JudikaturOLG Wien

5R1/25s – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
25. Februar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schrott-Mader als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Guggenbichler und Mag. Jelinek in der Rechtssache der gefährdeten Partei Gemeinde A* , vertreten durch den B* C*, **, vertreten durch die KORN RECHTSANWÄLTE OG in Wien, gegen den Gegner der gefährdeten Partei D*, geb **, **, Deutschland, vertreten durch Mag. Gernot Steier, Rechtsanwalt in Neulengbach, wegen Unterlassung (Streitwert: 1. EUR 21.000; 2. EUR 4.000), hier wegen einstweiliger Verfügung, über den Rekurs des Gegners der gefährdeten Partei (Rekursinteresse EUR 4.000) gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 4.12.2024, GZ **-24, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Gegner der gefährdeten Partei ist schuldig, der gefährdeten Partei die mit EUR 502,70 (darin EUR 83,78 USt) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt nicht EUR 5.000.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung

Der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei (im Folgenden: Beklagte) verlor 2018 mehrere Verfahren vor dem EGMR, nachdem er Abtreibungen mit dem Holocaust verglichen hatte. Er ist der für den Inhalt der Website E* Verantwortliche und veröffentlichte auf der Website am 18.7.2024 folgenden (auszugsweise wiedergegebenen) Beitrag über den B* C*:

[Bilder entfernt]

Zwar entfernte der Beklagte den Begriff „Tötungs-KZs“, doch enthält der Beitrag immer noch folgende Passagen:

[Bilder entfernt]

Die Klägerin und gefährdete Partei (im Folgenden: Klägerin) begehrte mit der am 4.9.2024 eingebrachten Klage, den Beklagten schuldig zu erkennen, (1.) die Behauptung und/oder Verbreitung der Äußerung, die von der Klägerin betriebenen B* Kliniken seien „Tötungs-KZs“, und/oder sinngleicher Äußerungen zu unterlassen. Zugleich beantragte sie die Erlassung einer inhaltsgleichen einstweiligen Verfügung. Mit Schriftsatz vom 15.11.2024 dehnte die Klägerin die Klage dahin aus, den Beklagten weiters schuldig zu erkennen, (2.) die Behauptung und/oder Verbreitung der Äußerung, die von der Klägerin betriebenen B* Kliniken, insbesondere die Kliniken F*, G*, H* und I*, seien „Hinrichtungsstätten“ und/oder „Tötungskliniken“, und oder gleichsinniger Äußerungen zu unterlassen. Zugleich beantragte sie auch dazu die Erlassung einer inhaltsgleichen einstweiligen Verfügung.

Der Beklagte betreibe die Online-Plattform E* und sei als Medieninhaber für die Inhalte verantwortlich. Er veröffentliche dort Beiträge insbesondere zum Thema Abtreibungen, die er „Tötungen“ nenne. Seit 18.7.2024 halte der Beklagte auf seiner Website einen Beitrag mit dem Titel „ C* B* – das Geschäft mit dem Tod “ abrufbar. Mit der Formulierung „ Und soll einer mal sagen, wir hätten heute, Anno 2024, keine stattlichen Tötungs-KZs! “ habe er die B* Kliniken der Klägerin mit Konzentrationslagern der Nationalsozialisten gleichgesetzt.

Außerdem bezeichne der Beklagte im genannten Beitrag die Krankenhäuser der Klägerin als „ Hinrichtungsstätten “ und „ Tötungskliniken “. Die ursprüngliche inkriminierte Passage habe er inzwischen abgeändert, den augenscheinlichsten NS-Vergleich entfernt und spreche nun von „ staatlichen Tötungs-Kliniken “ mit dem Zusatz „ f.u.K. “, welcher „ für ungeborene Kinder “ abkürze.

Der Vorwurf sei unwahr und ehrenrührig. Er könne den wirtschaftlichen Ruf der Klägerin gefährden, weil Patientinnen die Kliniken der Klägerin meiden könnten. Er wirke sich auch negativ auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und des Sicherungsantrags und wendete ein, dass er ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung die beanstandete Wortkombination „Tötungs-KZ“ gestrichen und abgeändert habe. Seine Aussage habe einen wahren Tatsachenkern und sei im Rahmen der freien Meinungsäußerung zulässig. Schließlich würde bei einer Abtreibung ein ungeborenes Kind getötet.

Mit dem angefochtenen Beschluss bewilligte das Erstgericht die beantragte einstweilige Verfügung zur Sicherung des zweiten Unterlassungsbegehrens. Es nahm den aus den Seiten 3 bis 5 der Beschlussausfertigung ersichtlichen Sachverhalt als bescheinigt an, auf den verwiesen wird und der am Beginn wiedergegeben wurde.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Vorwurf, die von der Klägerin betriebenen Kliniken seien „Tötungs-KZs“, sei unwahr. Auch liege eine herabsetzende Äußerung vor, weil in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern Menschen in großer Zahl und grausam getötet wurden. Der Vorwurf sei gerade bei Krankenhäusern nicht nur ruf-, sondern auch geschäftsschädigend.

Die Bezeichnung „Tötungskliniken“ statt „Tötungs-KZs“ ändere wenig. Zwar falle die nationalsozialistische Konnotation auf den ersten Blick weg, doch habe der Beklagte diese nur in den Satz „auf diese Idee kamen nicht einmal die N...!“ verschoben. Jedenfalls erwecke er weiter den falschen Eindruck, als ginge es primär um die Vernichtung von Leben in verbotener Weise. Gleiches bringe er mit dem Begriff „Hinrichtungsstätte“ zum Ausdruck. Daher sei die einstweilige Verfügung zu erlassen.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Sicherungsantrag zur Gänze abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Der Beklagte vermeint, es sei eine wahre Tatsachenbehauptung, dass in den von der Klägerin betriebenen Kliniken ungeborene Kinder getötet würden. Aus dem bescheinigten Sachverhalt ergebe sich, dass der Kläger nur von der Tötung ungeborener Kinder spreche und sich kein Hinweis finde, dass der Beklagte behaupte, es würden auch geborene Menschen getötet. Jeder verständige Betrachter könne keinen Zweifel haben, dass sich die Bezeichnung „ Tötungs-Klinik f.u.K ““ auf die in den Kliniken vorgenommenen Schwangerschaftsabbrüche beziehe. Dies insbesondere aufgrund der in unmittelbarer Nähe zu findenden Erklärung „ (f.u.K = für ungeborene Kinder) “.

Weiters argumentiert der Beklagte, die Tötung eines wehrlosen Menschen werde gemeinhin als Hinrichtung bezeichnet, dies auch und gerade wenn sie mit gesetzlicher Deckung erfolge.

Die Bezeichnung der Kliniken als Hinrichtungsstätten und Tötungskliniken für ungeborene Kinder stelle somit eine wahre Tatsachenbehauptung dar.

2. Für die Ermittlung des Sinngehalts einer Äußerung ist das Verständnis des unbefangenen Durchschnittsadressaten maßgebend (vgl RS0031883). Äußerungen sind so auszulegen, wie sie von den angesprochenen Verkehrskreisen bei ungezwungener Auslegung verstanden werden (RS0031883 [T9]). Welcher Bedeutungsinhalt letztlich einer bestimmten Äußerung beizumessen ist, ob es sich um die Verbreitung von Tatsachen, einer auf einem wahren Tatsachenkern beruhenden wertenden Meinungsäußerung oder eines reinen Werturteils handelt, richtet sich nach dem Zusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck, den ein redlicher Mitteilungsempfänger gewinnt (6 Ob 244/09i [ErwGr 4.2.] mwN; RS0079395 [T3]).

3. Unter Heranziehung dieser Grundsätze kann der Ansicht des Beklagten, es lägen wahre Tatsachenbehauptungen vor, nicht gefolgt werden. Mit dem Vorwurf, die Klägerin betreibe „ staatliche Tötungskliniken “ und „ Hinrichtungsstätten “ wird in einem Gesamtzusammenhang etwas ganz anderes ausgedrückt, als der Beklagte in seinem Rekurs zu argumentieren versucht.

Diese Beurteilung kann auch nicht mit dem Argument widerlegt werden, durch den Beisatz „ f.u.K.“ erfolge eine Klarstellung. Dabei handelt es sich um eine vollkommen ungebräuchliche Abkürzung, die – auch ausgeschrieben - die mit dem Begriff „Tötungsklinik“ hervorgerufenen Assoziationen nicht beseitigt. Außerdem verwendet der Beklagte den Begriff „ Tötungsklinik “ – wie von der Klägerin in ihrer Rekursbeantwortung aufgezeigt – auch ohne diesen Zusatz in seiner Veröffentlichung.

3.1. Schon mit dem Begriff „ staatliche Tötungskliniken “ wird für den unbefangenen Durchschnittsadressaten ein unmittelbarer Zusammenhang mit den nationalsozialistischen Verbrechen hergestellt, bei denen systematisch Menschen mit körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen in Kliniken und Krankenanstalten getötet wurden. Diese Einrichtungen werden nämlich in der Berichterstattung und Aufarbeitung dieser Gräueltaten als Tötungskliniken oder Tötungsanstalten bezeichnet.

Die Verbindung zu den Verbrechen des Nationalsozialismus wird – wie vom Erstgericht betont - durch die Veröffentlichung des Beklagten noch dadurch verstärkt, dass weiters ausgeführt wird, „… auf diese Idee kamen nicht einmal die N....!“

3.2. Nicht überzeugend ist auch die Argumentation zum Begriff Hinrichtungsstätten. Zunächst ist festzuhalten, dass es in Österreich keine Todesstrafe gibt und somit die Begründung, unter Hinrichtung werde eine im Rahmen der Gesetze zulässige Tötung eines wehrlosen Menschen verstanden, schon deshalb keine Rechtfertigung für die gegen die Klägerin verwendete Behauptung darstellt. Zudem enthält die Verwendung des Begriffs „ Hinrichtungsstätte “ aus Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers den Vorwurf, dass in den von der Klägerin betriebenen Kliniken in systematischer und abschreckender Weise die Tötung von Menschen erfolgt bzw sogar im Vordergrund der Tätigkeit der genannten Kliniken steht.

3.3. Ausgehend vom eben dargelegten Bedeutungsgehalt der beiden Begriff beinhaltet die Veröffentlichung somit den unwahren Vorwurf, die Klägerin betreibe Kliniken, in denen Verbrechen begangen werden, die jenen des Nationalsozialismus vergleichbar sind oder diese sogar noch überschreiten.

3.4. Bei unwahren Tatsachenbehauptungen oder bei Werturteilen, basierend auf unwahren Tatsachenbehauptungen, gibt es kein Recht auf freie Meinungsäußerung (RS0107915; RS0075601).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 EO iVm § 41, § 50 ZPO.

5. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 500 Abs 2 Z 1 lit b und Abs 3, 526 Abs 3 ZPO und orientiert sich an der unbedenklichen Bewertung der Klägerin.

6. Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 1 Z 1 ZPO jedenfalls unzulässig.