JudikaturOLG Linz

8Bs127/25w – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
05. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Einzelrichterin Mag. Reinberg in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB über die Beschwerde des A* gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 29. Juli 2025, HR*-18, entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der vom Bund zu ersetzende Beitrag zu den Kosten der Verteidigung des A* auf EUR 890,40 erhöht.

Text

Begründung:

Bei der Staatsanwaltschaft Salzburg behing zu BAZ* ein Ermittlungsverfahren gegen A* wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung nach „§ 88 StGB“, das am 21. Juli 2025 gemäß § 190 StPO eingestellt wurde.

Über seinen Antrag vom 24. Juli 2025 (ON 70; inklusive Leistungsaufstellung/Kostenverzeichnis über die Gesamtsumme von EUR 3.564,50 inkl Erfolgszuschlag) bestimmte das Erstgericht den vom Bund zu ersetzenden Beitrag zu den Kosten seiner Verteidigung inklusive [vom Antrag allerdings nicht näher genannter, daher mit EUR 0,00 bestimmter] Barauslagen gemäß § 196a StPO mit EUR 500,00 (ON 18).

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des A*, mit der er eine „deutliche“ Erhöhung des zuerkannten Beitrags sowie den Ersatz von Barauslagen in der Höhe von EUR 15,40, hilfsweise die Kassation des Beschlusses und Rückverweisung der Angelegenheit zur neuerlichen Beschlussfassung anstrebt (ON 19).

Die Oberstaatsanwaltschaft hat sich dazu nicht geäußert.

Das Rechtsmittel ist im spruchgemäßen Umfang berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Wird ein Ermittlungsverfahren gemäß § 190 StPO eingestellt, so hat der Bund dem Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten. Der Beitrag umfasst die nötig gewesenen und vom Beschuldigten bestrittenen baren Auslagen und auch einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Beschuldigte bedient. Dieser Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen und darf (hier interessierend) in der Grundstufe den Betrag von EUR 6.000,00 nicht übersteigen (§ 196a Abs 1 StPO).

Wie beim Kostenbeitrag nach Freispruch im Hauptverfahren (§ 393a Abs 1 StPO) sind dabei (auch im Rahmen der gesetzlichen Höchstbeträge) nicht die gesamten notwendigen und zweckmäßigen Verteidigungskosten zu ersetzen (vgl Lendlin WK StPO § 393a Rz 10; ErläutRV 2557 BlgNR 27. GP 6), sondern handelt es sich (schon nach dem klaren Gesetzeswortlaut) um einen bloßen Beitrag, der pauschal zu bestimmen ist. Konkret ist bei dessen Bemessung im Falle eines durchschnittlichen Verfahrens der Grundstufe auch von den durchschnittlichen Verteidigungskosten für ein sogenanntes Standardverfahren auszugehen und dieser Betrag als Ausgangsbasis für die Bemessung des Pauschalkostenbeitrags heranzuziehen. Je nach Umfang der Ermittlungen, Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und konkretem Verteidigungsaufwand bei den Ermittlungsmaßnahmen kann sich der Betrag dann dem im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag annähern oder sich von diesem weiter entfernen. Der durchschnittliche Verteidigungsaufwand in einem gewöhnlichen Ermittlungsverfahren umfasst dabei nach der Vorstellung des Gesetzgebers eine Besprechung mit dem Mandanten, eine Vollmachtsbekanntgabe samt einem Antrag auf Akteneinsicht, ein angemessenes Aktenstudium, Vorbereitungstätigkeit und eine Teilnahme an einer Vernehmung in der Dauer von zwei Stunden. Er schlägt damit unter Heranziehung der Kostenansätze der Allgemeinen Honorarkriterien (AHK) mit rund EUR 3.000,00 zu Buche, wobei in dieser Berechnung zwar der Einheitssatz zu berücksichtigen ist, die vom Verteidiger in den AHK verankerten (Erfolgs- und Erschwernis-)Zuschläge jedoch außer Betracht zu bleiben haben (vgl ErläutRV 2557 BlgNR 27. GP 5).

Demnach soll sich dieser Beitrag nicht (mehr) primär an der gesetzlichen Höchstgrenze orientieren, sondern an den durchschnittlichen Verteidigerkosten im Standardverfahren. Infolge dessen kann die bisherige Rechtsprechung zur Regelung des § 393a Abs 1 StPO (idF Vor BGBl I 96/2024), die bei durchschnittlich einfachen Verteidigungsfällen den Einstieg bei 10% des jeweiligen Höchstbetrages sah, nicht mehr aufrecht erhalten werden (ErläutRV 2557 BlgNR 27. GP 8; wie hier: OLG Linz, 9 Bs 59/25b; OLG Linz, 7 Bs 74/25v; OLG Graz, 8 Bs 302/24h; vgl auch: Concin , Verteidigungskostenersatz NEU, ecolex 2024/458, 807).

Im Gegenstand wurde das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen einer verdachtsmäßigen Tat geführt, die im Hauptverfahren für sich prima vista [ausgenommen die theoretisch denkbare Qualifikation des § 88 Abs 4 zweiter Satz erste Alternative] die bezirksgerichtliche Zuständigkeit begründen würde. Einerseits handelt es sich um einen klassischen Vorwurf einer körperlichen (wohl) leichten Verletzung im Zuge eines Verkehrsunfalls (der Beschwerdeführer kollidierte beim Rechts-Einbiegen mit Schritttempo in eine durch Grünbewuchs erschwert einsehbare Kreuzung mit einem 10-jährigen Radfahrer, der, wie sich erst durch die Verantwortung des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren sowie ein von diesem beantragtes kfz-technisches Sachverständigengutachten ergab, kollisionsfördernd den an der zudem linken Straßenseite befindlichen abfallenden Gehweg mit dem Fahrrad befuhr, statt sich der Fahrbahn rechtsseitig zu bedienen), was in erster Linie auf Beweisebene - bei divergenten Aussagen hiezu - zu klären war.

Andererseits handelt es sich um keine anspruchslose Konstellation mit potenziell 14-Tage an Gesundheitsschädigung übersteigendem Taterfolg. Dessen Einordnung ergab sich in dieser Deutlichkeit auch erst durch Einholung eines unfallchirurgischen Sachverständigengutachtens (durch die Staatsanwaltschaft initiiert). Insgesamt konnten der Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer nicht von Beginn an ohne weitere Beweisaufnahmen geklärt werden, wurden aber nach Einholung zuletzt auch des kfz-technischen Sachverständigengutachtens ausgeräumt. In ihrer Gesamtheit präsentiert sich die Angelegenheit damit keineswegs als völlig unterdurchschnittlich, sondern annähernd durchschnittlich komplex.

Damit blieb der konkrete Verteidigungsaufwand nicht deutlich hinter dem vom Gesetzgeber bedachten Durchschnittsfall zurück. Indem zunächst eine Vollmachtsbekanntgabe mit dem Antrag auf Akteneinsicht eingebracht und Akteneinsicht genommen wurde, wohl auch vorbereitende Tätigkeiten durchgeführt wurden, nahm der Verteidiger nach der Aktenlage und entgegen des angefochtenen Beschlusses tatsächlich auch an der Beschuldigtenvernehmung, im Zuge derer sich der Beschwerdeführer nicht zum Vorwurf äußerte (§ 7 Abs 2 zweiter Satz StPO), teil, dies laut Protokoll in der Zeit von 16.00 Uhr bis 16.15 Uhr (ON 2.5,3; zwar nicht nachweislich in der Dauer von 2/2, die sich gegebenenfalls an einer Wartezeit oder Vor- und Nachbesprechung orientiert, die hier ohne Beachtung bleiben kann), weiters einer mehrseitigen Stellungnahme, mit auf das Ergebnis durchschlagenden Ausführungen, die letztlich im Sachverständigengutachten des Kraftfahrtechnikers Bestätigung fanden und somit auch einer Aufbereitung des Sachverhaltes dienten; ebensolches gilt damit auch für den Beweisantrag auf Einholung einer kfz-technischen Expertise, wie schon vom Erstgericht zutreffend als notwendige und zweckmäßige Verteidigerleistungen eingeordnet.

Unter Berücksichtigung der von der Verteidigung erbrachten notwendigen und zweckmäßigen Leistungen, der durchschnittlichen Komplexität des konkreten Tatvorwurfs sowie des für ein bezirksgerichtliches Verfahren bereits durchschnittlichen Aktenumfangs und des Umfangs der Ermittlungen mit Beweisaufnahmen auch durch Sachverständigengutachten war der Pauschalbetrag des Bundes zu den Kosten der Verteidigung (auf EUR 875,00) anzuheben. Dazu kommen die – wenngleich in erster Instanz nicht beantragten (vgl ON 17, 3; dazu: Mayerhofer/Hollaender, StPO 5 § 393a E 10) – so doch, wenngleich mit „Null“ bezifferten, zuerkannten - und in der Beschwerde thematisierten tatsächlich bestrittenen baren Auslagen von EUR 15,40 (vgl Einzahlungsbestätigung ON 19.4, 1), die damit im Akteninhalt Deckung finden.

Der Beschwerde war demgemäß im spruchgemäßen Umfang Folge zu geben und der vom Bund zu ersetzende Beitrag zu den Verteidigungskosten (inkl Barauslagen) auf EUR 890,40 zu erhöhen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).