JudikaturOLG Linz

9Bs221/25a – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
22. Oktober 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterin Dr. Engljähringer als Vorsitzende, die Richterin Mag. Kuranda und den Richter Mag. Huemer-Steiner in der Strafsache gegen A* B*wegen Verdachts des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Einzelrichters des Landesgerichts Steyr (im Ermittlungsverfahren) vom 3. Oktober 2025, HR*-17, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Am 18. Mai 2021 erstattete C* B* beim SPK D* Anzeige gegen ihren Ehemann A* B* wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung. Demnach habe dieser sie am 13. Mai 2021 gegen 21.30 Uhr im gemeinsamen Wohnhaus in E* D*, F*straße **, nach einer vorangegangen Diskussion über unterschiedliche Sichtweisen anlässlich Corona-Impfung, Maskenverpflichtung etc gefährlich bedroht, indem er sinngemäß geäußert habe, sein Auto im Hof sowie das Haus anzuzünden und sie solle aufpassen, was noch passiert, sie habe den Teufel in ihm geweckt. In ihrer Vernehmung gab C* B* außerdem an, dass ihr Mann zwei Schusswaffen besitze.

Aufgrund des Hinweises von C* B* auf mehrere Waffen wurde noch am 18. Mai 2021 die gemeinsame Wohnung des Verdächtigen und der Anzeigerin in der F*straße ** in E* D* von Beamten des SPK D* gemäß § 39 Abs 3 SPG aus eigenem durchsucht, nachdem der Schlüssel zur Wohnung von C* B* an die Beamten ausgefolgt worden war. Neben mehreren Schreckschusswaffen, Druckluftwaffen, einer Armbrust, einem Sportbogen, Dolchen, Messer und Schwertern wurde auch eine verbotene Waffe, nämlich ein Schlagring aus Metall aufgefunden und nach den Bestimmungen der StPO sichergestellt (ON 2.9, 1).

Da der Verdächtige A* B* nicht angetroffen werden konnte, wurde er nach der Durchsuchung am Abend des 18. Mai 2021 telefonisch erreicht und über ihn ein vorläufiges Waffenverbot sowie ein Betretungs- und Annäherungsverbot ausgesprochen (ON 2.11, 2). Die nach § 13 WaffG vorläufig sichergestellten Waffen wurden der Behörde (LPD G*, ** D*), der sichergestellte Schlagring der Verwahrstelle des Landesgerichts Steyr übermittelt (ON 2.2).

In seiner Beschuldigteneinvernahme vom 21. Mai 2021 bestätigte A* B* das Telefonat mit den Polizeibeamten sowie diverse Differenzen mit seiner Ehefrau, bestritt allerdings, diese gefährlich bedroht zu haben (ON 2.5, 3 f). Die Durchsuchungs-, Sicherstellungs- und Beschlagnahmebestätigung betreffend den verchromten Schlagring wurde A* B* am 21. Mai 2021 um 10.02 Uhr ausgefolgt (ON 2.7).

Am 4. Juli 2021 langte der Abschlussbericht des SPK D* bei der Staatsanwaltschaft Steyr zu St* ein, die am 5. Juli 2021 Strafantrag gegen A* B* wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG, bezogen auf den, wenn auch nur fahrlässigen, Besitz einer verbotenen Waffe, nämlich eines Schlagrings, stellte (ON 3). Der Einzelrichter des Landesgerichts Steyr schrieb am 7. Juli 2021 die Hauptverhandlung gegen A* B* aus. Am 12. August 2021 gab Mag. H* seine Bevollmächtigung zur Vertretung des Angeklagten A* B* bekannt und beantragte die Übermittlung einer Aktenkopie im Wege des ERV (ON 7). Am 20. September 2021 äußerte sich der Angeklagte durch seinen Verteidiger zum Strafantrag zusammengefasst im Wesentlichen damit, dass er sich zum Vorwurf der gefährlichen Drohung für nicht schuldig bekennen wird, dagegen allerdings zum Vorwurf nach § 50 WaffG, wie bisher, die Verantwortung übernehmen werde (ON 9).

In der Hauptverhandlung vom 27. September 2021 wurde A* B* vom Vorwurf der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Hinsichtlich des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG wurde das Verfahren gemäß § 203 Abs 1 StPO unter Bestimmung einer Probezeit von einem Jahr vorläufig eingestellt, gleichzeitig gemäß § 26 Abs 1 StGB der sichergestellte Schlagring eingezogen. Sowohl der Freispruch als auch die diversionelle Erledigung des Verfahrens wegen des Vorwurfs nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG sowie die Einziehung des Schlagrings erwuchsen noch am selben Tag in Rechtskraft (ON 11).

Mit Beschluss vom 4. Oktober 2022 wurde das Strafverfahren gegen A* B* wegen des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z  WaffG gemäß § 203 Abs 4 StPO iVm § 199 StPO endgültig eingestellt (ON 14).

Mit am 19. August 2025 bei der Staatsanwaltschaft Steyr eingelangter, als „Beschwerde gemäß § 106 StPO – rechtswidrige Durchsuchungen und Schadenersatz“ bezeichneter Eingabe beantragt A* B* die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Hausdurchsuchung vom 18. Mai 2021 und einer Fahrzeugdurchsuchung vom 16. Jänner 2022, die Wiederaufnahme des Verfahrens aufgrund Unverwertbarkeit, die Rückzahlung einer verhängten Strafe wegen eines gefundenen Dolches, den Ersatz für die Vernichtung von Waffen und die Entschädigung für psychischen Stress und Folgeschäden, darüber hinaus die Prüfung disziplinarrechtlicher Konsequenzen für beteiligte Beamte und die Einleitung eines Amtshaftungsverfahrens bei Feststellung der Rechtswidrigkeit im Wesentlichen zusammengefasst mit der Behauptung, für beide Durchsuchungen habe keine akute Gefährdungslage bestanden, sie seien unverhältnismäßig gewesen und aufgrund falscher Angaben in Polizeiberichten erfolgt (ON 15).

Hiezu äußerte sich die Staatsanwaltschaft Steyr am 25. August 2025 dahingehend, dass das Verfahren gegen A* B* am 27. September 2021 in dessen Anwesenheit erledigt worden sei, sodass er bereits zu diesem Zeitpunkt von der behaupteten Rechtsverletzung Kenntnis gehabt haben sollte. Sein Einspruch sei damit verfristet (ON 1, 1).

Dazu äußerte sich wiederum A* B* zusammengefasst, dass seine Eingabe vom 19. August 2025 als Beschwerde und nicht als Einspruch gewertet werden möge, er im Übrigen erst vor kurzem Kenntnis von der mutmaßlichen Rechtswidrigkeit der Maßnahme erlangt habe und die Frist für eine Beschwerde erst mit Kenntnis der Rechtsverletzung zu laufen beginne, und wiederholte sein Vorbringen aus seiner „Beschwerde“ vom 19. August 2025 (ON 16).

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 3. Oktober 2025 wies das Erstgericht den Einspruch wegen Rechtsverletzung gemäß § 107 Abs 1 StPO im Wesentlichen und zusammengefasst mit der Begründung zurück, dass der erst knapp drei Jahre nach durch endgültige Einstellung am 4. Oktober 2022 erfolgter Beendigung des Strafverfahrens eingebrachte Einspruch verspätet sei. Im Übrigen fielen die behaupteten Handlungen der Kriminalpolizei (auch nach dem SPG) nicht in die Kompetenz des Haft- und Rechtsschutzrichters, ebenso wenig wie die Entscheidung über die im verwaltungsbehördlichen Weg verhängte Strafe wegen eines gefundenen Dolches oder den Ersatz für sichergestellte und/oder verwertete, nicht unter § 50 Abs 1 WaffG fallende Waffen (ON 17).

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des A* B*, mit der er unter Wiederholung seines Vorbringens aus seinen bisherigen Schriftsätzen die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Hausdurchsuchung vom 18. Mai 2021 und der Unzulässigkeit des vorläufigen Waffenverbots, die Herausgabe eines sichergestellten Fausteisens und die Prüfung der Einleitung eines Amtshaftungsverfahrens begehrt (ON 18).

Die Beschwerde, zu der die Oberstaatsanwaltschaft Linz keine inhaltliche Stellungnahme abgegeben hat, ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 106 Abs 1 Z 2 StPO steht jeder Person zu, die behauptet, im Ermittlungsverfahren durch (die) Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen der Strafprozessordnung angeordnet oder durchgeführt wurde, der Einspruch wegen Rechtsverletzung an das Gericht zu. Nach § 106 Abs 2 StPO ist, soweit gegen die Bewilligung einer Ermittlungsmaßnahme Beschwerde erhoben wird, ein Einspruch gegen deren Anordnung oder Durchführung mit der Beschwerde zu verbinden. In einem solchen Fall entscheidet das Beschwerdegericht auch über den Einspruch. Ein Einspruch steht allerdings nicht zu, soweit Beschwerde erhoben werden kann. Sämtliche Einspruchsgründe sind diesfalls in der Beschwerde vorzubringen und können nicht mehr mit einem Einspruch geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0129382; Pilnacek/Stricker in WK StPO § 106 Rz 29 f).

Mit Erkenntnis vom 30. Juni 2015, G 233/2014-15, hob der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge „Kriminalpolizei oder“ in § 106 Abs 1 StPO idF BGBl I 2013/195 als verfassungswidrig auf. Nunmehr kann Einspruch wegen Rechtsverletzung erfolgreich ausschließlich aufgrund behaupteter Verletzungen in einem subjektiven Recht erhoben werden, die durch die Staatsanwaltschaft bzw durch die Kriminalpolizei aufgrund staatsanwaltschaftlicher Anordnung erfolgten. Handelt die Kriminalpolizei hingegen von sich aus, demnach ohne Anordnung der Staatsanwaltschaft, unterliegt dieses Handeln keiner Kontrolle mittels Einspruchs wegen Rechtsverletzung nach § 106 f StPO und es besteht insoweit auch keine Kognitionsbefugnis der ordentlichen Gerichtsbarkeit; solche behaupteten Rechtsverletzungen unterliegen vielmehr ausschließlich der Kognitionsbefugnis der Landesverwaltungsgerichte. Gleiches gilt im Fall einer offenkundigen Überschreitung der staatsanwaltschaftlichen Anordnung durch die Polizei im Sinne eines Exzesses (RIS-Justiz RS0128498; Pilnacek/Strickerin WK StPO § 106 Rz 6).

Gemäß § 106 Abs 3 StPO ist der Einspruch binnen sechs Wochen ab Kenntnis der behaup-teten Verletzung in einem subjektiven Recht bei der Staatsanwaltschaft einzubringen. In ihm ist anzuführen, auf welche Anordnung oder welchen Vorgang er sich bezieht, worin die Rechtsverletzung besteht und auf welche Weise ihm stattzugeben sei. Bei der behaupteten Verletzung in einem subjektiven Recht kommt es grundsätzlich nicht nur auf deren tatsächliche Kenntnisnahme an, sondern muss die rechtliche Wertung ausschlaggebend sein, ob alle Voraussetzungen dafür geschaffen wurden, um mit Grund verlangen zu können, dass der Betroffene das Faktum (Anordnung oder Vorgang) auch bewusst zur Kenntnis nehmen kann (RIS-Justiz RS0133462).

In dem Licht wurde der Einspruch gemäß § 107 Abs 1 StPO aber mit Recht zurückgewiesen. Nach dem Abschlussbericht der Polizei war der Beschwerdeführer bereits am 18. Mai 2021 über die stattgefundene Hausdurchsuchung und die Sicherstellung von Waffen unterrichtet, wurde gegen ihn doch ein vorläufiges Waffenverbot sowie ein Betretungs- und ein Annäherungsverbot ausgesprochen (ON 2.11, 2). Zudem war für ihn die vollständige Faktengrundlage allfälliger Rechtsverletzungen nach der Hauptverhandlung am 27. September 2021, in der er anwaltlich vertreten war und seine ausdrückliche Zustimmung zur Vernichtung des Schlagrings erteilt hatte (ON 11, 3), spätestens mit rechtskräftigem Verfahrensabschluss vom 4. Oktober 2022 bekannt. Der wenig plausible Einwand des Beschwerdeführers, er habe erst „nach Stabilisierung und Akteneinsicht“ die Rechtswidrigkeit erkennen können, greift vor dem Hintergrund, dass die kritisierte Hausdurchsuchung und Sicherstellung diverser Waffen sowie die endgültige Einstellung des Verfahrens inzwischen mehr als drei Jahre zurückliegen, also nicht.

Abgesehen davon obliegt die Überprüfung von polizeilichen Handlungen, die nicht von der Staatsanwaltschaft angeordnet oder vom Gericht bewilligt wurden, wie die vom Beschwerdeführer in Kritik gezogene Hausdurchsuchung, das verhängte vorläufige Waffenverbot und die Sicherstellung eines Fausteisens nicht dem Gericht. Diesbezüglich stünde dem Beschwerdeführer allein der Verwaltungsweg offen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).