Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Frohner als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Lehr und Mag. Primer als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A*wegen Absehens vom Strafvollzug wegen Auslieferung nach § 4 StVG über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 27. Jänner 2025, GZ **-378, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
A* wurde mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 11. Juni 2024, rechtskräftig 15. Juni 2024, des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls teils durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und Z 2, 130 Abs 2 iVm Abs 1 erster Fall StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt (ON 333.6). Das urteilsmäßige Strafende fällt auf den 19. Februar 2027. Die Hälfte der Strafzeit wird er am 19. März 2025, zwei Drittel ab 8. November 2025 verbüßt haben (ON 377).
Mit Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt zu AZ ** vom 29. November 2023 wurde die Übergabe des Beschwerdeführers zur Strafverfolgung an die deutschen Behörden, mit Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt zu AZ ** vom 17. April 2024 an die tschechischen Behörden bewilligt, wobei die Übergabe jeweils bis zum Vollzug der Freiheitsstrafe aufgeschoben und der Übergabe an die deutschen Behörden der Vorrang eingeräumt wurde. Gegenstand des tschechischen Verfahrens ist ein unbefugter Fahrzeuggebrauch (Strafdrohung bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe), Gegenstand des deutschen Strafverfahrens sind Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (Verkauf von 30 Gramm Heroin und 100 Gramm Kokain), wofür bis zu fünfzehn Jahre Haft angedroht werden.
Nachdem das Erstgericht bereits mit Beschluss vom 5. September 2024 (ON 360) ein Vorgehen nach § 4 StVG rechtskräftig abgelehnt hatte, beantragte der Verurteilte im Jänner 2025 neuerlich ein solches Vorgehen (ON 372.1).
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 27. Jänner 2025 (ON 378) wies das Erstgericht abermals den Antrag des Verurteilten ab Absehen vom weiteren Vollzug aus generalpräventiven Erwägungen ab.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des A* (ON 379), der keine Berechtigung zukommt.
Begehrt ein anderer Staat die Auslieferung des Verurteilten und wurde sie für zulässig erkannt bzw (im Anwendungsbereich des EU-JZG) die Übergabe bewilligt, hat das Auslieferungsgericht die Übergabe des Verurteilten an die ausländische Behörde im Interesse der Vollstreckung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe zunächst aufzuschieben (§ 37 Z 2 ARHG, § 25 Abs 1 Z 6 EU-JZG). Da der Strafvollzug aber nur im unbedingt notwendigen Ausmaß mit dem Vollzug an Ausländern, die Österreich danach ohnehin verlassen müssen, belastet werden soll, bestimmt § 4 erster Satz StVG, dass im Fall der Bewilligung der Auslieferung (hier: Übergabe) vom Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe vorläufig abzusehen ist, sofern einem solchen Vorgehen nicht besondere generalpräventive Gründe entgegenstehen. Der inländische Strafanspruch hat gegenüber einer bereits für zulässig erklärten Auslieferung grundsätzlich zurückzutreten. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ist ein Absehen vom Strafvollzug wegen Auslieferung zwingend, der Verurteilte hat ein Recht darauf ( Pieber , WK 2StVG § 4 Rz 1, 11).
Ein vorläufiges Absehen vom Strafvollzug ist allein dann unzulässig, wenn besondere generalpräventive Erwägungen den – zumindest teilweisen – unverzüglichen Vollzug erfordern. Dem § 4 StVG liegt keine auf Resozialisierung des straffällig gewordenen Täters gerichtete kriminalpolitische Zielsetzung, sondern der Gedanke zugrunde, dass der österreichische Strafvollzug nur in einem aus generalpräventiven Erfordernissen unerlässlichen Ausmaß mit Vollzügen an Ausländern belastet werden soll. Keine Kriterien für eine Verweigerung des Absehens vom Strafvollzug sind daher spezialpräventive Faktoren wie die Persönlichkeit des Täters, seine Vorstrafen oder seine Rückfallsgeneigtheit ( Pieber aaO Rz 12 mwN).
Erfordernisse der Generalprävention (zB die Bedeutung und Schwere der Tat, das dadurch verursachte Aufsehen oder die Höhe der Strafe) sind bei der Entscheidungsfindung gegen die voraussichtliche Höhe der im Ausland zu erwartenden Strafe abzuwägen. Insgesamt muss durch die Auslieferung (Übergabe) dem österreichischen Strafbedürfnis zur Aufrechterhaltung einer generalpräventiven Wirkung Genüge geschehen (vgl
Von diesen Prämissen ausgehend ist wie folgt zu erwägen:
Die dem gegenständlichen Strafvollzug zugrunde liegende Verurteilung erfolgte, weil A* teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit weiteren Mittätern im Zeitraum November und Dezember 2022 sowie Februar 2023 mittels Vorschlaghammer bzw Axt Einbrüche in Juweliergeschäfte vornahm bzw am Diebstahl auf einen Geldboten mitwirkte. Dem Akteninhalt zufolge beging A* diese Taten mit einem Gesamtbeute von mehr als 180.000 Euro trotz zahlreicher massiver und einschlägiger Vorstrafen, wobei er ausschließlich zum Zwecke der Begehung dieser Straftaten nach Österreich einreiste.
Im Hinblick auf diese konkreten Umstände haben die verurteilten Diebstahlsangriffe einen sehr hohen sozialen Störwert, sodass fallbezogen generalpräventiven Aspekten tatsächlich erhebliches Gewicht zukommt, zumal potentiellen Delinquenten im Milieu und Lebenskreis des Beschwerdeführers die Unverhältnismäßigkeit zwischen der erwarteten kriminellen Beute und der strafrechtlichen Reaktion auf derartige sozial unerwünschte Delinquenz wirksam aufgezeigt werden muss. Ein Vorgehen nach § 4 StVG ist daher gegenwärtig auch mit Blick auf die im Ausland konkret drohenden Strafen außer Reichweite, da mit der Verbüßung nur der Hälfte der Freiheitsstrafe dem österreichischen Strafbedürfnis zur Aufrechterhaltung einer generalpräventiven Wirkung nicht Genüge getan wird. Daran ändern auch die in der Beschwerde vorgebrachten Relativierungen seiner Vorstrafen (siehe dazu im Übrigen BS 3) und sein Vorbringen zu den in Tschechien und in Deutschland bevorstehenden Strafen nichts.
Der Beschwerde ist daher ein Erfolg zu versagen.
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