22Bs44/25v – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*wegen §§ 105, 106 Abs 1 Z 1 vierter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über dessen Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld, Strafe und privatrechtlicher Ansprüche gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 20. November 2024, GZ **-22.2, durch die Senatspräsidentin Mag. Mathes als Vorsitzende sowie den Richter Mag. Gruber und die Richterin Mag. Pasching als weitere Senatsmitglieder gemäß §§ 470 Z 3, 489 Abs 1 StPO nichtöffentlich zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO) und Schuld wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner weiteren Berufung wegen Nichtigkeit, Strafe und der privatrechtlichen Ansprüche wird der Angeklagte auf die Kassation verwiesen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene A* des Verbrechens der schweren Nötigung, des Vergehens der gefährlichen Drohung und jenes der Urkundenunterdrückung nach §§ 105, 106 Abs 1 Z 1 vierter Fall; 107 Abs 1 und Abs 2; 229 (zu ergänzen:) Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 106 Abs 1 StGB zu einer unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten verurteilt.
Unter einem wurde der Angeklagte gemäß § 369 Abs 1 (zu ergänzen:) iVm § 366 Abs 2 StPO schuldig erkannt, der Privatbeteiligten B* C* EUR 1.000,-- und der Privatbeteiligten D* C* EUR 500,-- binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Der Schuldspruch erfolgte, weil der Angeklagte in **
I./ am 19. September 2024 B* C* während er in ihrer Abwesenheit mit der Pflege ihrer Katzen betraut war telefonisch durch die Äußerung „sag endlich die Wahrheit, sonst zünde ich dir die Wohnung an“, somit durch gefährliche Drohung mit einer Brandstiftung in ihrer Wohnung, zu einer Handlung, nämlich zur Auskunft darüber, ob sie nun ein Verhältnis zu einem anderen Mann habe sowie um die Einwilligung, dass er via VPN auf ihr Mobiltelefon zugreifen könne um ihre Mitteilungen zu kontrollieren, nötigte;
II./ am 21. September 2024 D* C* durch die Äußerung „Es reicht mir! Ich besorge mir Brennspiritus und stecke die Wohnung deiner Tochter in Brand.“ gefährlich mit einer Brandstiftung in der Wohnung von B* C* bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;
III./ zu einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt zwischen Ende August und Mitte September 2024 den Personalausweis der B* C*, somit eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückte, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich der Identität der B* C*, gebraucht werde.
Nach den wesentlichen erstgerichtlichen Feststellungen lebten der bislang gerichtlich unbescholtene Angeklagte und die Zeugin B* C* seit vielen Jahren in einer von Eifersucht und Streitereien geprägten Beziehung, aus der eine gemeinsame Tochter hervorgegangen ist. Aufgrund der strapaziösen Partnerschaft reiste B* C* am 29. August 2024 gemeinsam mit der Tochter in die Steiermark, um dort eine psychiatrische Rehabilitation zu beginnen. Zwischen dem Paar bestand im Rahmen von Telefonaten und WhatsApp - Nachrichten weiterhin ein reger und gegenseitiger Austausch. Während der Abwesenheit der Zeugin war der Angeklagten mit der Pflege ihrer Katzen betraut, wobei ihm zum Zwecke der allfälligen Entgegennahme von Postpaketen bekanntgegeben wurde, wo sich der Personalausweis von C* befand. Nur der Angeklagte verfügte über einen Schlüssel zur Wohnung. Am 19. September 2024 kam es untertags zu einem längeren Telefongespräch zwischen dem Paar, wobei es auch um die gemeinsame Beziehung und den Aufenthalt der Zeugin im Rehabilitationszentrum und ihre psychische Verfassung ging. Der Angeklagte hielt ihr dabei vor, dass sie ihn nur für die Pflege der Katzen ausnütze und sich nach der Heimreise sowieso von ihm trennen würde. Danach legte der Angeklagte prompt auf, was zu einer Panikattacke bei B* C* führte und sie für mehrere Stunden medikamentös ruhiggestellt werden musste. In den späten Abendstunden des genannten Tages kam es dann zu einem weiteren mehrstündigen Telefonat und zu einem Streit, wobei der Angeklagte seine Partnerin bezichtigte, ihn mit anderen Männern zu betrügen. Um die Wahrheit aus der Zeugin herauszulocken setzte der Angeklagte dann die unter Punkt I. angeführte Tathandlung. Nachdem die Zeugin den Kontakt mit dem Angeklagten abgebrochen hatte, telefonierte er mit der Mutter derselben, D* C*, die versuchte, ihn zu beruhigen. Im Zuge dieses Telefonats kam es aber zu der unter Punkt II. angeführten Tathandlung. Nachdem die Zeugin B* C* ihre Mutter gebeten hatte, die Katzen sowie den Personalausweis aus der Wohnung zu holen, war der Ausweis für die Mutter nicht mehr auffindbar, weil der Angeklagte diesen an sich genommen hatte.
Subjektiv wurde festgestellt, dass der Angeklagte bei der ersten Androhung mit dem Anzünden der Wohnung wusste und es ihm darauf ankam, dass seine drohenden Worte geeignet waren, sein Opfer in Furcht und Unruhe zu versetzen, um sie dadurch zu mehreren Handlungen, nämlich zu einer Aufklärung über allfällige Untreue und der Herausgabe privater Handydaten zu zwingen. Bei der Drohung gegenüber der Mutter wusste und kam es dem Angeklagten darauf an, dass seine Worte geeignet waren, bei ihr den Eindruck einer ernstgemeinten Brandstiftung zu erwecken um sie dadurch in Furcht und Unruhe um ihr Kind und deren Wohnung zu versetzen. Bei der Wegnahme des Personalausweises hielt es der Angeklagte demgegenüber zumindest ernsthaft für möglich und fand sich damit ab, dass dieser von der Zeugin nicht mehr bestimmungsgemäß gebraucht werden konnte.
In ihrer Beweiswürdigung stützte sich die Tatrichterin im Wesentlichen auf die Angaben der Zeuginnen B* und D* C*, wohingegen sie die leugnende Verantwortung des Angeklagten als Schutzbehauptung verwarf. Feststellungen zur subjektiven Tatseite leitete sie aus dem äußeren Tatgeschehen ab.
Bei der Strafbemessung wertete die Erstrichterin das Zusammentreffen zweier Vergehen mit einem Verbrechen als erschwerend, mildernd demgegenüber den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten und erachtete vom zur Verfügung stehenden Strafrahmen ausgehend die verhängte Sanktion als tat- und schuldangemessen. Im Hinblick auf die bisherige Unbescholtenheit könne mit einer bedingten Strafnachsicht vorgegangen werden.
Den Zuspruch an die Privatbeteiligten stützte sie auf die durch die Tathandlungen verursachten Angstzustände der Opfer, ohne jedoch nähere Feststellungen zur Art und Dauer derselben vorzunehmen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die mit umfassendem Anfechtungsziel angemeldete (ON 23) und fristgerecht wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 5 vierter und fünfter Fall sowie Z 10 StPO), Schuld, Strafe und privatrechtlicher Ansprüche ausgeführte Berufung des Angeklagten (ON 27.1).
Rechtliche Beurteilung
Dem Rechtsmittel kommt in spruchgemäßem Umfang Berechtigung zu.
Der Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO) war erfolgreich, weil eine Drohung im Sinne des § 74 Abs 1 Z 5 StGB objektiv gefährlich sein muss. Maßgeblich ist die nach einem objektiv-individuellen Maßstab zu beurteilende Eignung, der bedrohten Person begründete Besorgnisse einzuflößen, welche eine Rechtsfrage darstellt. Die Ernstlichkeit der Drohung nach ihrem Sinn und Bedeutungsgehalt ist hingegen Tatfrage. Der Sinn einer Äußerung oder Geste kann je nach Situation, Schichtzugehörigkeit, Umgangsformen und anderen Begleitumständen sehr unterschiedlich sein.
Bei der Prüfung der Besorgniseignung darf die konkret bedrohte Person nicht einfach fiktiv durch einen Durchschnittsmenschen ersetzt werden; das Verhältnis der beteiligten Personen zueinander, ihr Alter, das Milieu, ihr Sprachgebrauch, usw. sind sehr wohl zu berücksichtigen: manche Andeutungen ergeben nur für den Adressaten, nicht aber für einen Durchschnittsmenschen einen Erklärungssinn. Es sollen durch den objektiven Maßstab lediglich außergewöhnliche subjektive Empfindungen des Opfers ausgeschaltet werden: übergroße Ängstlichkeit bleibt ebenso außer Betracht wie Heldenmut; milieubedingte Unmutsäußerungen sind gerade deshalb keine gefährlichen Drohungen, weil nach den konkreten Verhältnissen zwischen Drohenden und Bedrohten objektiv die Verwirklichung des Übels nicht zu befürchten ist. Selbst oder gerade Todesdrohungen fehlt oft die geforderte Ernstlichkeit und Gefährlichkeit ( Schwaighofer in WK 2StGB § 105 Rz 61, 64 mwN; § 107 Rz 5).
Die Annahme einer gefährlichen Drohung setzt demzufolge zunächst die in freier Beweiswürdigung zu treffende Feststellung tatsächlicher Natur voraus, dass der vom Drohenden gewollte Sinn seiner Äußerung darin lag, beim Bedrohten den Eindruck einer ernstgemeinten Ankündigung der bevorstehenden Rechtsgutbeeinträchtigung zu erwecken. Auf der Grundlage dieser Tatsachenfeststellung ist sodann die in den Bereich der rechtlichen Beurteilung fallende Frage der gemäß § 74 Abs 1 Z 5 StGB erforderlichen Eignung der Drohung zur begründeten Besorgniserregung zu beantworten. Bejahendenfalls stellt sich sodann die wiederum in den Tatsachenbereich zugehörige Frage, welche Zielsetzung der Drohende mit der gefährlichen Drohung verband, ob er z.B. die Absicht hatte, den Bedrohten im Sinne des § 107 StGB in Furcht und Unruhe zu versetzen ( Jerabek / Ropper ; Reindl-Krauskopf ; Schroll / Oberressl in WK 2StGB § 74 Rz 34).
Angesichts der langjährigen und streitbehafteten Beziehung zwischen dem Angeklagten und B* C*, des im Rahmen einer persönlich schwierigen Situation geführten mehrstündigen Telefonats, der emotionalen Belastung der Beteiligten, deren Milieus (beide Partner wohnten längere Zeit gemeinsam in einer Obdachlosenunterkunft für Jugendliche [„E*“]) und dem völligen Fehlen bislang aktenkundiger Gewalt hätte sich die Tatrichterin im Rahmen der Beweiswürdigung weitaus eingehender mit den Drohungen (insbesondere mit einer Brandstiftung), vor allem mit der Ernstlichkeit, befassen müssen (Faktum I. und II.), sodass der angezogene Nichtigkeitsgrund entgegen der Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft Wien diesbezüglich vorliegt.
Die Schuldberufung zeigt in diesem Zusammenhang darüber hinaus auch Widersprüche hinsichtlich der zeitlichen Einordnung der Drohungen auf.
Was letztlich den „verschwundenen“ Personalausweis der Zeugin B* C* anbelangt, trifft es zwar zu, dass nach übereinstimmenden Angaben lediglich der Angeklagte (außer der Zeugin) einen Schlüssel zu genannter Wohnung hatte, jedoch kann allein aus dem Umstand, dass dieser von der Zeugin D* C* (Mutter) nicht aufgefunden werden konnte, nicht automatisch abgeleitet werden, dass dieser vom Angeklagten mitgenommen wurde. Denn es kommt auch ein bloßer Irrtum oder ein Versehen der Zeugin D* C* in Betracht, sodass die erstrichterliche Beweiswürdigung nicht hinreicht, gesichert anzunehmen, dass der Ausweis vom Angeklagten (bewusst) unterdrückt wurde, zumal dieser auch alle anderen Sachen bereitwillig herausgab bzw. dies versuchte (vgl. Wohnungsschlüssel; Schulunterlagen der Tochter).
Zusätzlich zu diesen Erwägungen ist auf den im Rahmen der Berufungsausführung vorgelegten Chat, der laut der Zeugin B* C* zwischen ihr und ihrer Freundin „F*“ stattfand, zu verweisen, aus dem - von vorgenannter Zeugin zugestanden (ON 30.1,3) - erhellt, dass sie dem Angeklagten finanziell schaden woll(t)e „Ich nehm A* komplett auseinander, der wird bald nimma wissen woher Geld hernehmen“ (ON 27.2). Was die anderen vom Angeklagten relevierten Chat-Stellen anbelangt ist anhand des Vorbringens der Zeugin (vgl. ON 30.2) allerdings zu konstatieren, dass sie aus dem Zusammenhang gerissen sein könnten.
Der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld war daher Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Strafsache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung zurückzuverweisen. Im zweiten Rechtsgang werden die Beteiligten nochmals umfassend zu den Tatgeschehen zu befragen sein, wobei auch der jüngst vorgelegte Chatverlauf zu erörtern sein wird. Darauf aufbauend werden dann wohlbegründet konkrete Feststellungen zu allen Tatbestandsmerkmalen des § 74 Abs 1 Z 5 StGB zu treffen sein.
Da die aufgezeigte Urteilsnichtigkeit bzw. die erfolgreiche Bekämpfung der Beweiswürdigung zur Aufhebung des Urteils und Verweisung der Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zwingt, erübrigt sich ein Eingehen auf die überdies geltend gemachten Berufungspunkte. Im zweiten Rechtsgang wird – für den Fall eines Schuldspruchs – auch näher zu begründen sein, warum ein Zuspruch an die Privatbeteiligten und in welcher Höhe sachlich gerechtfertigt ist.