JudikaturOLG Wien

30Bs24/25m – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
07. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* B**) wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. August 2024, GZ **-45.3, nach der am 7. April 2025 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Edwards, im Beisein der Richterinnen Dr. Steindl und Dr. Hornich, LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin HR Mag. Sonja Riener, des Angeklagten A* B* und seiner Verteidigerin Mag. Iris Augendoppler durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung des Angeklagten wird Folge gegebenund die verhängte Zusatzfreiheitsstrafe auf dreißig Monate herabgesetzt, wobei gemäß § 43a Abs 4 StGB ein Strafteil von zwanzig Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von zehn Monaten *) drei Jahren bedingt nachgesehen wird.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch enthält, wurde der am ** geborene kosovarische Staatsbürger A* B* des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Bedachtnahme gemäß §§ 31 Abs 1, 40 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichts Mistelbach vom 14. September 2023, GZ C**-14 (Geldstrafe von 80 Tagessätzen à 4 Euro/für den Fall der Uneinbringlichkeit 40 Tage Ersatzfreiheitsstrafe), nach § 201 Abs 1 StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von drei Jahren, zehn Monaten und zwanzig Tagen sowie gemäß §§ 366 Abs 2, 369 Abs 1 StPO zur Zahlung von 100 Euro binnen 14 Tagen an die Privatbeteiligte C* verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* B* am 17. April 2023 in ** C* mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs (zu ergänzen: und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung) genötigt, indem er ihr zunächst auf den Oberschenkel, auf den Hals und auf das Gesäß griff, und sie, als sie weglaufen wollte, an ihrer Kleidung zu sich zog, sie an den Handgelenken festhielt, ihr die Hose samt Unterhose herunterzog und sie an der Vagina leckte, sie weiter festhielt, ihren Oberkörper gewaltsam von hinten über die Küchentheke beugte, ihre Schultern nach unten drückte und sie sodann von hinten mit seinem Penis vaginal penetrierte.

Bei der Strafbemessung wertete das Kollegialgericht das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als erschwerend, den ordentlichen Lebenswandel hingegen als mildernd.

Nach Zurückweisung der gegen dieses Urteil erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten mit Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 9. Jänner 2025, GZ 12 Os 128/24a-4, ist nunmehr über die unmittelbar nach Urteilsverkündung angemeldete (ON 45.2, 68f), zu ON 52 rechtzeitig zur Ausführung gelangte Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Der Berufung kommt im spruchgemäßen Umfang Berechtigung zu.

Grundlage für die Bemessung der Strafe ist die Schuld des Täters. Dabei hat das Gericht die Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auch auf die Auswirkungen der Strafe und anderer zu erwartender Folgen der Tat auf das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft Bedacht zu nehmen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen nahe liegen könnte (§ 32 StGB).

Zunächst ist die vom Kollegialgericht ansonsten zutreffend herangezogene Strafzumessungslage, wobei bei der hier gebotenen Anwendung der §§ 31, 40 StGB zutreffend auch jene Strafzumessungsgründe, die das Vor-Urteil betreffen, Berücksichtigung fanden (RIS-Justiz RS0091431, Ratzin WK² StGB § 40 Rz 2) zum Nachteil des Angeklagten dahingehend zu präzisieren, dass im Rahmen allgemeiner Strafzumessungserwägungen die erhöhte Tatintensität aufgrund der zusätzlich vorgenommenen oralen geschlechtlichen Handlung als auch der ungeschützte Verkehr, der zufolge der Ansteckungsgefahr und einer ungewollten Schwangerschaft das Ausmaß der Demütigung und damit den Handlungs- und Erfolgsunwert der Tat erhöht, zusätzlich erschwerend zu werten ist ( Ebner in WK² § 32 Rz 78).

Bei rechtsbesehener Abwägung der zwar zum Nachteil des Angeklagten ergänzten Strafzumessungslage (§ 32 StGB) und unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafzumessungsregeln des § 32 StGB erweist sich bei einem Strafrahmen von zwei bis zehn Jahren Freiheitsstrafe unter angemessener Berücksichtigung des ordentlichen Lebenswandels des Angeklagten sowie des Umstandes, dass das Ausmaß der verhängten Sanktion in einer ausgewogenen Relation zum Unrechts- und Schuldgehalt der konkreten Tat stehen muss (RIS-Justiz RS0090854) die vom Schöffensenat ausgemessene Zusatzfreiheitsstrafe – wie vom Berufungswerber zutreffend ausgeführt - als zu hoch bemessen und war daher im spruchgemäßen Umfang herabzusetzen. Die nunmehr über den unbescholtenen Angeklagten verhängte erhebliche unbedingte Zusatzfreiheitsstrafe wird sowohl spezial- wie auch generalpräventiven Aspekten hinreichend gerecht (RIS-Justiz RS0090600).

Eine gänzlich bedingte Strafnachsicht nach § 43 Abs 1 StGB ist bereits gemäß § 43 Abs 3 StGB bei wegen des Verbrechens der Vergewaltigung verhängten Strafen ausgeschlossen.

Zwar ist die erweiterte teilbedingte Freiheitsstrafe nach § 43a Abs 4 StGB auf extreme Ausnahmefälle beschränkt (RIS-Justiz RS0092050), in denen ungeachtet der Verhängung einer - den Anwendungsbereich des § 43 Abs 1 StGB schon in Ansehung des Strafmaßes überschreitenden - Freiheitsstrafe von mehr als zwei, aber nicht mehr als drei Jahren die bedingte Nachsicht eines Teils dieser Strafe gerechtfertigt ist. Neben den generalpräventiven Anforderungen des § 43 Abs 1 StGB verlangt Abs 4 leg cit in spezialpräventiver Sicht eine an strengere Kriterien geknüpfte günstige Prognose, nämlich eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Rechtsbrecher keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde. Diese Annahme setzt nach der Rechtsprechung ein eindeutiges und beträchtliches Überwiegen jener Umstände voraus, die dafür sprechen, dass es sich um eine einmalige Verfehlung gehandelt hat, und wird vornehmlich auf Ersttäter Anwendung finden (vgl Jerabek/Ropperin WK² StGB § 43a Rz 16). In diesem Sinn ist angesichts der Unbescholtenheit des Angeklagten, der erstmals strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und dem nun erstmalig ein längeres Haftübel bevorsteht, die Anwendung von § 43a Abs 4 StGB sachgerecht, da die genannten Umstände die Prognose rechtfertigen, dass der Angeklagte mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr straffällig werden wird.

Da die Berufung ausdrücklich gegen den Ausspruch über die Strafe gerichtet ist, erübrigt sich ein Eingehen auf das Adhäsionserkenntnis ( Kirchbacher, StPO 15 § 294 Rz 2/1).