JudikaturOLG Wien

2R5/25g – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
10. März 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Hofmann als Vorsitzenden und die Richter MMag. Popelka und Mag. Viktorin in der Rechtssache der klagenden Partei A*, **, vertreten durch Dr. Sven Rudolf Thorstensen, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B* Ltd, **, Malta, vertreten durch die DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 23.391,86 samt Anhang, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 19.11.2024, GZ **-11, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.613,72 (darin EUR 435,62 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

Die Beklagte mit Sitz in Malta betreibt unternehmerisch die Website ** und veranstaltet dort Sportwetten und Online-Glücksspiele. Über eine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz verfügt die Beklagte nicht. Sie hat ihre Website so eingestellt, dass man auf die deutschsprachige Unterseite **/⁠at weitergeleitet wird, wenn man ** anwählt.

Der Kläger ist Verbraucher und spielte von Österreich aus auf **/at Online-Glücksspiele und Sportwetten. Er zahlte dafür von 19.6.2019 bis 4.11.2021 in zahlreichen Einzelanweisungen insgesamt EUR 64.560 an die Beklagte. Ausbezahlt erhielt er lediglich EUR 40.974,50. Den Rest verlor er, nämlich EUR 193,64 bei Sportwetten und EUR 23.391,86 beim Glücksspiel.

Der Klägerfordert den Gesamtspielverlust aus dem Glücksspiel in Höhe von EUR 23.391,86 gestützt auf ungerechtfertigte Bereicherung und Schadenersatz. Die geschlossenen Verträge seien unwirksam, weil die Beklagte über keine Konzession nach dem GSpG verfüge.

Die Beklagte wandte – soweit für das Berufungsverfahren relevant – die Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols ein. Die österreichischen Glücksspielregelungen seien in ihrer Gesamtheit inkohärent.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht der Klage statt. Es traf die eingangs wiedergegebenen und die weiteren auf Seite 1 f des Urteils ersichtlichen Feststellungen, auf die verwiesen wird.

Rechtlich bejahte das Erstgericht die Rückforderbarkeit der auf Grundlage unerlaubter und folglich unwirksamer Glücksspielverträge an die konzessionslos agierende Beklagte geleisteten Beträge. Das im GSpG normierte Monopol- bzw Konzessionssystem sei unionsrechtskonform.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, die Klage abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

1. Zur Verfahrensrüge :

Als Stoffsammlungsmangel rügt die Beklagte die unterbliebene Einholung der beantragten Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen Marketing und Werbung, wodurch unter Beweis hätte gestellt werden können, dass das österreichische Glücksspielmonopol nicht die vom EuGH als legitim anerkannten Ziele (zB Verbraucherschutz, Betrugsvorbeugung, Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen sowie Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen) verfolge. Das Erstgericht habe keinerlei Feststellungen in Bezug auf das österreichische Glücksspielmonopol und dessen Auswirkungen, insbesondere auch nicht zum Markt- und Werbeverhalten des österreichischen Monopolisten getroffen.

Falls aufgrund eines primären Verfahrensmangels, etwa der Zurückweisung von Beweisanträgen, andere als die vom Beweisführer behaupteten Tatsachen festgestellt wurden, ist dies mit Mängelrüge geltend zu machen ( Pimmer in Fasching/Konecny 3§ 496 ZPO Rz 57). Hat es das Erstgericht unterlassen, trotz entsprechenden Tatsachenvorbringens für die rechtliche Beurteilung relevante Feststellungen zu treffen, so liegt ein mit Rechtsrüge geltend zu machender sekundärer Feststellungsmangel vor ( Pimmer, aaO Rz 58).

Das Erstgericht hat zu der von der Beklagten relevierten Frage der tatsächlichen Auswirkungen des österreichischen Glücksspielmonopols keine Feststellungen getroffen. Die Beklagte ist daher auf die Behandlung der Rechtsrüge zu verweisen; ein Verfahrensmangel liegt nicht vor.

2. Zur Rechtsrüge :

2.1 Die Beklagte stützt sich darauf, dass die österreichische Glücksspielregelung unionsrechtswidrig sei.

Der OGH geht aber in ständiger Judikatur davon aus, dass das im GSpG normierte Monopol- bzw Konzessionssystem bei gesamthafter Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen (insbesondere der Werbemaßnahmen der Konzessionäre) auf dem Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entspricht (RS0130636 [T7]). Diese Beurteilung steht im Einklang der Rechtsprechung des VfGH (E 945/2016) und des VwGH (Ro 2015/17/0022).

2.2 Insbesondere wegen der durch den Verfassungsgerichtshof zu G 259/2022 ausgesprochenen Teilaufhebung des § 25 Abs 3 GSpG hält die Beklagte eine Neubewertung für geboten.

Der OGH hat sich damit jedoch bereits befasst und an seiner Rechtsprechung zur Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielsystems festgehalten. Mag der Gesetzgeber durch das (primäre) Abstellen (nur) auf die Einholung einer Bonitätsauskunft iSd § 25 Abs 2 GSpG den unionsrechtlich gebotenen Spielerschutz von Spielbankbesuchern auch nicht in einer dem Sachlichkeitsgebot entsprechenden Weise verwirklicht haben, bedeutet dies noch nicht, dass dieses Anliegen im Glücksspielrecht als Ganzem nicht in kohärenter Weise verfolgt würde. Aus der teilweisen Verfassungswidrigkeit bloß einer Einzelregelung zum Spielerschutz im Bereich der Spielbanken kann nicht abgeleitet werden, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen – entgegen der bisher ständigen Rechtsprechung – unionsrechtswidrig wäre (1 Ob 25/23t [8] mwN).

2.3 Auch die von der Beklagten im Zusammenhang mit der Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielsystems gerügten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor.

Grundsätzlich ist die Vereinbarkeit von nationalem Recht mit Unionsrecht als Rechtsfrage von Amts wegen zu prüfen, sodass sich Fragen zu einer Darlegungspflicht (Behauptungslast) nicht stellen. Können aber bei Regelungen, bei denen sowohl der Wortlaut als auch die erklärte Zielsetzung des Gesetzgebers gegen die Annahme eines Unionsrechtsverstoßes sprechen, ausnahmsweise tatsächliche Umstände zu einem anderen Ergebnis führen, so hat sich diese Prüfung grundsätzlich an diesbezüglichen Parteienbehauptungen zu orientieren. Dabei trifft hier die Beklagte die Verpflichtung zur Behauptung entsprechender Tatsachen, weil es sich beim Einwand der Unionsrechtswidrigkeit um eine anspruchsvernichtende Einwendung handelt (vgl RS0129945).

Nach der Rsp des EuGH sind zwar auch die tatsächlichen Auswirkungen der nationalen Regelungen in die Kohärenzprüfung einzubeziehen (vgl C 390/12, Pfleger, Rn 56), der Begriff „tatsächlich“ ist aber nicht dahin auszulegen, dass die nationalen Gerichte angeleitet werden, „empirisch mit Sicherheit“ das Vorhandensein von bestimmten Auswirkungen der nationalen Regelung nach ihrem Erlass festzustellen (C-464/15, Admiral Casinos Entertainment AG ua,Rn 29). Der Rechtsprechung des EuGH lässt sich gerade nicht entnehmen, dass die Kohärenz jeder einzelnen Differenzierung im nationalen Glücksspielrecht durch eine empirische Studie untermauert werden müsste (3 Ob 72/21s mwN).

Der EuGH setzte sich in der Entscheidung C-920/19, Fluctus/Fluentum, neuerlich mit dem österreichischen Glücksspielmonopol auseinander und bestätigte seine bisherige Rechtsprechung zu den Grenzen der Zulässigkeit wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen.

Tatsächliche Umstände, die in der umfangreichen Rechtsprechung zur Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielsystems (vgl RS0130636) nicht schon berücksichtigt worden wären und die eine geänderte Beurteilung nahelegen könnten, zeigt die Beklagte in ihrem Vorbringen nicht auf.

2.4 Soweit die Beklagte insbesondere Tatsachenfeststellungen zu den Auswirkungen des österreichischen Glücksspielsystems im gegenständlichen Zeitraum vom Juni 2019 bis November 2021 fordert, ist darauf hinzuweisen, dass die zitierte Rsp des OGH auch diesen Zeitraum abdeckt (vgl zB 7 Ob 203/23p; 7 Ob 198/23b).

2.5 Der Berufung war somit nicht Folge zu geben.

2.6 Die Anregung der Beklagten auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens war nicht aufzugreifen, weil die relevanten Prüfungskriterien vom EuGH bereits ausreichend festgelegt wurden und zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit bereits umfangreiche Rechtsprechung sowohl des EuGH als auch der Höchstgerichte in Österreich vorliegt (vgl ua 1 Ob 78/24p).

3. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Für die Klagebeantwortung gebührt gemäß § 23a RATG nur der niedrigere ERV-Zuschlag von EUR 2,60 (vgl Obermaier, Kostenhandbuch 4 Rz 3.29).

4. Die Revision ist mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.