JudikaturOLG Wien

16R99/24g – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
20. Februar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Sonntag als Vorsitzenden sowie die Richterinnen des Oberlandesgerichtes Mag. Ingemarsson und Mag. Janschitz in der Rechtssache der klagenden Partei A* KG , FN **, **, vertreten durch Oberlojer Rechtsanwält:innen GmbH in Wien, wider die beklagte Partei B* C* , **, **, vertreten durch Felfernig Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen Unterfertigung von Einreichplänen (EUR 35.000), über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 26.4.2024, **, gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

I. Der Antrag der klagenden auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung wird zurückgewiesen.

II. Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 3.662,52 (darin enthalten EUR 610,42 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt   EUR 30.000.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Text

Die Streitteile sind Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ **, Katastralgemeinde **, Bezirksgericht Leopoldstadt, mit der Liegenschaftsadresse ** (in Folge kurz: Liegenschaft).

Die Klägerin vermietet die im 4. OG der gegenständlichen Liegenschaft gelegenen Eigentumsobjekte Top 18 bis

24, die im Dachgeschoss 1 gelegenen Top 25 bis 30 und die im Dachgeschoss 2 gelegenen Top 31 bis 32 für touristische Zwecke.

Die (hier) Beklagte klagte ua vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen zu GZ D* die (hier) Klägerin auf Unterlassung dieser Vermietung. Im Verhandlungsprotokoll zur mündlichen Streitverhandlung am 1.9.2021 wurde dort festgehalten:

Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin ausführt, dass sie persönlich, weil sie die Top 12 selbst bewohnt, durch die Kurzvermietungen von Beklagtenseite beeinträchtigt ist und zwar konkret durch vermehrten Lärm, vermehrte Verschmutzung, Angst vor ständig wechselnden hausfremden Personen. Die beklagten Parteien bieten daraufhin an, zur Abgeltung des vergangenen und des zukünftigen Unbills bis einschließlich Ende September 2031, der Klägerin einen pauschalen Schadenersatz in der Höhe von EUR 150.000, zahlbar in jährlichen Raten zu EUR 15.000, jeweils fällig am 1.10. eines jeden Jahres, die erste Rate am 01.10.2021, die letzte am 1.10.2030. Die Parteien einigen sich weiters, das für den Fall, dass innerhalb der 10-Jahres-Frist die Klägerin die Wohnung an jemand anderen verkauft, diesen die vergleichsgegenständliche Verpflichtung überbunden wird, die Zahlungen durch die beklagten Parteien aber nach wie vor an die Klägerin zu leisten sind.“

Die Parteien schlossen daraufhin in dieser Streitverhandlung einen gerichtlichen Vergleich mit ua nachstehendem Inhalt:

„1) Die beklagten Parteien verpflichten sich, der klagenden Partei an ein noch bekannt zu gebendes Konto EUR 150.000, — als pauschalierten Schadenersatz in jährlichen Raten zu bezahlen und zwar: Die erste Rate am 01.10.2021, die Folgeraten jeweils am 01.10. der Folgejahre (die letzte Rate sohin am 01.10.2030).

2) Die klagende Partei verzichtet auf die Geltendmachung der Ansprüche wie klagsgegenständlich.

3) Die Streitteile verpflichten sich, die wechselseitigen Verpflichtungen laut Punkt 1.) und 2.) auf allfällige Rechtsnachfolger zu überbinden. […]

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage vom 18.7.2023 der Beklagten als Eigentümerin von 175/3.549 Anteilen an der Liegenschaft aufzutragen, zwei in der Klage näher bezeichnete Einreichpläne in fünffacher Ausführung zu unterfertigen sowie sämtliche erforderlichen Unterschriften zu leisten, die für die Umwidmung der im gegenständlichen Haus im 4. OG gelegenen Top 18 bis 24, der im Dachgeschoss 1 gelegenen Top 25 bis 30 und der im Dachgeschoss 2 gelegenen Top 31 bis 32 in einen Beherbergungsbetrieb erforderlich sind.

Basierend auf dem vor dem Landesgericht für ZRS Wien zu D* geführten Verfahren - insbesondere dem in diesem Verfahren abgeschlossenen Vergleich - habe sich die Beklagte unmissverständlich auch zur Mitwirkung an der Umwidmung bzw Unterzeichnung der Einreichunterlagen verpflichtet. Die Möglichkeit zur Nutzung der gegenständlichen Objekte als Apartments diene unmissverständlich als Grundlage für den abgeschlossenen Vergleich. Ein Abschluss des gerichtlichen Vergleichs in der vorliegenden Form wäre bei Nichtvorliegen der Nutzungsmöglichkeit als Apartments erkennbar für beide Parteien jedenfalls nicht abgeschlossen worden. Beide Parteien seien bei Abschluss des Vergleiches davon ausgegangen, dass die von der Klägerin vermieteten Objekte weiterhin als Beherbergungsbetrieb genützt werden würden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der zwischen den Parteien geschlossene Vergleich sei dahingehend zu verstehen, dass die Beklagte damit auf die Geltendmachung der Unterlassungsansprüche für den Zeitraum von 10 Jahre verzichtet habe. Die Zahlungen würden entfallen, wenn die Klägerin ihre Vermietung für touristische Zwecke einstelle. Das Klagebegehren laute auf Zustimmung und Unterfertigung von Plänen für die Errichtung eines Beherbergungsbetriebs. Der gerichtliche Vergleich betreffe hingegen die Kurzzeitvermietung der Wohnungseigentumsobjekte zu touristischen Zwecken.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Neben dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt, stellte das Erstgericht noch fest:

Die gegenständlichen Vergleichsgespräche wurden zwischen E* C* als Bevollmächtigte der hier Beklagten und F* als Bevollmächtigten der hier klagenden Partei geführt, wobei bei diesen weder besprochen wurde, dass von der Beklagten alles Notwendige für die Herstellung des Baukonsenses zu tun sei, noch waren Einreichpläne ein Thema. Vielmehr sollte der aus dem Vergleich ersichtliche Schadenersatz als Ausgleich für die erlittene Unbill für die kurzfristige touristische Vermietung für einen Zeitraum von weiteren 10 Jahren gelten und die Beklagte stimmte der weiteren touristischen Vermietung der Objekte Top 18 bis 32 auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft für diesen Zeitraum zu.“

Ausgehend von den getroffenen Feststellungen kam es rechtlich zum Ergebnis, dass sich aus dem Vergleich keine Verpflichtung der Beklagten, die Einreichpläne zu unterfertigen, ergebe. Auch sei damit nicht eine Mitwirkung zur Herstellung eines Baukonsenses für einen Beherbergungsbetrieb zwischen den Streitteilen vereinbart worden. Dies würde schließlich auf eine unbefristete Berechtigung zum Betrieb eines Beherbergungsbetriebs in den Wohnungseigentumsobjekten hinauslaufen, was über den Inhalt des Vergleichs hinausgehe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (einschließlich sekundärer Feststellungsmängel) mit dem Antrag, eine Berufungsverhandlung anzuberaumen und das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, dass der Klage vollinhaltlich stattgegeben werde; in eventu die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

Zu I.: Eine mündliche Berufungsverhandlung ist nur anzuberaumen, wenn der Berufungssenat dies im einzelnen Fall für erforderlich hält (§ 480 Abs 1 ZPO). Das Berufungsgericht hält keine Beweiswiederholung, Beweisergänzung oder Erörterung des Vorbringens für erforderlich und entscheidet über die Berufung daher in nichtöffentlicher Sitzung. Ein Antragsrecht der Parteien auf Durchführung einer Berufungsverhandlung besteht nicht ( Klauser / Kodek , JN–ZPO 18 § 480 ZPO E 10).

Zu II.:

1. Zur Rechtsrüge:

1.1. Die Klägerin führt ins Treffen, dass sich die Verpflichtung der Beklagten zur Unterzeichnung der Einreichpläne aus dem gerichtlichen Vergleich ergebe. Es sei schließlich der übereinstimmende Parteiwille gewesen, dass die Klägerin die hier gegenständlichen Wohnungseigentumsobjekte weiter zu touristischen Zwecken vermieten werde können.

1.2. Nach ständiger Rechtsprechung gilt die Auslegungsregel des § 914 ABGB auch für den gerichtlichen Vergleich. Dieser ist so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Das bedeutet, dass nicht der Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung allein maßgebend ist, sondern der Wille beider Parteien erforscht werden muss (1 Ob 157/01x mwN).

Der übereinstimmende Parteiwille entscheidet, was die Streitteile als Gegenstand der Streitbereinigung angenommen haben (RS0017954). Es gelten die Grundsätze der Vertrauenstheorie, sodass Vergleiche nach den allgemeinen Regeln auszulegen sind. Entscheidend für das Verständnis der wechselseitigen Erklärungen ist deren objektiver Erklärungswert (2 Ob 70/11z mwN).

Unstrittig blieb, dass die Klägerin das Vergleichsanbot stellte, nachdem die Beklagte die für sie nachteiligen Folgen der Vermietung in der Streitverhandlung am 21.9.2021 darlegte. Im vorliegenden Fall verzichtete die Beklagte nach dem klaren Wortlaut des Vergleichs auf die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs und erhielt dafür im Gegenzug insgesamt EUR 150.000 an pauschaliertem Schadenersatz für das bis 30.9.2031 durch die Kurzzeitvermietung erlittene Ungemach.

Auch wenn die Parteien bei Vertragsabschluss von einer Weiternutzung der Appartements zur Kurzzeitvermietung zu touristischen Zwecken oder im Rahmen eines Beherbergungsbetriebs wie bisher ausgegangen sind, kann aus dem Wortlaut des Vergleichs nicht auf eine Verpflichtung der Beklagten zur Mitwirkung zur Umwidmung oder zur Unterfertigung der klagsgegenständlichen Einreichpläne geschlossen werden. Es steht auch kein von der schriftlichen Vereinbarung abweichender Wille der Vertragsparteien fest. Im Zuge der Vergleichsgespräche zwischen den Streitteilen wurden die Zustimmung zu einem Baukonsens oder die Unterfertigung von Einreichsplänen gar nicht thematisiert. Durch den im Vergleich festgelegten pauschalierten Schadenersatz sollte lediglich ein Ausgleich für den der Beklagten bis 30.9.2031 durch die touristische Kurzzeitvermietung der Objekte erstandenen und entstehenden Unbill geschaffen werden, wobei die Beklagte bis 30.9.2031 der weiteren Verwendung der Objekte (wie bisher) durch die Klägerin zustimmte. Eine (baubehördliche) Zustimmung zur Errichtung eines Beherbergungsbetriebs (noch dazu teilweise in Räumlichkeiten die vom ursprünglichen Unterlassungsbegehren der Klägerin gar nicht erfasst waren) war damit nicht Inhalt der Vergleichsgespräche.

1.3.1. Die Feststellungsgrundlage ist nur dann mangelhaft, wenn Tatsachen fehlen, die für die rechtliche Beurteilung wesentlich sind und dies Umstände betrifft, die nach dem Vorbringen der Parteien und den Ergebnissen des Verfahrens zu prüfen waren (RS0053317). Werden aber zu einem bestimmten Thema (positive oder negative) Feststellungen getroffen, so ist es ein Akt der Beweiswürdigung, wenn die vom Rechtsmittelwerber gewünschten (abweichenden) Feststellungen nicht getroffen werden (RS0053317 [T 3]).

1.3.2. Sowohl die Klägerin als auch die Beklagte monieren sekundäre Feststellungsmängel. Solche liegen aber nicht vor.

Soweit die Klägerin an mehren Stellen in der Berufung rügt, dass das Erstgericht keine Feststellung zur (tatsächlichen) Vermietung im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses getroffen habe, ist dem zu entgegnen, dass der Umstand, dass die Klägerin die betreffenden Wohnungseigentumsobjekte zu touristischen Zwecken (somit auch bereits zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses) vermietete, unstrittig war. Ob dies im Rahmen eines Beherbergungsbetriebs erfolgte oder ob sie zu touristischen Zwecken vermietet wurden, führt aber – wie oben dargelegt - zu keinem anderen Ergebnis.

Soweit die Klägerin ins Treffen führt, dass sie ohnehin aus dem Titel des Vergleichs zur Rückwidmung der Objekte nach Ablauf des im Vergleich festgelegten Zeitraums verpflichtet sei und die weitere Feststellung begehrt, dass sich die Klägerin im Vergleich verpflichtet habe, die klagsgegenständlichen Objekte nach Ablauf der 10 Jahre wieder zu Wohnungen zu widmen, stehen dem der eindeutige Wortlaut des Vergleichs, dessen Auslegung im vorliegenden Fall eine Rechtsfrage ist (vgl              8 Ob 122/18a), sowie die Feststellungen zum Inhalt der davor geführten Vergleichsgespräche entgegen.

Auch die von der Beklagten gerügten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor. Das Erstgericht hat sowohl Feststellungen zum Inhalt der Vergleichsgespräche, als auch zum Inhalt des Vergleichs getroffen. Das Erstgericht hat zudem – für das vorliegende Verfahren aber ohnehin nicht von rechtlicher Relevanz - festgestellt, dass der Einreichplan Nr. 01/02 zusätzliche Maßnahmen im Erdgeschoss und im 1. bis 3. Obergeschoss betrifft (vgl ON 22,2).

Zusammenfassend ist auszuführen, dass die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts nicht zu beanstanden ist. Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.

2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

3. Die Bewertung des Streitgegenstands folgt der unbedenklichen Bewertung durch die Klägerin.

4. Die Revision war gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen, weil keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung vorliegt. Der Auslegung eines Vergleichs kommt im Regelfall keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (vgl RS0044298 [T 61]).