3R5/25i – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Iby als Vorsitzenden, die Richterin MMag. a Pichler und den Richter Mag. Resetarits in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, vertreten durch Allmayer-Beck Stockert Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei B* ENC, Eintragungsnummer **, **, Malta, vertreten durch BK.PARTNERS Bugelnig Kirner Rechtsanwälte OG in Wien, zuletzt wegen Kosten, über den Rekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse EUR 2.636,--) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30.9.2024, **-13, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschl uss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Kostenentscheidung wird abgeändert, sodass sie lautet:
„ Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen der Klagevertreterin die mit EUR 1.433,67 (darin enthalten EUR 183,11 USt und EUR 335,-- Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen. “
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 336,82 (darin enthalten EUR 56,14 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu Handen der Klagevertreterin zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Die beklagte Partei bietet über ihre deutschsprachige Internetseite ** Online-Glücksspiele (Casinospiele) in Österreich an. Der Kläger verfügt(e) über ein Konto auf der Website der Beklagten.
Mit E-Mail vom 18.4.2024 übermittelte der Klagevertreter ein E-Mail an die Beklagte mit der Aufforderung, Auskunft über sämtliche Ein- und Auszahlungen zu geben, die der Kläger bei der Beklagten gehabt hat, sowie sämtliche Gewinne und Verluste, welche der Kläger bei Sportwetten erlitten hat, bekannt zu geben und Rechnung über den gesamten Zeitraum zu legen, in dem der Kläger Konten bei der Beklagten hatte. Außerdem forderte der Klagevertreter die Beklagte auf, eine Kopie sämtlicher Daten des Klägers, die Gegenstand der Verarbeitung durch die Beklagte waren, digital zu übermitteln.
Zusammen mit dieser Aufforderung übermittelte der Kläger der Beklagten auch eine Kopie seines Führerscheins mit darauf ersichtlicher Unterschrift, wobei der Name des Klägers ausgeschrieben ist, sowie ein Vollmachtsformular vom 8.4.2024, versehen mit der Unterschrift des Klägers, bestehend aus zwei nicht lesbaren Zeichen beziehungsweise Buchstaben. In diesem Formular wird die Klagevertreterin bevollmächtigt, im Namen des Klägers Verluste aus dem Online-Casino gerichtlich geltend zu machen. Das Vollmachtsformular selbst enthält den Zusatz unter der Unterschriftszeile „handschriftlich“.
Am 21.4.2024 richtete die Beklagte folgendes E-Mail an die Klagevertreterin:
„ Bitte beachten Sie, dass die C* eine Holdinggesellschaft ist und keine Kundendaten aufbewahrt.
Können Sie bitte bestätigen, an welcher Gesellschaft(en) Sie Ihre Datenschutzanfrage richten, bzw. mit welcher Gesellschaft das Vertragsverhältnis zustande gekommen ist?
Wir bitten Sie, uns auch eine gültige Kopie der Vollmacht zu senden, damit wir diese Anfrage erfüllen können. Bitte beachten Sie, dass diese Vollmacht handschriftlich in Tinte von dem Kunden unterzeichnet sein muss, da wir keine elektronischen Unterschriften akzeptieren können.
Wenn Sie auf die E-Mail antworten, bitten wir Sie, so zu antworten, dass sämtliche früheren E-Mails und Korrespondenzen ersichtlich sind, damit wir Ihre Anfrage effizienter bearbeiten können.
Wir danken Ihnen im Voraus für Ihre Kooperation. “
Die Klagevertreterin beantwortete dieses Schreiben nicht, sondern brachte am 27.5.2024 die Klage ein.
Der Kläger begehrte mit Klage vom 27.5.2024 gestützt auf Art 15 DSGVO die digitale Übermittlung einer Kopie sämtlicher seiner Daten, die Gegenstand der Verarbeitung der Beklagten sind.
Aufgrund der Erfüllung des Klagebegehrens am 25.6.2024 durch die Beklagte schränkte er sein Klagebegehren auf Kosten ein. Die Beklagte könne sich jedoch nicht auf § 45 ZPO berufen, weil sie mit ihrem Verlangen nach einer Unterschrift des Vertretenen „handschriftlich in Tinte“ gegen den Erleichterungsgrundsatz des Art 12 Abs 2 DSGVO verstoßen habe. Die Beklagte habe vor Klagseinbringung ihre – behaupteten – begründeten Zweifel bezüglich der Übereinstimmung der Unterschriften nicht konkret dargelegt, sondern in ihrem standardisierten Schreiben nur pauschal darauf verwiesen, auf einer „handschriftlich in Tinte“ unterfertigten Vollmacht zu bestehen. Dies zeige eindeutig, dass es der Beklagten nur darum gehe, das Verfahren zu verzögern und den Kläger an der Geltendmachung seiner Ansprüche zu hindern.
Die Beklagtenerkannte in ihrer Klagebeantwortung den Klagsanspruch ausdrücklich an und verwies auf die mittlerweile erfolgte Erfüllung sowie auf § 45 ZPO. Sie habe keine Veranlassung zur Klage gegeben. Am 18.4.2024 habe sie eine Nachricht von der Klagevertreterin mit der Aufforderung zur Übermittlung von Daten erhalten, der jedoch keine rechtsgültige Vollmacht beigelegt gewesen sei. Die Beklagte habe der Klagevertreterin daraufhin unverzüglich, nämlich am 21.4.2024, mitgeteilt, dass sie personenbezogene Daten von Kunden an Dritte nur dann herausgeben könne, wenn eine rechtskonforme Vollmacht vorliege, insbesondere wenn nachvollziehbar sei, dass die Unterschrift auf der Vollmacht mit der Unterschrift der betroffenen Person auf einem Ausweisdokument übereinstimme. Die elektronische Signatur entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben und weiche zudem erheblich von der Unterschrift im Ausweisdokument ab. Der Kläger habe auf diese Nachricht der Beklagten nicht mehr reagiert, sondern unmittelbar die Klage eingebracht. Gegenüber privaten Personen müsse auch ein Rechtsanwalt seine Vollmacht urkundlich nachweisen.
Mit dem angefochtenen Urteil sprach das Erstgericht der Beklagten einen Kostenersatz von EUR 1.202,33 (darin enthalten EUR 183,41 USt) zu. Neben dem eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt traf es dazu die auf den Urteilsseiten 2 bis 4 ersichtlichen Feststellungen, auf die verwiesen wird.
Es bejahte die Anwendbarkeit des § 45 ZPO. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, weitere Urkunden zur Feststellung der Identität des Klägers zu verlangen, weil die Unterschriften auf der Vollmacht und der Ausweichkopie stark voneinander abweichen und sie daher deren Übereinstimmung berechtigt bezweifelt habe. Die Beklagte habe nicht davon ausgehen müssen, dass die Klagevertreterin, die viele Glücksspiel-Kläger vertrete, auch den Kläger vertrete und von ihm beauftragt und bevollmächtigt worden sei. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, eine etwaige unzulässige Herausgabe der Daten des Klägers zu verhindern.
Dagegen richtet sich der Kostenrekurs des Klägers aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, nicht der Beklagten sondern ihm einen Kostenersatz von EUR 1.433,67 (darin EUR 183,11 USt und EUR 335,-- Barauslagen) zuzusprechen.
Die Beklagte beantragt, dem Kostenrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
1.Die Voraussetzungen für einen Kostenzuspruch nach § 45 ZPO an die Beklagte sind, dass der mit der Klage erhobene Anspruch berechtigt ist und der Klage stattzugeben wäre, dass die Beklagte den Anspruch bei erster Gelegenheit vorbehaltlos anerkennt und bei Leistungsklagen überdies erfüllt, und schließlich, dass die Beklagte keinen Anlass zur Klagsführung gegeben hat ( Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.281; Schindler/Schmoliner in Kodek/Oberhammer , ZPO-ON § 45 Rz 2 ff; Fucik in Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 45 Rz 2 f).
Die ersten beiden Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht strittig; fraglich ist nur, ob die Beklagte Anlass zur Klagsführung gegeben hat. Einen solchen Anlass gibt man durch ein Verhalten, das vernünftigerweise den Schluss auf die Notwendigkeit eines Prozesses rechtfertigt ( Obermaier Kostenhandbuch 4Rz 1.282). Die Veranlassung zur Klagsführung hängt nicht von einem Verschulden ab (OLG Wien 33 R 162/23w = RW0001053). Die Behauptungslast dafür, dass er zur Klagsführung keinen Anlass gegeben hat, trifft den Beklagten. In aller Regel hat er die Klage dann nicht veranlasst, wenn er vom Kläger vorher nicht zu jenem Verhalten aufgefordert wurde, das dieser in der Folge zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat oder wenn ihm eine solche Aufforderung zwar zuging, es ihm aber bis zur Klageerhebung aus objektiven Gründen nicht möglich sein konnte, die Berechtigung des klägerischen Ansinnens zu überprüfen oder ihm nachzukommen ( M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3§ 45 ZPO Rz 2).
2. Die Beklagte vertritt den Standpunkt, sie habe den – an sich berechtigten – Anspruch des Klägers nicht erfüllen können, weil sie begründete Zweifel an der vorgelegten Vollmacht gehabt habe.
Bevor in Entsprechung des Auskunftsrechts der betroffenen Person nach Art 15 Abs 3 DSGVO personenbezogene Daten zur Verfügung gestellt werden, sollte der Verantwortliche alle vertretbaren Mittel nutzen, um die Identität einer auskunftssuchenden betroffenen Person zu überprüfen, insbesondere im Rahmen von Onlinediensten und im Falle von Onlinekennungen ( Feiler/Forgo, EU-DSGVO und DSG: Kommentar 2, Art 15 DSGVO Anmerkung 26). Hat der Verantwortliche begründete Zweifel an der Identität der natürlichen Person, die einen Antrag gemäß Art 15 bis 21 DSGVO stellt, so kann er zusätzliche Informationen anfordern, die zur Bestätigung der Identität erforderlich sind (Art 12 Abs 6 DSGVO). Diese Bestimmung ermöglicht aber keine routinemäßige Identitätsüberprüfung; ein Verantwortlicher darf bei der Erfüllung von Betroffenenrechten daher nicht generell die Vorlage eines Identitätsnachweises verlangen (BVwG W214 2228346-1), sondern nur dann, wenn er begründete und einzelfallbezogene Zweifel hat. Als geeignete Form des Identitätsnachweises wurde bei einem schriftlichen Auskunftsbegehren etwa die Beilage der Kopie eines amtlichen Lichtbildausweises angesehen; auch eine digitale Signatur ist ein ausreichender Nachweis der Identität ( Jahnel , DSGVO-Kommentar Art 12 Rz 13).
3. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist es der dafür beweispflichtigen (vgl Illibauer in Knyrim, DatKomm Art 12 DSGVO Rz 76) Beklagten nicht gelungen, darzulegen, dass sie berechtigterweise Zweifel an der Identität des Klägers haben durfte: Richtig ist zwar, dass sich ein einschreitender Rechtsanwalt gegenüber dem Verantwortlichen nicht gemäß § 8 Abs 1 RAO auf die erteilte Bevollmächtigung berufen kann, sondern diese urkundlich nachzuweisen hat (vgl Vitek in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO 11 § 8 Rz 6/1; Illibauer in Knyrim , DatKomm Art 12 DSGVO Rz 80). Die Klagevertreterin hat sich im vorliegenden Fall allerdings nicht auf die erteilte Vollmacht berufen, sondern eine schriftliche Vollmacht vorgelegt.
Wenngleich weiters richtig ist, dass nur eine qualifizierte elektronische Signatur der Schriftform des § 886 ABGB entspricht (vgl RS0126251), so ist für die Beklagte daraus schon deshalb nichts gewonnen, weil sie vorprozessual zu erkennen gab, überhaupt keine elektronischen – und damit auch keine qualifizierten – Unterschriften zu akzeptieren (vgl Beilage ./B).
Außerdem traten im vorliegenden Fall noch weitere Aspekte hinzu, die keine Zweifel an der Identität des Klägers und seiner Bevollmächtigung der Klagevertreterin aufkommen ließen: Zum einen war dem Antrag eine Ausweiskopie beigeschlossen, die bereits für sich genommen als Identitätsnachweis ausgereicht hätte. Zum anderen ist es gerichtsnotorisch, dass die Klagevertreterin und die Beklagte in regelmäßigem Kontakt über Auskunftsersuchen einzelner Kunden der Beklagten stehen. Der Beklagten war daher bekannt, dass die Klagevertreterin eine Rechtsanwaltskanzlei ist und dass sie Teilnehmer von Online-Glücksspielen vertritt. Im Hinblick auf die allgemein bekannte disziplinarrechtliche Verantwortlichkeit von Rechtsanwälten, die neben die strafrechtlichen Bestimmungen über die Urkundenfälschung tritt, bestand für die Beklagte somit kein nachvollziehbarer Grund, daran zu zweifeln, dass der Kläger die Klagevertreterin bevollmächtigt hatte oder gar anzunehmen, dass die vorgelegte Vollmacht ge- oder verfälscht sei.
4. Schließlich hat die Beklagte in ihrem E-Mail vom 21.4.2024 gegenüber der Klagevertreterin auch gar nicht behauptet, dass sie Zweifel an der Identität des Klägers oder an der Gültigkeit der Vollmacht habe. Sie hat weder auf die von ihr nun im Verfahren behaupteten Unterschiede in den Unterschriften des Klägers auf der Vollmacht und dem Führerschein hingewiesen noch darauf, dass die Vollmacht nicht qualifiziert elektronisch unterschrieben sei. Im Gegenteil hat sie ausgeführt, dass sie gar keine elektronischen Unterschriften – somit auch keine qualifizierte digitale Signatur – akzeptieren könne und die Vollmacht „in Tinte“ unterfertigt sein müsse. Ein solches nicht näher begründetes Vorgehen kommt aber einer routinemäßigen Identitätsprüfung gleich, welche die DSVGO gerade nicht vorsieht (siehe oben Punkt 2.).
Einem solchen unbegründeten Verlangen musste der Kläger daher nicht nachkommen.
5. Der Beklagten ist somit der ihr obliegende Nachweis, dass sie die Klagsführung nicht veranlasst hat, nicht gelungen. Dem Rekurs ist daher stattzugeben und die Kostenentscheidung des Erstgerichts zu Gunsten des Klägers abzuändern. Die Beklagte erhob keine Einwendungen gegen die Kostennote des Klägers (ON 8.4 S 3).
6.Die Kostenentscheidung des Rekursverfahrens gründet auf den §§ 41 und 50 ZPO.
7.Der Ausschluss des Revisionsrekurses nach § 528 Abs 2 Z 3 ZPO greift auch dann, wenn wie hier über ein auf Kosten eingeschränktes Klagebegehren zu entscheiden war (vgl G. Kodek in Kodek/OberhammerZPO-ON § 528 ZPO Rz 55; Musger in Fasching/Konecny 3§ 528 ZPO Rz 71). Der Revisionsrekurs ist daher jedenfalls unzulässig.