JudikaturOLG Linz

8Bs114/25h – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
30. September 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Mag. Reinberg als Vorsitzende und Mag. Haidvogl, BEd, sowie den Richter Mag. Huemer-Steiner in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens der Vorenthaltung von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 und 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufung des Angeklagten wegen der Aussprüche über die Schuld und die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Wels vom 30. April 2025, Hv*-36, nach der in Anwesenheit der Staatsanwältin Dr. Kristina Steinwender als Vertreterin des Leitenden Oberstaatsanwalts und des Angeklagten durchgeführten Berufungsverhandlung am 30. September 2025 zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil im Strafausspruch dahin abgeändert, dass die Geldstrafe auf 240 Tagessätze zu je EUR 4,00, im Fall der Uneinbringlichkeit 120 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, herabgesetzt und im Umfang von 120 Tagessätzen unter Bestimmung dreijähriger Probezeit gemäß § 43a Abs 1 StGB bedingt nachgesehen wird.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil des Landesgerichts Wels vom 30. April 2025 wurde der ** geborene Angeklagte A* wegen des Vergehens der Vorenthaltung von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 und 2 StGB und des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 und Abs 5 Z 3 StGB schuldig erkannt und hierfür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 153c Abs 1 StGB zu einer im Ausmaß von 180 Tagessätzen unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehenen Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je EUR 4,00, für den Fall der Uneinbringlichkeit 180 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt (ON 24).

Nach dem Schuldspruch hat er in ** und an anderen Orten

A) zwischen August 2023 und 15. Jänner 2024 als zur Vertretung befugtes Organ der juristischen Person B*-C* GmbH, sohin als Dienstgeber nach § 153c Abs 1 und 2 StGB, Beiträge von Dienstnehmern zur Sozialversicherung dem berechtigten Versicherungsträger vorenthalten, indem er zumindest für die Zeiträume August 2023 bis teilweise Dezember 2023 (Fälligkeit 15. September 2023 bis 15. Jänner 2024) Beiträge von zumindest sieben Dienstnehmern zur Sozialversicherung in Höhe von etwa EUR 14.700,00 dem berechtigten Versicherungsträger, nämlich der Österreichischen Gesundheitskasse, vorenthielt;

B) zwischen 2020 und Jänner 2024 grob fahrlässig (§ 6 Abs 3 StGB) die Zahlungsunfähigkeit der B*-C* GmbH dadurch herbeigeführt, dass er kridaträchtig gehandelt hat (§ 159 Abs 5 StGB), indem er übermäßigen, mit deren Vermögensverhältnissen oder deren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand getrieben hat, insbesondere indem er für den Unternehmensbetrieb nicht erforderliche Kraftfahrzeuge (PKW der Marke Audi Q8 und Q4) Mitte des Jahres 2021 und im Mai 2022 beschafft und finanziert sowie sich insbesondere in den Jahren 2020, 2022 und 2023 überhöhte Geschäftsführerbezüge samt Sachbezügen aus dem Gesellschaftsvermögen ausgezahlt/entnommen hat, obwohl dies im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft/des Unternehmens kontraindiziert gewesen ist.

Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 38) Berufung des Angeklagten (erkennbar) wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe, mit der primär ein Freispruch angestrebt wird. Die Oberstaatsanwaltschaft Linz äußerte sich nicht zu diesem Rechtsmittel.

Die Berufung ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Behandlung der – inhaltlich in der Berufungsverhandlung sowie in einer dem Berufungsgericht am 29. September 2025 übermittelten Stellungnahme ausgeführten - Schuldberufung ist voranzustellen, dass es sich bei der freien Beweiswürdigung um einen kritisch-psychologischen Vorgang handelt, bei dem durch Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Z usammenhang unter allgemeine Erfahrungssätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind. Die Bewertung hat unter Beachtung der Gesetze folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungswissens zu erfolgen. Nicht nur logisch zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse berechtigen das Gericht zu Tatsachenfeststellungen (vgl RIS-Justiz RS0098362; Lendl in WK-StPO § 258 Rz 25 f). Bei Würdigung der Angaben von Personen, die das Gericht selbst vernommen hat, ist oft der persönliche Eindruck der erkennenden Richter entscheidend. Dieser unmittelbare, persönliche Eindruck, der sich auf das Auftreten, die Sprache, die Ausdrucksweise und die Bewegungen einer Person stützen kann, lässt sich nicht immer erschöpfend in Worte kleiden und muss darum im Urteil nicht in allen Einzelheiten dargelegt und wiedergegeben werden ( Lendl in WK-StPO § 258 Rz 27).

Fallkonkret erhob der Erstrichter die vorhandenen Beweise richtig und vollständig und unterzog sie einer lebensnahen Betrachtung. Seine Feststellungen konnte er auf das unbedenkliche, in der Hauptverhandlung aufrechterhaltene und ausführlich begründete Gutachten des Sachverständigen Mag. Dr. D* stützen, der sich auch ausführlich mit erhobenen Einwänden des Angeklagten auseinandersetzte (ON 23; ON 35, S 5ff). Die Einschätzungen des Sachverständigen zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit decken sich zudem mit den beigeschafften Unterlagen aus dem Insolvenzakt des Landesgerichts Wels zu GZ Se* (ON 3), aus denen sich unter anderem auch ergibt, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die B*-E* GmbH mit Beschluss vom 18. Jänner 2024 mangels kostendeckenden Vermögens (§ 71b IO) abgewiesen wurde (ON 3.4). Die genannten kostenintensiven (vgl ON 23.1, S 15) Anschaffungen von Fahrzeugen wurden, ebenso wie ein Rückstand bei der Österreichischen Gesundheitskasse (vgl ON 3.8), auch vom Angeklagten nicht in Abrede gestellt (ON 35, S 2 und S 8). Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar und damit nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht – unter Mitberücksichtigung des vom Angeklagten gewonnenen persönlichen Eindrucks – seine Verantwortung, (zusammengefasst) die Fahrzeuganschaffungen seien angemessen und getätigte Auszahlungen bzw Entnahmen nicht überhöht gewesen, Sozialversicherungsbeiträge seien teilweise bezahlt worden und insbesondere sei das Unternehmen nicht zahlungsunfähig bzw nicht überschuldet, sondern sogar nahezu frei von Verbindlichkeiten gewesen (ON 35, S 2ff und 9f), als reine Schutzbehauptung wertete. Auch die Rechtsmittelausführungen, die sich inhaltlich wiederum auf Kritik an der angenommenen Zahlungsunfähigkeit der B*-C* GmbH und der Verfahrensführung sowie Entscheidungen im Insolvenzverfahren beschränken und mit fehlender Überschuldung argumentieren (vgl dazu Kirchbacher in WK 2StGB § 159 Rz 63), vermögen dem nichts Relevantes entgegenzuhalten.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht mildernd den bisherigen ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB), erschwerend hingegen das Zusammentreffen mehrerer [zweier] Vergehen (§ 33 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB) und den langen Tatzeitraum (§ 33 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB).

Dieser Strafzumessungskatalog bedarf lediglich insoweit einer Präzisierung, als sich der Erschwerungsgrund nach § 33 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB ausschließlich auf das zu B./ verurteilte Vergehen bezieht, wo der Tatzeitraum allerdings - auch unter Berücksichtigung des festgestellten Eintritts der Zahlungsunfähigkeit mit August 2023 (vgl US 3) und der somit erforderlichen Korrektur seines Endes (vgl Kirchbacher in WK 2StGB § 159 Rz 73 und 94) - jedenfalls eine lange Dauer erreicht.

Insgesamt erweist sich mit Blick auf diesen Strafzumessungskatalog sowie das konkrete Handlungs-, Gesinnungs- und Erfolgsunrecht die vom Erstgericht bei der Hälfte des zur Verfügung stehenden Strafrahmens ausgemittelte Geldstrafe als überhöht. Vielmehr wird eine im Umfang von 120 Tagessätzen bedingt nachgesehene Geldstrafe von 240 Tagessätzen dem konkreten Unrechtsgehalt der Tat und der individuellen Täterschuld gerecht, wobei die Probezeit im höchstmöglichen Ausmaß einen hinreichenden Beobachtungszeitraum künftigen Wohlverhaltens gewährleisten soll. Mit dieser Sanktion kann zum einen dem erstmals strafrechtlich in Erscheinung getretenen Angeklagten ein ausreichendes Zeichen gesetzt werden, um ihn so hinkünftig von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten. Zum anderen ist diese Geldstrafe in Hinblick auf die Besonderheiten des konkreten Falles auch zur Abschreckung potentieller Straftäter und zur Aufrechterhaltung des Vertrauens der Bevölkerung auf Durchsetzung des Rechts ausreichend (vgl Jerabek/Ropper, WK 2StGB § 43 Rz 18).