JudikaturOLG Linz

8Ns16/25a – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
25. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Mag. Reinberg als Vorsitzende und Dr. Ganglberger-Roitinger sowie den Richter Mag. Huemer-Steiner in der Strafsache gegen A*wegen der Vergehen der Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 15 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über den negativen Kompetenzkonflikt zwischen dem Bezirksgericht Linz, AZ U*, und dem Landesgericht Linz, AZ Hv*, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Zur Führung dieser Strafsache ist das Bezirksgericht Linz zuständig.

Text

Begründung:

Mit Strafantrag vom 17. Juli 2024 legte die Staatsanwaltschaft Linz dem am ** geborenen A* das Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB zur Last (ON 3). Der Strafantrag wurde am selben Tag beim Bezirksgericht Linz zu U* eingebracht (ON 1.2). Das Verfahren wurde in weiterer Folge mehrmals gemäß § 197 Abs 1 StPO abgebrochen sowie die Hauptverhandlung mangels Erscheinens geladener Zeugen an beiden stattgefundenen Terminen jeweils auf unbestimmte Zeit erstreckt (ON 21 und 30).

Am 22. April 2025 erhob die Staatsanwaltschaft Linz beim Landesgericht Linz zu Hv* Anklage gegen B* und A*, hinsichtlich des letzteren wegen des Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, des Vergehens der versuchten Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 83 Abs 1 StGB sowie des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (ON 31 zu Hv* des Landesgerichtes Linz). Mit Beschluss vom 22. Mai 2025 stellte das Landesgericht Linz die Rechtswirksamkeit der Anklageschrift fest und ordnete es die Hauptverhandlung für den 27. Juni 2025 an (ON 1.34 in Hv*).

Das Bezirksgericht Linz verfügte am 2. Juni 2025 die Abtretung des erstgenannten Verfahrens an das Landesgericht Linz, welches dieses am 4. Juni 2025 gemäß § 37 StPO zur gemeinsamen Führung einbezog (ON 1.38 in Hv*).

In der Hauptverhandlung am 27. Juni 2025 schied das Landesgericht Linz das Verfahren gegen A* aus und trat dieses an das Bezirksgericht Linz ab, nachdem dieser einerseits bereits zu Beginn seiner Vernehmung angegeben habe, er sei nervös, es gehe ihm nicht gut sowie er habe Panik und er sich anderseits auch nach siebenminütiger Unterbrechung der Verhandlung nicht in der Lage gesehen habe, eine Aussage zu tätigen. In der Folge entließ das Landesgericht Linz die erschienenen Zeugen nach – wohl aufgrund der geständigen Verantwortung des Mitangeklagten B* – erfolgtem allseitigen Verzicht auf deren Einvernahme zugunsten der Verlesung deren bisheriger Angaben und verurteilte den in Untersuchungshaft befindlichen Mitangeklagten B* (ON 63 in Hv*).

Das Bezirksgericht Linz legte den mitsamt aller beim Landesgericht Linz angeklagten Fakten rückabgetretenen Akt dem Oberlandesgericht Linz zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt vor. Dies mit der Begründung, Verfahrensteile könnten zwar zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen oder Verkürzung der Haft gemäß § 27 StPO analog ausgeschieden werden, in Betracht kämen jedoch nur prozessuale Erwägungen. Derartige prozessökonomische Gründe seien hier nicht ersichtlich (ON 1.46).

Rechtliche Beurteilung

§ 37 Abs 3 StPO sieht die Verfahrensverbindung vor, sofern zu dem Zeitpunkt, zu dem die Anklage rechtswirksam wird, ein Hauptverfahren gegen den Angeklagten oder an derselben strafbaren Handlung beteiligte Personen (§ 12 StGB) anhängig ist; soweit relevant, ist dabei unter Gerichten verschiedener Ordnung das höhere für alle Verfahren zuständig (§ 37 Abs 2 erster Satz StPO).

Liegen diese Voraussetzungen vor, ist die Verbindung zwingend (RIS-Justiz RS0128876). Sie tritt keineswegs ex lege ein, sondern ist vom (für die Verfahrensverbindung und die Führung des verbundenen Verfahrens gemäß § 37 Abs 3 StPO zuständigen) Gericht mittels prozessleitender Verfügung vorzunehmen.

Davon unberührt bleibt jedoch die Zulässigkeit nachfolgender (Wieder-)Ausscheidung eines der (zunächst zwingend zu verbindenden) Verfahren aus Gründen der Prozessökonomie (vgl § 36 Abs 4 StPO; OGH 11 Ns 3/19h; RIS-Justiz RS0128876).

Die Voraussetzungen für die Verbindung beider Verfahren (§ 37 Abs 3 erster Halbsatz StPO) lagen vor, weshalb das Landesgericht Linz als Gericht höherer Ordnung zunächst zur Führung des Verfahrens zuständig war (§ 37 Abs 2 erster Satz StPO).

Im Gegensatz zur ausdrücklichen Regelung für das Ermittlungsverfahren (§ 27 StPO) sind die Bedingungen für Verfahrensausscheidungen im Hauptverfahren in der StPO nicht normiert; deren Zulässigkeit wird aber durch die (örtliche) Zuständigkeitsvorschrift des § 36 Abs 4 StPO vorausgesetzt. Im Hinblick auf die mit dem Ermittlungsverfahren vergleichbare Ausgangslage ist § 27 StPO analog anzuwenden, sodass Verfahrensteile insbesondere unter den dort genannten Gründen, nämlich Vermeidung von Verzögerungen oder Verkürzung der Haft, ausgeschieden werden können ( Oshidariin WK StPO § 37 Rz 12 mwN; vgl Nimmervoll , Das Strafverfahren 2 , 443; Ohrnhofer in Schmölzer/Mühlbacher, StPO Kommentar § 37 Rz 14; Birklbauer in Birklbauer/Haumer/Nimmervoll/Wess, Linzer Kommentar zur StPO § 36 Rz 22).

Eine solche Vorgangsweise ändert die durch Konnexität nach § 37 Abs 3 StPO (einmal) begründete Zuständigkeit für das wieder ausgeschiedene Verfahren nur bei Vorliegen der in § 36 Abs 4 StPO normierten Ausnahmen (Ausscheidung eines Verfahrens wegen einer allgemeinen strafbaren Handlung durch ein Gericht mit Sonderzuständigkeit oder eines in die sachliche Zuständigkeit des Bezirksgerichts ressortierenden Verfahrens durch ein Landesgericht).

Das Landesgericht Linz verfügte die Ausscheidung einer Strafsache, für deren Verhandlung und Entscheidung das Bezirksgericht zuständig ist (Vorwurf der Vergehen der Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 15 Abs 1 StGB sowie der Sachbeschädigung nach § 125 StGB). Durch den im Hauptverhandlungsprotokoll vom 27. Juni 2025 festgehaltenen Zustand des A* und dessen Angabe, wonach er sich nicht in der Lage gesehen habe, eine Aussage zu tätigen, wurde seine Verhandlungsfähigkeit jedenfalls in Frage gestellt. Zwar ist dem Hauptverhandlungsprotokoll nicht zu entnehmen, dass das Erstgericht A* nach § 275 StPO belehrt hätte. Eine – als einzige Ausnahme bei entsprechender Ermessensausübung durch das Erstgericht nicht zur Vertagung der Hauptverhandlung führende – allfällige Einwilligung des A* zur Fortsetzung der Verhandlung in seiner Abwesenheit ist nicht ersichtlich. Angesichts der gemäß § 275 StPO hinsichtlich A* angezeigten Vertagung der Hauptverhandlung entsprach die vom Landesgericht Linz gewählte Vorgehensweise daher der Prozessökonomie und insbesondere im Hinblick auf den in Untersuchungshaft befindlichen Mitangeklagten des A* dem Beschleunigungsgebot. Es wurde daher die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Linz begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht kein weiteres Rechtsmittel zu.