2R106/25h – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch die Richter Mag. Bernhard Telfser als Vorsitzenden sowie Dr. Werner Gratzl und Mag. Christine Mayrhofer in der Insolvenzsache des Schuldners A* B* , geboren am **, Pflasterer, ** Straße **, C* D*, und E*/**, C* D* (Wohnanschrift), (Masseverwalter Dr. F*, LL.M., Rechtsanwalt in ** G*), über den Rekurs des Schuldners gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 9. Juli 2025, S*-1, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Antrag der auarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungskasse, **gasse **, **, auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Schuldners abgewiesen wird.
Die gemäß § 79 IO erforderlichen Bekanntmachungen, Mitteilungen und Veranlassungen obliegen dem Erstgericht.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 5.000,00, nicht jedoch EUR 30.000,00.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Text
Begründung:
Die Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungskasse (kurz: BUAK) stellte am 13. Mai 2025 den Antrag, über das Vermögen des Schuldners den Konkurs zu eröffnen. Dieser schulde der Antragstellerin Zuschläge zum Lohn für den Zeitraum 2024/10 bis 2025/03 in Höhe von EUR 12.050,53 plus Zinsen und Kosten. Die beim Bezirksgericht Vöcklabruck zu GZ E1* wegen EUR 5.323,45 und E2* wegen EUR 4.033,05 eingeleiteten Exekutionsverfahren hätten keine volle Befriedigung der Forderungen erbracht. Wenn der Schuldner mit mehreren Exekutionen zur Befriedigung verfolgt werde, liege jedenfalls ein Indiz für die Zahlungsunfähigkeit vor. Zur Bescheinigung werde auf den beiliegenden Rückstandsausweis verwiesen.
Die Ersterhebungen des Erstgerichtes ergaben einen Liegenschaftsbesitz des Schuldners an der EZ **, Katastralgemeinde ** D*, Bezirksgericht Vöcklabruck, betreffend eine Grundstücksfläche von 865 m² mit der Adresse E*. Diese Liegenschaft ist mit einem Belastungs- und Veräußerungsverbot für I* B*, geboren am **, und einem Pfandrecht für die J* Aktiengesellschaft mit einem Höchstbetrag von EUR 655.500,00 belastet. Die Abfrage im Exekutionsregister ergab drei offene Exekutionsverfahren, und zwar mit den betreibenden Parteien K* AG, Sozialversicherung der Selbständigen Linz sowie der Republik Österreich.
Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2025, Se*-6, zog die Antragstellerin den Konkursantrag wegen Zahlung zurück. In diesem Schreiben wies sie den Schuldner ausdrücklich darauf hin, dass etwaigen gerichtlichen Ladungen in dieser Angelegenheit unbedingt Folge zu leisten sei.
Zu der für den 10. Juni 2025 anberaumten Einvernahme-Tagsatzung erschien dennoch niemand. Die Zustellung der Ladung des Schuldners ist durch persönliche Übernahme ausgewiesen. Über Anfrage gab die Sozialversicherung der Selbständigen bekannt, dass ein Betrag von EUR 13.720,28 offen sei.
Mit Beschluss vom 11. Juni 2025, Se*-8, forderte das Erstgericht den Schuldner auf, gegen die aufgrund der Erhebungen feststehenden Zahlungsunfähigkeit binnen drei Tagen Einwendungen mitzuteilen. Eine Reaktion des Schuldners erfolgte nicht.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 9. Juli 2025 eröffnete das Erstgericht über das Vermögen des Schuldners das Konkursverfahren und bestellte Dr. F*, LL.M., Rechtsanwalt in G*, zum Masseverwalter. Es begründete seinen Beschluss damit, dass gegen den Schuldner seit 2022 insgesamt 30 Exekutionsverfahren eingeleitet, fast alle dieser Verfahren aber nach Zahlung wieder eingestellt worden seien. Auch die Antragstellerin habe ihren auf Zahlung von EUR 12.050,53 gestützten Antrag nach Zahlung wieder zurückgezogen. Bis zuletzt offen sei die fällige Forderung der SVS in Höhe von EUR 13.484,97 geblieben. Die gerichtliche Aufforderung, den Rückstand bei der SVS zu regulieren, sei ohne Erfolg geblieben. Bei dieser Sachlage sei nicht mehr von einer Zahlungsstockung, sondern von einer Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auszugehen. Kostendeckendes Vermögen sei in Form von Anfechtungsansprüchen, insbesondere gegenüber der Antragstellerin, vorhanden.
Hierauf meldeten bislang drei Gläubigerinnen Forderungen an, und zwar
- die K* Grundumlagen für die Jahre 2023 bis 2025 in Höhe von EUR 1.159,81,
- die L* eGen in Höhe von EUR 5.578,17 sowie
- die M* GmbH eine Insolvenzforderung in Höhe von EUR 39.022,71.
Gegen den Konkurseröffnungsbeschluss richtet sich der unbeantwortete Rekurs des Schuldners mit dem erkennbaren Antrag auf Abweisung des Insolvenzeröffnungsantrags. Er sei nicht zahlungsunfähig. Er habe EUR 13.488,69 an die SVS überwiesen und habe auch eine Ratenzahlung beansprucht.
Der Masseverwalter teilte zunächst mit, dass das Steuerkonto des Schuldners ein Guthaben in Höhe von EUR 1.586,36 ausweise, der Schuldner allerdings seit Februar 2025 keine UVA’s gelegt habe und sich das Guthaben daher schätzungsweise deutlich reduzieren werde.
In seinem ersten Bericht nimmt der Masseverwalter auch auf den Rekurs des Schuldners Bezug. Dieser habe ein Schreiben der SVS vom 14. Juli 2025 vorgelegt, in welchem bestätigt werde, dass auf dem Beitragskonto am 10. Juli 2025 Zahlungen in Höhe von EUR 13.488,69 eingelangt seien. Die SVS habe diesen Betrag dem laufenden Exekutionsverfahren zugeordnet und dieses Verfahren bei Gericht eingestellt. Auch die von der BH N* geführte Exekution über EUR 655,00 beim BG Vöcklabruck zu ** sei per 8. Juli 2025 eingestellt worden. Auch habe das L* zur angemeldeten Forderung von EUR 5.578,17 mitgeteilt, dass tatsächlich eine Zahlung von EUR 5.500,00 eingegangen sei. Anschließend listet er eine Reihe von offenen oder demnächst fällig werdenden Werkentgelten in nennenswerter Höhe aus erbrachten Leistungen des Schuldners auf.
Der Rekursist trotz der ihm verwehrten Neuerungserlaubnis (Schumacher in KLS, IO 2, § 71c Rz 30) berechtigt und es auch gemäß § 70 Abs 4 IO nicht zu berücksichtigen war, dass die Gläubigerin den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgezogen hat. Der Mitteilung der Antragstellerin vom 20. Mai 2025 kommt daher bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit keine Bedeutung zu. Vielmehr ist nach wie vor zu prüfen, ob die vom Erstgericht in seiner Begründung angeführte Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt seiner Beschlussfassung vorgelegen ist.
Rechtliche Beurteilung
Auszugehen ist daher davon, dass die Frage der Zahlungs(un)fähigkeit vom Rekursgericht grundsätzlich nur auf Basis der bei erstinstanzlicher Beschlussfassung gegebenen Aktenlage geprüft werden kann, weil der Schuldner die Vernehmungstagsatzung unbesucht ließ. Nach § 259 Abs 2 IO können nämlich Anträge, Erklärungen und Einwendungen, zu deren Anbringung eine Tagsatzung bestimmt ist, von den nicht erschienenen, gehörig geladenen Personen nachträglich nicht mehr vorgebracht werden. Somit ist es dem Schuldner verwehrt, im Rekurs gegen die Entscheidung über den Insolvenzeröffnungsantrag Neuerungen – insbesondere solche betreffend die Tatfrage seiner Zahlungs-(un)fähigkeit – vorzubringen, wenn er der Ladung zur Tagsatzung über den Konkursantrag bzw zu seiner Vernehmung keine Folge geleistet hat (Mohr, IO [2012], § 70 E 212 und § 71c E 14; OLG Linz 8.10.2013, 2 R 158/13p; 11 21.8.2014, 2 R 133/14p uva; OLG Graz 3 R 154/14p, ZIK 2015/37; RIS-Justiz RS0110967 T6 und RS0115313).
Die teilweise erst (wenngleich sehr kurz) nach Konkurseröffnung erfolgten Zahlungen erlauben in ihrer Gesamtheit gerade noch die Beurteilung, dass auch zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch keine Zahlungsunfähigkeit, sondern vielmehr Zahlungsstockung oder -unwilligkeit vorgelegen ist, die durchaus auf schlechte Organisation und/oder Überforderung des Schuldners zurückgeführt werden kann. Mittlerweile sind – auch nach dem ersten Bericht des Masseverwalters – sämtliche Exekutionsverfahren eingestellt. Das Rekursgericht geht davon aus, dass auch die Rückstande bei der K* sowie bei der L* eGen nur auf einer Zahlungsunwilligkeit und/oder Zahlungsstockung beruhen und die Fälligstellung des mit der M* GmbH vereinbarten Kredites (nur) eine Folge der zwischenzeitigen, nunmehr aber abwendeten Insolvenzeröffnung sind und diese offenen Verbindlichkeiten vom Schuldner angesichts der erlebten Folgen einer Insolvenzeröffnung demnächst reguliert werden.
Da zusammenfassend das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit gerade noch zu verneinen ist, war wie im Spruch zu erkennen und der – ohnehin zurückgezogene – Antrag auf Insolvenzeröffnung abzuweisen.
Die Bewertung des Entscheidungsgegenstandes orientiert sich an der Höhe der Insolvenzforderung der Antragstellerin.
Angesichts der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung und ihrer Abhängigkeit von der Beantwortung der Tatfrage nach der Zahlungs(un)fähigkeit des Schuldners liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung des ordentlichen Revisionsrekurses nicht vor.