesichts der Begehung der den vollzugsgegenständlichen Urteilen zugrunde liegenden Taten als Jugendlicher und junger Erwachsener bleibt es für die bedingte Entlassung gemäß § 17 Abs 1 iVm § 19 Abs 2 JGG außer Betracht, ob es der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.
Dem Erstgericht ist beizupflichten, das fallkonkret gravierende spezialpräventive Bedenken einer bedingten Entlassung zum frühestmöglichen Zeitpunkt entgegen stehen:
A* weist neben den zu vollziehenden Freiheitsstrafen eine weitere einschlägige Vorstrafe des Landesgerichts Krems an der Donau vom 18. April 2023, rechtskräftig seit 18. Juni 2023, AZ **, wegen §§ 127, 128 Abs 1 Z 1, 129 Abs 1, 130 erster Fall StGB; 83 Abs 2 StGB; 146, 147 Abs 1 Z 1, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB, 12 dritter Fall StGB auf, wo er zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt wurde.
Ungeachtet der erstmaligen Konfrontation mit dem Haftübel und der mittlerweile zu zwei Verurteilungen in Schwebe gehaltenen Freiheitsstrafen von gesamt 15 Monaten und der neuerlichen Anordnung von Bewährungshilfe beging er die unter Punkt 2. angeführten in Vollzug stehenden strafbaren Handlungen gegen fremdes Vermögen.
Auch die ihm bei der ersten Verurteilung gewährte Resozialisierungsmaßnahme der Unterstützung durch einen Bewährungshelfer ließ der Verurteilte ungenützt verstreichen, sodass mangels Kooperationsbereitschaft und des Umstandes, dass er sich seit Ende Februar 2024 an keine Bewährungshilfetermine mehr gehalten und auch keine Termine bei der Suchtberatung wahrgenommen hat, die bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe mit dem unter Punkt 1. angeführten Beschluss widerrufen werden musste.
Seine Strafregisterauskunft zeigt sohin deutlich nicht nur die regelmäßige Abfolge von Verurteilungen, sondern auch die Unbeeindruckbarkeit des Strafgefangenen von staatlichen Reaktionen auf, sondern auch, dass er die ihm zweifach gewährten Resozialisierungschancen in Form von (teil-)bedingten Strafnachsichten unter Beigebung von Bewährungshilfe nicht zu nutzen wusste.
Vielmehr wurde er während zweier offener Probezeiten im raschen Rückfall erneut einschlägig straffällig, was deutlich seine gesteigerte kriminelle Beharrlichkeit und die verwurzelte Negativeinstellung gegenüber den geschützten Werten unserer Gesellschaft, insbesondere Vermögenswerten Dritter, zeigt.
Auch die Meldung von zwei Ordnungswidrigkeiten, wobei es diesbezüglich bei Abmahnungen blieb (ON 3,7), dokumentiert anschaulich, dass sich der Beschwerdeführer nicht einmal in Strafhaft darauf verstand, sich ordnungsgemäß zu führen, und die bisher in Strafhaft zugebrachte Zeit nicht ausgereicht hat, um dem Delinquenten das Unrecht seiner Taten vor Augen zu führen und verhaltenssteuernde Wirkung in Richtung eines deliktsfreien Lebenswandels zu entfalten.
Die bloße Wohnmöglichkeit des Strafgefangenen bei seiner Mutter und die - wenngleich positiv zu bewertenden - Bestrebungen des Strafgefangenen, eine Ausbildung als Tischler absolvieren zu wollen und einen nicht bescheinigten Arbeitsplatz bei der Gemeinde am Bauhof zu haben, sind nicht geeignet, der bedingten Entlassung zumindest gleiche Wirksamkeit wie dem weiteren Vollzug attestieren zu können.
Vor dem Hintergrund dieser individualpräventiv negativ geprägten Zukunftsprognose ist auch nicht ersichtlich, mit welchen Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB diesem negativen Kalkül wirksam begegnet werden könnte.
Wenngleich der Rechtsmittelsenat nicht unberücksichtigt lassen will, dass sich Jugendliche und junge Erwachsene notorisch in einem ständigen Entwicklungsprozess befinden und sie daher nicht ausschließlich an früheren Verfehlungen zu messen sind, und erste Anzeichen positiver Entwicklung Beachtung finden sollen, so wäre es im vorliegenden Fall angesichts einer aus den Taten hervorgehenden gewissen Verfestigung krimineller Energie verfrüht, bereits von einer in Gang gesetzten Verhaltensänderung auszugehen.
All dies spricht jedoch gegen die in § 46 Abs 1 StGB für die bedingte Entlassung geforderte Annahme, der Strafgefangene würde durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten.
Da aufgrund der Aktenlage nicht anzunehmen war, das eine Anhörung die Entscheidungsgrundlage wesentlich verändert hätte (Pieber, WK 2StVG § 152a Rz 1) und der Strafgefangene seine Anhörung beim Erstgericht nicht beantragte, konnte die Anhörung zu Recht unterbleiben.
Der bekämpfte Beschluss entspricht sohin der Sach und Rechtslage, weshalb der dagegen erhobenen Beschwerde ein Erfolg zu versagen ist.