JudikaturOLG Linz

8Bs118/25x – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
12. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterin Mag. Reinberg als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Grosser und Mag. Huemer-Steiner in der Maßnahmenvollzugssache des A*wegen bedingter Entlassung aus einer strafrechtlichen Unterbringung nach § 21 Abs 2 StGB über die Beschwerden gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 26. Juni 2025, BE1*-9, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde des Betroffenen wird nicht Folge gegeben.

Die Beschwerde des Erwachsenenvertreters wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der am ** geborene A* wurde mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt von 27. September 2022, rechtskräftig seit 1. Oktober 2022, Hv1*, wegen des Verbrechen nach dem § 3g VerbotsG 1947 und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in den Maßnahmenvollzug eingewiesen.

Danach hat sich A* am 20. Jänner 2021 auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VerbotsG 1947 bezeichnete Weise im nationalsozialistischem Sinne betätigt, indem er nach Schluss der gegen ihn geführten Hauptverhandlung am Bezirksgericht St. Veit an der Glan zu U* durch das offene Fenster des Verhandlungssaales 1 im Parterre schrie: „ Ihr Hundskrippel, wenn i der Hitler war, tat ich euch alle vergasen und wenn i der Hitler war, dann gehörten die alle erschlagen .“ sowie am 22. Februar 2022 in ** den psychiatrischen Sachverständigen Dr. B* während oder wegen der Vollziehung seiner Aufgaben als Sachverständiger, nämlich wegen der anstehenden Erstattung seines Gutachtens in der öffentlich mündlichen Hauptverhandlung zu Hv1* des Landesgerichtes Klagenfurt vorsätzlich am Körper zu verletzen versucht, indem er einen wuchtigen Faustschlag in Richtung dessen Gesichtsbereichs setzte und zuvor die Äußerung tätigte: „ Er gehöre erschlagen. “.

Mit dem nun angefochtenen Beschluss vom 26. Juni 2025 (ON 9) sprach das Landesgericht Steyr als Vollzugsgericht aus Anlass der alljährlichen Prüfung (§ 25 Abs 3 StGB) nach Durchführung einer Anhörung aus, dass die weitere Unterbringung des Betroffenen in einem forensisch-therapeutischen Zentrum gemäß § 21 Abs 2 StGB notwendig sei.

Dagegen richtet sich die rechtzeitige von der Rechtsvertreterin des Betroffenen ausgeführte Beschwerde (ON 14), mit der der Betroffene seine bedingte Entlassung anstrebt und die rechtzeitig erhobene vom Erwachsenenvertreters des Betroffenen ausgeführte Beschwerde (ON 13.2), mit der er die Aufhebung des Beschlusses und die neuerliche Anhörung anstrebt.

Die Oberstaatsanwaltschaft Linz hat sich dazu nicht geäußert.

Der Beschwerde des Betroffenen kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Vorbeugende Maßnahmen sind auf unbestimmte Zeit anzuordnen und so lange zu vollziehen, wie es ihr Zweck erfordert (§ 25 Abs 1 StGB). Die bedingte Entlassung aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme ist zu verfügen, wenn nach der Aufführung und der Entwicklung des Angehaltenen in der Anstalt, nach seiner Person, seinem Gesundheitszustand, seinem Vorleben und nach seinen Aussichten auf ein redliches Fortkommen anzunehmen ist, dass die Gefährlichkeit, gegen die sich die vorbeugende Maßnahme richtet, nicht mehr besteht (§ 47 Abs 2 StGB).

Das Erstgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Entwicklung des Betroffenen im Maßnahmenvollzug und den Inhalt der maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen, insbesondere die Stellungnahme des forensisch-therapeutischen Zentrums C* vom 12. Mai 2025 (ON 6) sowie das Gutachten Dr. D* vom 13. Juni 2024 (AZ Hv2* sowie AZ St*) und das Gutachten Dr. E* vom 8. August 2024 (AZ BE2* sowie AZ BE3*) am Akt orientiert in den wesentlichen Punkten wiedergegeben, sodass zur Vermeidung von Wiederholungen auch darauf verwiesen werden kann (ON 9).

Aus der schlüssigen und nachvollziehbaren Stellungnahme und den damit in Einklang zu bringenden unbedenklichen Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen ist in Übereinstimmung mit dem Erstgericht davon auszugehen, dass die spezifische Gefährlichkeit des Betroffenen, gegen die sich die Maßnahme richtet, nach wie vor besteht.

Dr. E* führte aus, dass der Betroffene eine hohe Egozentrik bei fehlender Selbstkritik und geringer Frustrationstoleranz aufweise. Insgesamt zeige er eindeutig die Kriterien der für die Anlasstat kausalen geistigen/seelischen Abartigkeit von höherem Grad; somit bestehe die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Betroffene nach seiner bisherigen Aufführung und Entwicklung, nach seiner Person, seinem Gesundheitszustand, seinem Vorleben und nach seinen Aussichten auf ein redliches Fortkommen weiterhin unter dem Einfluss dieser geistigen/seelischen Abartigkeit von höherem Grad Prognosetaten mit schweren Folgen - konkret Körperverletzungen, die auch schwer ausfallen können - begehen werde.

Aus diesem Grund müsse das Vorgehen nach § 21 Abs 2 StGB empfohlen werden, da eine adäquate und absolut notwendige Therapie des Betroffenen nur im Maßnahmenvollzug erfolgen könne (GZ Hv3*-6).

Dr. E* führte zwar – wie vom Betroffenen in der Beschwerde vorgebracht – im Gutachten vom 8. August 2024 (AZ BE2*) aus, dass „ zur Eindämmung der Gefährlichkeit, gegen die sich die vorbeugende Maßnahme richtet, ... einerseits ein haltgebendes Setting im Sinn einer professionell begleiteten Wohneinrichtung, andererseits eine konsequente medikamentöse Therapie unter fachärztlicher Aufsicht notwendig werden“ wird, doch kann allein aufgrund dieser Passage mit Blick auf die Gesamteinschätzung die in der Beschwerde eingewandte fehlende Gefährlichkeit des Betroffenen nicht geteilt werden.

Aus dem weiteren Gutachten ergibt sich, dass beim Betroffenen - in Übereinstimmung mit dem Befund des FTZ C* - die kognitiven Reserven weder ausreichen um eigene Gefühle oder Handlungen zu reflektieren, noch eigene Defizite zu erkennen und daraus logische Schlussfolgerungen zu ziehen oder gar das Verhalten auf rationaler Basis zu steuern. Im Fall einer Entlassung müsse aus Sicht der Sachverständigen davon ausgegangen werden, dass der Betroffene in das angestammte Milieu zurückkehren und die Medikation nicht weiterführen würde. Zusammenfassend wurde im Gutachten letztlich ausgeführt, dass eine bedingte Entlassung noch nicht empfohlen werden könne (GZ BE2*-11).

Letztlich ergibt sich aus der Stellungnahme des forensisch-therapeutischen Zentrum C* (ON 6), dass ein adäquater sozialer Empfangsraum derzeit nicht gegeben ist und dessen Etablierung durch die kaum korrigierbaren Vorstellungen des Betroffenen erschwert werde. Aus fachlicher Sicht gebe es keine Beziehung, die unterstützende Ressourcen mit sich bringen würde.

Die Erarbeitung einer stabilen Medikamenten-Compliance stelle sich nach wie vor schwierig dar, da der Betroffene selbst keine Krankheitseinsicht habe und die Empfehlung zur Einnahme zudem paranoid verarbeite. Er setze nach einiger Zeit seine Medikamente immer wieder selbständig ab. Die Ansprechbarkeit auf therapeutische oder pädagogische Bemühungen sei grundsätzlich stark beeinträchtigt bzw. kaum vorhanden. Entsprechend seinen kognitiven Fähigkeiten könne der Betroffene die Notwendigkeit einer Unterstützung einer Struktur von außen nicht einordnen. Aus fachlicher Sicht könne eine bedingte Entlassung ohne ausreichende, längerfristige Stabilisierung und Medikamenten-Compliance nicht; ebensowenig ohne einen gut geeigneten sozialen Empfangsraum eine Vollzugslockerung empfohlen werden (ON 6).

Sohin ergibt sich aus den Sachverständigengutachten - korrelierend mit der Stellungnahme des forensisch-therapeutischen Zentrums C* -, dass der Betroffene (weiterhin) keinerlei Krankheitseinsicht und auch keine genuine Therapiebereitschaft zeigt.

Ausgehend davon ist in Übereinstimmung mit dem Erstgericht davon auszugehen, dass die spezifische Gefährlichkeit des Betroffenen, gegen die sich die Maßnahme richtet, nach wie vor besteht.

Der Betroffene vermag somit keine Bedenken an den erstgerichtlichen Sachverhaltsannahmen, die wiederum auf der Expertise der beigezogenen Sachverständigen gründen, zu erwecken.

Zum vom Beschwerdeführer geltend gemachten Verfahrensmangel, dass wie zutreffend geltendgemacht der gerichtliche Erwachsenenvertreter von der Anhörung keine Kenntnis hatte, ist auszuführen, dass die gebotene sinngemäße Anwendung der StPO (siehe § 17 Abs 1 Z 3 StVG) verlangt, dem gerichtlichen Erwachsenenvertreter im Falle einer Unterbringung gemäß § 21 Abs 2 StGB die in § 434c StPO genannten Rechte einzuräumen. Demnach ist der gerichtliche Erwachsenenvertreter zur Anhörung zu laden bzw. ihm Gehör zu gewähren (vgl Pieber in Höpfel/Ratz,WK2 StVG § 17 Rz 2 ). Die in § 434c StPO getroffenen Regelungen zum Schutz des Betroffenen sind jedoch nicht ausdrücklich mit Nichtigkeit bedroht. Die mangelnde Ladung des gerichtlichen Erwachsenenvertreters zur Anhörung bewirkt daher zum einen keine Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO ( Murschetz in Fuchs/Ratz,WK StPO § 434c Rz 12). Hingewiesen wird zum anderen darauf, dass im Rahmen dieser Beschwerde kein Vorbringen dahin erstattet wurde, welche Nachteile durch konkret damit unterbliebenes Vorbringen im Interesse des Beschwerdeführers, damit im Sinne einer Ergebnisrelevanz in der Sache selbst zu erwarten gewesen wäre. Der Mangel schlägt damit nicht durch.

Die erhobene Beschwerde des Erwachsenenvertreters ist demgegenüber unzulässig.

In Bezug auf Erwachsene gewährt die StPO dem gesetzlichen Vertreter nur im Verfahren zur Unterbringung gemäß §§ 21 Abs 1 und Abs 2, 22 StGB umfassende Rechte, insbesondere auf Bekanntmachung der gerichtlichen Entscheidungen und die Erhebung von Rechtsmitteln (§ 434c StPO). In sinngemäßer Anwendung der StPO gelten diese Rechte auch für Erwachsenenvertreter von Personen, an denen eine dieser mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahmen vollzogen wird.

Gesetzlichen Vertretern von Beschuldigten – wie hier dem gerichtlichen Erwachsenenvertreter des Betroffenen - stehen im Rahmen ihres Wirkungsbereichs jedoch nur im Gesetz ausdrücklich als solche bezeichnete (eigene) Rechte zu. Insofern übt der gerichtliche Erwachsenenvertreter als gesetzlicher Vertreter gerade nicht die Verfahrensrechte des von ihm zwar gesetzlich vertretenen, jedoch im Strafverfahren nicht deshalb prozessunfähigen Angeklagten (Betroffenen) aus und kann darüber auch nicht disponieren (vgl dazu jüngst 11 Os 35/24t [Rn 18] mwN).

Nach § 434c Abs 1 StPO sind im Verfahren zur Unterbringung (§ 429 StPO) dem gesetzlichen Vertreter zwar die Anklage oder der Antrag auf Unterbringung sowie sämtliche (anderen) gerichtlichen Entscheidungen zuzustellen, allerdings räumt Abs 2 leg cit diesem – anders als noch die Vorgängerbestimmung (§ 431 Abs 2 StPO) – ein eigenständiges Rechtsmittelrecht nur mehr insoweit ein, als er neben dem Betroffenen (auch gegen dessen Willen) berechtigt ist, Einspruch gegen die Anklageschrift oder den Antrag auf Unterbringung sowie Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil, nicht aber auch Beschwerde gegen gerichtliche Beschlüsse im Verfahren zur Unterbringung (§§ 87 ff) zu erheben. Da im Strafverfahren, anders als im Zivilprozess, die strafprozessuale Prozessfähigkeit nur in den im Gesetz ausdrücklich genannten (Ausnahme-) Fällen eingeschränkt ist (RIS-Justiz RS0117396) und nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1789 der Beilagen XXVII. GP [„§ 434c StPO entspricht weitestgehend § 431 StPO idgF“]) die Beschränkung der eigenständigen Rechtsmittellegitimation des gesetzlichen Vertreters offenbar beabsichtigt war, liegen auch keine Gründe für die Annahme einer im Wege der Analogie zu schließenden planwidrigen Gesetzeslücke vor (vgl dazu 8 Bs 222/24v OLG Graz).

Die erhobene Beschwerde des Erwachsenenvertreters war daher als unzulässig zurückzuweisen. Dessenungeachtet kann inhaltlich betrachtet jedoch ohnedies auf die Ausführungen zur Beschwerde des anwaltlich vertretenen Betroffenen verwiesen werden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu.