7Rs7/25p – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Glawischnig als Vorsitzende, die Richter Mag. Nigl und Mag. Derbolav-Arztmann sowie die Laienrichterinnen DI Beate Ebersdorfer und MinR Mag. Angela Weilguny in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, vertreten durch die Strohmayer Heihs Strohmayer Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt - Landesstelle * * , **, wegen Feststellung von Schwerarbeitszeiten, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 23. September 2024, **-14, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben .
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Berufung selbst zu tragen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil hatdas Erstgericht festgestellt, dass folgende von der klagenden Partei im Zeitraum 1.10.2004 bis 3.9.2021 erworbenen Versicherungsmonate Schwerarbeitsmonate gemäß § 4 Abs 4 APG iVm § 1 Abs 1 Z 1 Schwerarbeitsverordnung sind:
2007: Jänner, Februar, März, April, Mai, August, (6 Monate)
2008: Februar, April, Juli, September, November (5 Monate)
2011:Jänner, März, Juni, August, November (5 Monate)
2012: Jänner, März, April, Mai, Juli, August, Oktober, November (8 Monate)
2013: Februar, März, April , September, Oktober, November, Dezember (7 Monate)
2014: Jänner, Februar, August, September, Oktober, November (6 Monate)
2015: März, April, Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober (8 Monate)
2016: September, Oktober, November, Dezember (4 Monate)
2017: Jänner, Februar, April, Mai, Juni, August, September, Oktober, November, (9 Monate)
2018: Februar, März, Juli, Oktober, November (5 Monate)
2019: Februar, März, April, Juli, September, Oktober, November, Dezember (8 Monate)
2020: Jänner, Oktober, Dezember (3 Monate)
2021: Jänner , März, Mai, September, November (5 Monate)
2022: April, Juli, September,Oktober, November, Dezember (6 Monate)
2023: Jänner, Februar, März, April, Mai, Juni, September (7 Monate)
Das Mehrbegehren, es werde festgestellt, der Kläger habe auch in den Monaten September 2006, Oktober 2006, November 2006, Dezember 2006, Juni 2007, Juli 2007, September 2007, Oktober 2007, November 2007, Dezember 2007, Jänner 2008, März 2008, Mai 2008, Juni 2008, August 2008, Oktober 2008, Dezember 2008, Jänner 2009 bis Dezember 2010, Februar 2011, April 2011, Mai 2011, Juli 2011, September 2011, Oktober 2011, Dezember 2011, Februar 2012, Juni 2012, September 2012, Dezember 2012, Jänner 2013, Mai 2013, Juni 2013, Juli 2013, August 2013, März 2014, April 2014, Mai 2014, Juni 2014, Juli 2014, Dezember 2014, Jänner 2015, Februar 2015, November 2015, Dezember 2015, Jänner 2016 bis August 2016, März 2017, Juli 2017, Dezember 2017, Jänner 2018, April 2018, Mai 2018, Juni 2018, August 2018, September 2018, Dezember 2018, Jänner 2019, Mai 2019, Juni 2019, August 2019, Februar 2020 bis September 2020, November 2020, Februar 2021, April 2021, Juni 2021, Juli 2021, August 2021, Oktober 2021, Dezember 2021, Jänner 2022 bis März 2022, Mai 2022, Juni 2022, August 2022, Juli 2023, August 2023 Schwerarbeitsmonate erworben, wurde abgewiesen.
Es legte dieser Entscheidung die aus den Seiten 4 bis 8 des Urteils ersichtlichen Feststellungen zugrunde, auf die verwiesen wird. Zusammengefasst wird daraus hervorgehoben:
Der Kläger ist seit 2006 als Maschinenführer und Kantenbearbeiter bei der B* GmbH tätig. Er arbeitetet dabei im Wechsel-/Schichtbetrieb, und zwar normalerweise im 3-Schichtbetrieb. Wenn sehr viel Arbeit ist, gibt es ein 4-Schichtmodell oder 5-Schichtmodell.
Wenn der Kläger in der Nachtschicht eingeteilt war, arbeitete er jeweils mindestens sechs Stunden in der Zeit zwischen 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr. Nachtschichten gab es grundsätzlich von Montag bis Donnerstag. In einigen Wochen wurde jedoch auch am Sonntag bzw Freitag in der Nachtschicht gearbeitet.
Beim 3-Schichtmodell ist es so, dass der Kläger in einer Woche Frühschicht hat, dann in einer Woche Nachtschicht hat, dann in einer Woche Nachmittagsschicht hat. Beim 3-Schichtmodell wird am Samstag und Sonntag nicht gearbeitet.
Beim 5-Schichtmodell hat man 2 Tage Frühschicht, zwei Tage Nachmittagsschicht, 2 Tage Nachtschicht, dann drei Tage frei und dann fängt das ganze Rad wieder von vorne an.
Der Kläger hat/hätte in folgenden Monaten in der genannten Anzahl an Nachtschichten im obigen Sinn gearbeitet:
Juni 2007:
Der Kläger arbeitete am 18.6., 19.6., 20.6., 21.6. die Nachtschicht (4 Nachtschichten). Am 7.6. war Fronleichnam (Feiertag). An diesem Feiertag arbeitete der Kläger planmäßig nicht. Er hatte frei, ohne sich Urlaub nehmen zu müssen. Wäre kein Feiertag gewesen, hätte er an diesem Tag 1 Nachtschicht gearbeitet.
Mai 2008:
Der Kläger arbeitete am 19.5, 20.5. und 21.5. die Nachtschicht (3 Nachtschichten). Am 1.5. (Staatsfeiertag) und 22.5. (Fronleichnam) waren Feiertage. An diesen Feiertagen arbeitete der Kläger planmäßig nicht. Er hatte frei, ohne sich Urlaub nehmen zu müssen. Wären keine Feiertage gewesen, hätte er an diesen Tagen 2 Nachtschichten gearbeitet.
April 2011:
Der Kläger arbeitete am 26.4., 27.4. und 28.4. die Nachtschicht (3 Nachtschichten). Am 25.4. war Ostermontag (Feiertag). An diesem Feiertag arbeitete der Kläger planmäßig nicht. Er hatte frei, ohne sich Urlaub nehmen zu müssen. Wäre kein Feiertag gewesen, hätte er an diesem Tag 1 Nachtschicht gearbeitet.
Dezember 2011:
Der Kläger arbeitete am 12.12, 13.12, 14.12. und 15.12. die Nachtschicht (4 Nachtschichten). Am 8.12. (Maria Empfängnis) sowie 26.12. (2. Weihnachtsfeiertag) waren Feiertage. An diesen Tagen hätte der Kläger keine Nachtschichten gehabt.
Dezember 2012:
Der Kläger arbeitete am 3.12, 4.12, 5.12. und 6.12. die Nachtschicht (4 Nachtschichten). Am 24.12. arbeitete der Kläger nicht, am 25.12. und 26.12. (Weihnachtsfeiertage) waren Feiertage. Am 27.12. hatte der Kläger Urlaub. An den Feiertagen 25.12. und 26.12. arbeitete der Kläger planmäßig nicht. Er hatte frei, ohne sich Urlaub nehmen zu müssen. Wären keine Feiertage gewesen, hätte er an diesen Tagen Nachtschichten gearbeitet. Wäre der Kläger am 27.12. nicht auf Urlaub gewesen, hätte der Kläger an diesen Tagen 1 Nachtschicht gearbeitet.
Mai 2013:
Der Kläger arbeitete am 2.5. sowie am 21.5., 22.5, 23.5. die Nachtschicht (4 Nachtschichten). Am 1.5. (Staatsfeiertag) und 20.5. (Pfingstmontag) waren Feiertage. An diesem Feiertagen arbeitete der Kläger planmäßig nicht. Er hatte frei, ohne sich Urlaub nehmen zu müssen. Wären keine Feiertage gewesen, hätte er an diesen Tagen 2 Nachtschichten gearbeitet.
Mai 2019:
Der Kläger arbeitete am 20.5., 21.5, 22.5. und 23.5. die Nachtschicht (4 Nachtschichten). Am 2.5. hatte der Kläger Urlaub. Wenn der Kläger am 2.5. nicht Urlaub gehabt hätte, hätte er an diesem Tag 1 Nachtschicht gearbeitet. Am 1.5. (Staatsfeiertag) war Feiertag. An diesem Feiertag arbeitete der Kläger planmäßig nicht. Er hatte frei, ohne sich Urlaub nehmen zu müssen. Wäre kein Feiertag gewesen, hätte er an diesem Tag 1 Nachtschicht gearbeitet.
August 2019:
Der Kläger arbeitete am 12.8, 13.8., 14.8. die Nachtschicht (3 Nachtschichten). Am 15.8. (Maria Himmelfahrt) war ein Feiertag. An diesem Feiertag arbeitete der Kläger planmäßig nicht. Er hatte frei, ohne sich Urlaub nehmen zu müssen. Wäre kein Feiertag gewesen, hätte er an diesem Tag 1 Nachtschicht gearbeitet.
Juni 2020:
Der Kläger arbeitete am 2.6., 3.6.und 4.6. die Nachtschicht. Am 1.6. (Pfingstmontag) war ein Feiertag. An diesem Feiertag arbeitete der Kläger planmäßig nicht. Er hatte frei, ohne sich Urlaub nehmen zu müssen. Wäre kein Feiertag gewesen, hätte er an diesem Tag 1 Nachtschicht gearbeitet. Am 22.6., 23.6., 24.6., 25.6. arbeitete der Kläger nicht, er war in Kurzarbeit wegen Corona. Wäre der Kläger nicht in Kurzarbeit gewesen, hätte er an diesen Tagen 4 Nachtschichten gearbeitet.
Dezember 2021:
Der Kläger arbeitete am 6.12. und 7.12. sowie am 15.12. die Nachtschicht (3 Nachtschichten). Am 8.12. (Maria Empfängnis) war ein Feiertag. An diesem Feiertag arbeitete der Kläger planmäßig nicht. Er hatte frei, ohne sich Urlaub nehmen zu müssen. Wäre kein Feiertag gewesen, hätte er an diesem Tag 1 Nachtschicht gearbeitet. Am 16.12. war der Kläger krank. Wäre der Kläger nicht krank gewesen, hätte er an diesem Tag 1 Nachtschicht gearbeitet.
Am 24. 12. und 25.12. waren Weihnachtsfeiertage. An diesen Tagen wurde planmäßig nicht gearbeitet. Wäre kein Feiertag gewesen, hätte der Kläger an diesen Tagen 2 Nachtschichten gearbeitet.
Juni 2022:
Der Kläger arbeitete am 4.6., 5.6. sowie am 13.6. und 14.6. die Nachtschicht (4 Nachtschichten). Am 6.6. (Pfingstmontag) und 16.6. (Fronleichnam) war ein Feiertag. An diesen Feiertagen arbeitete der Kläger planmäßig nicht. Er hatte frei, ohne sich Urlaub nehmen zu müssen. Wäre kein Feiertag gewesen, hätte er an diesen Tagen auch keine Nachtschicht gearbeitet.
Rechtlich folgerte das Erstgericht zusammengefasst und soweit im Berufungsverfahren relevant, die in § 1 Abs 1 SchwerarbeitsV („Tätigkeiten, die geleistet werden“) und § 4 SchwerarbeitsV („Tätigkeiten … ausgeübt wurden“) verwendeten Formulierungen stellten auf die tatsächliche Erbringung von Tätigkeiten unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen ab.
Nach ständiger Rechtsprechung könnten jedoch auch Zeiten des Urlaubsverbrauchs Schwerarbeitszeiten begründen, wenn während des Urlaubs, wäre fiktiv gearbeitet worden, Schwerarbeit geleistet worden wäre. In diesem Sinn werde im Urlaubsrecht - insbesondere in Bezug auf das Urlaubsentgelt (§ 6 UrlG) - fingiert, was bei einer ex ante-Sicht während des Urlaubs geschehen wäre. Der Arbeitnehmer habe grundsätzlich jenes Entgelt zu erhalten, das er aus der Perspektive des Urlaubsbeginns verdient hätte, wenn er in dieser Zeit gearbeitet hätte („fiktives Ausfallsprinzip“).
Dieses fiktive Ausfallsprinzip könne jedoch nicht auf gesetzliche Feiertage umgelegt werden. Unstrittigerweise arbeite der Kläger an den Feiertagen nicht. Der Kläger habe auch nicht vorgebracht, dass an Feiertagen grundsätzlich gearbeitet werde. Es wären diese Nachtschichttage sohin gerade nicht deshalb „ausgefallen“, weil der Kläger berechtigterweise Urlaub oder Krankenstand in Anspruch genommen habe. Eine Berücksichtigung dieser schlicht aufgrund des Gesetzes arbeitsfreien Tage als „fiktive“ Schwerarbeitstage käme daher nicht in Betracht.
Gegen den abweisenden Teil dieses Urteils betreffend die Monate Juni 2007, Mai 2008, April 2011, Dezember 2011, Dezember 2012, Mai 2013, Mai 2019, August 2019, Juni 2020, Dezember 2021 und Juni 2022 richtet sich die Berufung des Klägerswegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, der Berufung Folge zu geben und [gemeint auch] die Monate Juni 2007, Mai 2008, April 2011, Dezember 2011, Dezember 2012, Mai 2013, Mai 2019, August 2019, Juni 2020, Dezember 2021 und Juni 2022 als Schwerarbeitsmonate gemäß §4 Abs 4 APG in Verbindung mit §1, Abs 1, Z 1 Schwerarbeitsverordnung festzustellen. Hilfsweise wird [gemeint im Umfang der Anfechtung] ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte hat sich am Berufungsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt .
Mit der ausschließlich erhobenen Rechtsrügewendet sich die Berufung zusammengefasst gegen die Ansicht, dass das fiktive Ausfallsprinzip nicht auf Feiertage anzuwenden sei. Die Berufungsausführungen überzeugen aber nicht, vielmehr ist dazu auf die zutreffende rechtliche Beurteilung des Erstgerichts zu verweisen (§§ 2 Abs 1 ASGG, 500a ZPO).
Ergänzend ist auszuführen:
Der Berufungssenat hat zur Berücksichtigung von Feiertagen im Zusammenhang mit dem fiktiven Ausfallsprinzip bereits ausgeführt (OLG Wien 7 Rs 85/23f; 7 Rs 8/24h), dass für die Ermittlung als Schwerarbeitsmonat nach § 1 Abs 1 Z 5 Schwerarbeitsverordnung maßgeblich ist, ob eine Schwerarbeit darstellende Tätigkeit im Mindestmaß von 15 Tagen im Kalendermonat tatsächlich ausgeübt wurde (RS0130802). Die Rechtsprechung geht bei der Feststellung von Schwerarbeitszeiten nach der SchwerarbeitsV somit vom Prinzip aus, dass nur tatsächlich geleistete Schwerarbeit und tatsächliche Beanspruchung durch Schwerarbeit im konkreten Kalender-(Versicherungs-)monat einen Schwerarbeitsmonat begründen. Diesen Grundsatz der tatsächlichen Belastung durch Schwerarbeit hat der Oberste Gerichtshof lediglich betreffend die gesetzlichen Freistellungsansprüche wegen Urlaubs (RS0126110) und Krankenstands während der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber (vgl 10 ObS 103/10k) durchbrochen.
Aus den Feststellungen ergibt sich, dass im Betrieb des Klägers an den festgestellten Feiertagen planmäßig nicht gearbeitet wird, der Kläger an diesen Feiertagen nicht zum Dienst eingeteilt war und nicht gearbeitet hat. Damit besteht keine Grundlage für die Anwendung des fiktiven Ausfallsprinzips (vgl OLG Wien 7 Rs 85/23f; 10 Rs 126/21d; vgl auch 10 ObS 85/20b betreffend Zeitausgleich für geleistete Feiertagsdienste).
Es war der Berufung daher ein Erfolg zu versagen.
Ein Kostenzuspruch nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG hatte zu unterbleiben, weil Billigkeitsgründe weder vorgebracht wurden, noch aus dem Akt ersichtlich sind.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil eine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO genannten Qualität nicht vorliegt (vgl OLG Wien 7 Rs 85/23f).