13R9/25a – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Häckel als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Reden und Mag. Wieser in der Rechtssache der klagenden Partei A* AG , **, vertreten durch die Biedermann Belihart Rechtsanwälte OG in Wien, wider die beklagte Partei B* , geb. **, **, wegen EUR 7.000,-- sA, hier wegen Verhängung einer Mutwillensstrafe, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 10.1.2025, **-5, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos aufgehoben .
Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrt mit der durch ihre Rechtsvertreterin eingebrachten Mahnklage von der Beklagten die Zahlung eines Teilbetrags von EUR 7.000,-- eines mit insgesamt EUR 15.095,21 aushaftenden Kredits samt Zinsen sowie als Nebenforderung geltend gemachte Kosten für die Beiziehung eines Inkassoinstituts iHv EUR 2.113,08.
Zu diesen Kosten brachte sie vor:
„ Inkassoinstitute sind nach § 118 GewO zur Einziehung einer fremden Forderung grundsätzlich berechtigt. Es besteht keine zwingende gesetzliche Bestimmung, die eine sofortige Beauftragung eines Rechtsanwalts vorschreibt. Eine exakte Beurteilung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlicher Betreibungsschritte ist unmöglich. Das Inkassoinstitut ist bloßer Dienstleister und kann natürlich nicht für die Einbringung der Forderungen garantieren. In diesem Sinne, wie soll bitte die klagende Partei beurteilen, ob (ex ante) das Inkassoinstitut erfolgreich sein wird?!
Die Leistungen des Inkassobüros wurden im Rahmen der einschlägigen 141. Verordnung des BMW vom 27.3.1996 (valorisiert) verrechnet.
Zur Verhältnismäßigkeit der Höhe der Inkassokosten zur Höhe der Klagsforderung wird auf den gesamten noch aushaftenden Darlehensbetrag von EUR 15.095,21 hingewiesen.
Zur Rechtsansicht des Gerichts auf Nachweis der bezahlten Inkassokosten erlauben wir uns auf 4 Ob 139/16v vom 12.7.2016 hinzuweisen.
Fortsetzung Feldgruppe 10 – Beschreibung und Höhe des Anspruchs:
Hinsichtlich der unter Position 10 bezeichneten Inkassospesen besteht mit dem Schuldner die Vereinbarung die aufgelaufenen Inkassokosten zu bezahlen und werden diese zusätzlich aus dem Titel des Schadenersatzes geltend gemacht.
Aufschlüsselung der Inkassospesen:
Bearbeitungsgebühr EUR 1.455,48
Evidenzhaltungsgebühr EUR 153,60
Mahngebühr (27.2.2024) EUR 96
Erhebungsschreiben (3.4.2024) EUR 102
Telefoninkasso kombiniert mit Erhebungsschreiben (23.4.2024) EUR 102
Ratenanbotsbrief (14.5.2024)EUR 102
Folgemahnung (2.6.2024) EUR 102
Adressausforschung EUR 0
Die Kosten verstehen sich incl. USt.“
Mit Beschluss vom 16.12.2024 (ON 2) erteilte das Erstgericht der Klägerin den Auftrag, die Klage binnen 14 Tagen dahin zu verbessern, dass
(1.) anzugeben sei, aus welchen im vorliegenden Einzelfall liegenden individuellen Gründen die Beauftragung eines Inkassounternehmens nötig gewesen sei und
(2.) zu begründen, weshalb die geltend gemachten Betreibungskosten in einem angemessenen Verhältnis zur Hauptforderung stünden.
Weiters kündigte das Erstgericht seine Absicht an, nach § 245 Abs 1 ZPO vorzugehen, sollte dem Verbesserungsauftrag nicht vollständig nachgekommen werden; der Klägerin wurde dazu die Möglichkeit einer Äußerung binnen 14 Tagen eingeräumt.
Am 20.12.2024 brachte die Klagevertreterin die Mahnklage, eingeschränkt um die begehrten Inkassokosten, verbessert ein (ON 3); auf die im Verbesserungsauftrag genannten Punkte ging sie dabei nicht ein.
Mit Beschluss vom selben Tag (ON 4) erließ das Erstgericht den bedingten Zahlungsbefehl über die verbesserte (eingeschränkte) Mahnklage und fasste weiters den angefochtenen Beschluss,mit dem es über die Klägerin gemäß § 245 ZPO eine Mutwillensstrafe von EUR 1.000,-- verhängte. Zur Begründung führte es aus, dass die Klägerin, vertreten durch die angeführte Klagevertreterin, schon seit längerem eine Vielzahl (viele Hundert pro Jahr) an Mahnklagen beim Erstgericht einbringe und jedes Mal auch Inkassokosten begehre, die sie mit dem wiedergegebenen, niemals auf den konkreten Einzelfall bezogenen Vorbringen begründe. Teilweise würden diese Zahlungsbefehle ungeprüft in diesem Sinn erlassen, teilweise würden mangels ausreichendem Vorbringen Verbesserungsaufträge zur Frage der Zweckmäßigkeit, Notwendigkeit und Angemessenheit der begehrten Inkassokosten ergehen. Der Klägerin sei daher bekannt, dass von ihr immer wieder konkretes Vorbringen zu den Anspruchsvoraussetzungen der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit sowie der Verhältnismäßigkeit der Inkassokosten verlangt werde und sie dieses nicht erbringen könne, weshalb sie die Klagsforderungen in diesen Fällen – mittlerweile - regelmäßig um die Inkassokosten einschränke. Die Klägerin wisse auch, dass das Erstgericht bei Missachtung der Verbesserungsaufträge keine Zahlungsbefehle erlasse, sondern den Beklagten die Beantwortung der Klage auftrage und bei Nichterstattung einer Klagebeantwortung ein Versäumungsurteil nur hinsichtlich des Kapitals erlasse und die begehrten Inkassokosten zur Gänze abweise. Ihr sei bewusst, dass sie unter Anwendung der in den Verbesserungsaufträgen zitierten Judikatur keinen Anspruch auf die geltend gemachten Inkassokosten habe, weil sie auch genau wisse, dass sie die im Verbesserungsauftrag gestellten Fragen nicht beantworten und kein auf den Einzelfall bezogenes Vorbringen dazu erstatten könne.
Beispielhaft aufgezählt wurden in der Folge zahlreiche Verfahren aus 2024, in denen gegen die Abweisung von Inkassokosten im Versäumungsurteil keine Anfechtung stattfand sowie in denen infolge eines Verbesserungsauftrags eine Einschränkung um die Inkassokosten kommentarlos oder unter Berufung auf ein entsprechendes „Pouvoir“ erfolgte.
Das Verhalten der Klägerin habe dahingehend System, dass sie mit jeder neu eingebrachten Mahnklage versuche, einen Zahlungsbefehl auch hinsichtlich der Inkassokosten zu erlangen, und zwar im Bewusstsein, dass sie bei einem entsprechenden Verbesserungsauftrag diesem nicht Folge leisten könne und deshalb ausschließlich in diesen Fällen entweder die Inkassokosten wieder fallen lasse oder ein diese abweisendes Urteil nicht bekämpfe. Ihr sei auch bewusst, dass nicht alle Richter des Erstgerichts Verbesserungsaufträge erteilen, sondern manche Richter Zahlungsbefehle auch über die Inkassokosten erlassen würden.
Hinsichtlich der kommentarlos eingeschränkten Inkassokosten sei die versuchte Erschleichung eines Zahlungsbefehls evident. Der dafür (nur) erforderliche Eventualvorsatz der Klägerin liege vor, weil sie in voller Kenntnis ihrer Behauptungs- und Beweislast kein geeignetes Vorbringen zu den Anspruchsvoraussetzungen der von ihr begehrten Inkassokosten erstattet habe in der Hoffnung, die Mahnklage werde in einer Gerichtsabteilung anfallen, in der die Inkassokosten vor Erlassung des Zahlungsbefehls nicht näher geprüft würden. Es liege somit der Versuch einer Erschleichung vor, der mit einer Mutwillensstrafe zu sanktionieren sei. Strafbar sei nach dem Gesetzeswortlaut nur die Partei und nicht ihr Vertreter. Aus general- wie auch spezialpräventiven Gründen im Hinblick auf die von der Klägerin eingeleiteten mehreren hundert Verfahren pro Jahr und die Höhe der zu erschleichenden Inkassokosten, die teilweise mehr als 50 % des eingeklagten Kapitals betragen, müsse eine spürbare Mutwillensstrafe über sie verhängt werden.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss ersatzlos zu beheben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs, der in diesem Verfahrensstadium einseitig ist, ist berechtigt.
1.1.Das Gericht hat nach § 245 Abs 1 ZPO eine Mutwillensstrafe von mindestens EUR 100,-- über eine Partei zu verhängen, die durch unrichtige oder unvollständige Angaben in der Klage die Erlassung eines bedingten Zahlungsbefehls über eine oder mehrere Forderungen samt Zinsen oder bestimmter Kosten erschlichen oder zu erschleichen versucht hat, insbesondere durch die Geltendmachung einer Nebenforderung im Sinne des § 54 Abs 2 JN als Teil der Hauptforderung, ohne dies gesondert anzuführen.
§ 245 ZPO soll damit die Einhaltung der bestehenden Gliederungsvorschriften über die Geltendmachung von Zinsen und Kosten sicherstellen, wobei das Erfordernis der gesonderten Anführung von Nebengebühren nicht nur der Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs dient, sondern auch der Ermöglichung der Überprüfung der Angemessenheit des Betreibungsaufwands im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung, der Überprüfung (der Plausibilität) der tatsächlichen Richtigkeit der entsprechenden Angaben bei der Prüfung nach § 245 ZPO und nicht zuletzt der Erhöhung des „Auffälligkeitswerts“ für den Beklagten, sodass dieser in die Lage versetzt wird, gegebenenfalls einen Teileinspruch zu erheben. Die Aufschlüsselung ist daher sowohl für die gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit als auch für die Information des Schuldners, der ja gegebenenfalls einen Teileinspruch erheben kann, erforderlich. Ein Verstoß gegen die Gliederungsvorschriften rechtfertigt eine Mutwillensstrafe ( G. Kodek in Fasching/Konecny 3§ 245 ZPO Rz 5 ff).
1.2. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die Klägerin in der ursprünglichen Mahnklage die Inkassokosten korrekt gesondert als Nebenforderung ausgewiesen und sie betragsmäßig auch aufgeschlüsselt hat, sodass nicht von einer Verschleierung der Kosten – indem sie etwa als Teil der Hauptforderung geltend gemacht worden wären - auszugehen ist. Zur Verhältnismäßigkeit hat sie die Höhe der Inkassokosten in Relation zur gesamten aushaftenden Forderung gesetzt. Vor diesem Hintergrund ist Punkt 2. des Verbesserungsauftrags des Erstgerichts („Es ist zu begründen, weshalb die geltend gemachten Betreibungskosten in einem angemessenen Verhältnis zur Hauptforderung stehen“) auch nicht nachvollziehbar, weil die Mahnklage diese Begründung bereits enthält. Zudem hat die Klägerin vorgebracht, die Geltendmachung der Inkassokosten stütze sich auch auf eine Vereinbarung mit der Beklagten, nach der diese die Kosten zu zahlen habe, sowie auf Schadenersatz.
Ein Verstoß gegen die Gliederungsvorschriften liegt damit nicht vor.
1.3. Auch bei – wie hier - ordnungsgemäßer Anführung der im Klagsbetrag enthaltenen Nebengebühren kommt eine Mutwillensstrafe in Betracht, wenn die diesbezüglichen Behauptungen zwar formell ordnungsgemäß, aber inhaltlich unrichtig bzw unvollständig sind ( G. Kodek aaO Rz 8).
Die Verhängung einer Mutwillensstrafe setzt dabei voraus, dass die Erschleichung bzw der – ebenfalls strafbare - Versuch einer Erschleichung eines Zahlungsbefehls erwiesen ist. Sowohl objektive als auch subjektive Tatseite müssen erfüllt sein ( Kellner in Kodek/Oberhammer , ZPO-ON § 245 Rz 5). Das Gericht kann dabei beispielsweise auf die Erfahrungen mit dem Kläger in vergleichbaren Verfahren zurückgreifen ( Klauser/Kodek , JN-ZPO 18§ 245 ZPO E 2).
1.4. Der bloße Umstand, dass in einer Mahnklage hohe, aber aufgeschlüsselte Inkassokosten geltend gemacht werden, rechtfertigt - auch wenn dies nach dem amtlichen Wissen des Richters in mehreren Verfahren geschieht – jedoch noch nicht die Verhängung einer Mutwillensstrafe (vgl OLG Wien 16 R 226/10p [unveröffentlicht]). Gleiches gilt - wie bereits in den jüngst ergangenen Entscheidungen 16 R 3/25s und 10 R 3/25x ausgeführt wurde - nach Ansicht des Rekursgerichts für den Umstand, dass die Klägerin nach Erteilung des Verbesserungsauftrags das Klagebegehren um die Inkassokosten eingeschränkt hat. Beides reicht nicht dazu aus, eine Erschleichung des Zahlungsbefehls oder deren Versuch als erwiesen anzunehmen: Wie das Erstgericht selbst zugesteht, erteilen nicht alle Richter Verbesserungsaufträge. Das bedeutet entgegen den Ausführungen des Erstgerichts aber nicht zwangsläufig, dass diejenigen Richter, die keine Verbesserungsaufträge erlassen, Zahlungsbefehle „ungeprüft“ erlassen würden, was im Übrigen gesetzwidrig wäre (vgl G. KodekaaO § 244 ZPO Rz 27 ff).
Möglich ist auch, dass einzelne Richter die Angaben in der Mahnklage hinsichtlich der Angemessenheit und Notwendigkeit der Mahnspesen als ausreichend für die Erlassung eines bedingten Zahlungsbefehls erachten.
Gerade aufgrund dieser unterschiedlichen Vorgangsweisen von Richtern des Erstgerichts musste der Klägerin nicht bewusst sein, dass ihr die Inkassokosten nicht zustehen. Dass sie nach Erteilung des Verbesserungsauftrags auf deren weitere Geltendmachung verzichtet hat, stellt ebenfalls nicht zwingend ein Eingeständnis dar, dass ihr die Inkassokosten von Anfang an nicht zugestanden wären (oder sie dies zumindest ernstlich für möglich halten musste). Durchaus denkbar ist auch, dass sie auf deren Geltendmachung verzichtet hat, um sich eine weitere – zeitintensive – Auseinandersetzung mit dem Erstgericht zu ersparen.
Ist aber die Unrichtigkeit und Unvollständigkeit der Klagsangaben nicht erwiesen, kommt die Verhängung einer Mutwillensstrafe wie dargelegt nicht in Betracht.
2. Da schon aus diesem Grund der Beschluss über die Verhängung der Mutwillensstrafe ersatzlos aufzuheben ist, kommt es auf die Frage, ob die Partei überhaupt für das Verhalten ihres Rechtsanwalts bestraft werden kann (dafür: EFSlg 85.309; kritisch G. Kodek aaO § 245 Rz 12; ablehnend Kellner aaO Rz 6) nicht maßgeblich an; sie kann daher dahingestellt bleiben.
3. Im Verfahren über die Verhängung einer Mutwillensstrafe kommt ein Kostenersatz – auch im Rechtsmittelverfahren - nicht in Betracht ( Fucik in Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 245 Rz 6; Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.83; Ziehensack in Höllwerth/Ziehensack , ZPO-Taschenkommentar § 245 Rz 4).
4.Zwar handelt es sich bei der vorliegenden Entscheidung um eine abändernde und nicht um eine aufhebende Entscheidung iSd § 527 Abs 2 ZPO (vgl OLG Wien 7 Ra 142/05m), dennoch ist der Revisionsrekurs in der vorliegenden Konstellation jedenfalls unzulässig: Die Beklagte ist am Verfahren bislang nicht beteiligt und daher zur Erhebung eines Rechtsmittels nicht legitimiert (vgl RS0039200). Die Klägerin, die mit ihrem Rekurs vollständig erfolgreich war, ist durch die vorliegende Entscheidung nicht beschwert, weshalb ein von ihr erhobenes Rechtsmittel zurückzuweisen wäre (vgl RS0006880 ua).