10Bs133/25t – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB über die Berufung der Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafegegen das Urteil des Landesgerichts Wels vom 29. April 2025, Hv1*-12, und deren (implizierte) Beschwerde gegen den zugleich ergangenen Beschluss nach § 494a Abs 6 StPO nach der in Anwesenheit des Ersten Oberstaatsanwalts Mag. Winkler LL.M. sowie der Angeklagten und deren Verteidigers DDr. Schwarz durchgeführten Berufungsverhandlung am 21. Juli 2025
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
II. beschlossen:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die ** geborene A* des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten und zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit 90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes wurde mit EUR 4,00 festgesetzt.
Nach dem Schuldspruch hat sie am 27. Jänner 2025 in B* vorsätzlich als Zeugin bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache vor der Kriminalpolizei in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung falsch ausgesagt, und zwar dadurch, dass sie (wahrheitswidrig) angab: „...Dann ging alles ganz schnell, C* ist dann auf D* losgegangen und hat sie an den Haaren am Boden entlanggezogen. Ich konnte dann sehen wie das Handy von E* weggeflogen ist. C* hat D* an den Haaren gehalten und bis zur Trafik gezogen die dort war, es waren sicher 10 Meter wo sie entlanggezogen wurde. D* lag am Boden und C* zog sie richtig über den Boden. Ich habe dann überlegt ob ich C* wegschubsen soll, das habe ich aber nicht gemacht, weil sonst wären D*s Haare noch stärker ausgerissen worden. Dann hat C* die Haare nach rund 3 - 4 Minuten losgelassen und D* hat sie dann weggeschubst und ist dann weggelaufen...“.
Mit Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO wurde aus Anlass der Verurteilung vom Widerruf der der Angeklagten zu Hv2* des Landesgerichts Wels gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen jedoch gemäß Abs 6 leg. cit. die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe (ON 16) mit der sie als primäres Ziel die Aufhebung der Entscheidung anstrebt. Mit ihrer implizierten Beschwerde gegen den nach § 494a Abs 6 StPO gefassten Beschluss wendet sie sich zudem gegen die Verlängerung der Probezeit.
Die Berufung, zu der die Oberstaatsanwaltschaft eine Stellungnahme abgegeben hat, ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Schuldberufung ist vorauszuschicken, dass das Gericht die im Verfahren vorgekommenen Beweismittel in Ansehung ihrer Glaubwürdigkeit und Beweiskraft prüft und aufgrund des Ergebnisses dieses Vorgangs zur Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen entscheidender Tatsachen kommt, die es im Urteil feststellt. Die Beweismittel sind dabei nicht nur einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit und ihrem inneren Zusammenhang zu würdigen (vgl RIS-Justiz RS0098314). In diesem Sinn gelingt es A* nicht, hinreichende Zweifel an der erstrichterlichen Beweiswürdigung und den darauf basierenden Feststellungen zu wecken, begründete die Erstrichterin die subjektive Tatseite doch nachvollziehbar damit, dass die Angeklagte - in Kenntnis des tatsächlichen Geschehensablaufs vom 20. Jänner 2025 - im Zuge ihrer förmlichen Einvernahme am 27. Jänner 2025 vor Beamten der Polizeiinspektion B* eine dazu divergierende Aussage tätigte. Die ursprüngliche Verantwortung der Angeklagten, sie hätte deshalb falsch ausgesagt, weil sie danach mit C* und D* über den Vorfall gesprochen- und die Situation noch einmal selbst reflektiert habe (AS 4 in ON 4.6, AS 4ff in ON 2.11), ist in Ansehung der eindeutigen Erstangaben („Dann ging alles ganz schnell, C* ist dann auf D* losgegangen und hat sie an den Haaren am Boden entlanggezogen...C* hat D* an den Haaren gehalten und bis zur Trafik gezogen die dort war, es waren sicher 10 Meter wo sie entlanggezogen wurde“ [AS 5 in ON 2.12]) nicht geeignet, die erstgerichtlichen Ausführungen zur inneren Tatseite in Zweifel zu ziehen. Dass am 27. Jänner 2025 (derartiges könnte der Verantwortung der Angeklagten in der Hauptverhandlung zu entnehmen sein [AS 4 in ON 11]) eine Falschprotokollierung durch die vernehmenden Polizeibeamten erfolgt sei, ist hingegen auszuschließen, bestätigte die Angeklagte doch in ihrer zweiten Niederschrift am 18. Februar 2025 ausdrücklich, zuvor objektiv-falsche Angaben getätigt zu haben (AS 4 in ON 2.11). Zur Kritik an der erstgerichtlichen Beweiswürdigung ist festzuhalten, dass bei Würdigung der Angaben von Personen, die das Gericht selbst vernommen hat, der persönliche Eindruck der erkennenden Richter entscheidend ist. Dieser unmittelbare, lebendige Eindruck, der sich auch auf das Auftreten, die Sprache, die Ausdrucksweise und die Bewegungen einer Person stützen kann, lässt sich nicht immer erschöpfend in Worte kleiden und muss daher im Urteil nicht in allen Einzelheiten dargelegt und wiedergegeben werden ( Lendl in Fuchs/Ratz, WK StPO § 258 Rz 27). Dass das Gericht im Zuge seiner Beweiswürdigung letztlich zum (nachvollziehbar dargestellten) Ergebnis kam, dass die Angeklagte die im Urteilstenor beschriebene Tat in objektiver und subjektiver Hinsicht begangen hat, ist Vorgang der freien Beweiswürdigung, handelt es sich dabei doch um einen kritisch-psychologischen Vorgang, bei dem durch Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungssätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind (RIS-Justiz RS0098390). Weil zudem die Feststellungen des Erstgerichts zur subjektiven Tatseite, das vom äußeren Tatablauf auf den deliktspezifischen Vorsatz schloss (vgl RIS-Justiz RS0116882), nicht korrekturbedürftig waren, bleibt entgegen der Ansicht der Angeklagten kein Raum für den Zweifelsgrundsatz ( Lendl in Fuchs/Ratz, WK StPO § 258 Rz 36f). Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Angeklagte ca. drei Wochen nach Vollendung ihrer strafbaren Handlung falsche Angaben richtigstellte.
Bei der Strafbemessung wertete die Erstrichterin als mildernd die teilweise geständige Verantwortung, erschwerend hingegen (zwei) einschlägige Vorverurteilungen. Damit wurde der Strafzumessungskatalog vollständig dargestellt. Schuldaggravierend wirkte sich zusätzlich die Tatbegehung während offener Probezeit aus (vgl RIS-Justiz RS0090597, RS0090954).
§ 288 StGB dient als abstraktes Gefährdungsdelikt der strafrechtlichen Absicherung der Wahrheitsfindung durch das Gericht, sodass der Milderungsgrund des ernstlichen Bemühens, den verursachten Schaden gutzumachen oder weitere nachteilige Folgen zu verhindern (§ 34 Abs 1 Z 15 StGB) – entgegen der in der Berufung vertretenen Ansicht - hier nicht in Anspruch genommen werden kann.
Eine fehlerhafte Gewichtung der Strafzumessungsgründe zulasten der Angeklagten, ist – insgesamt betrachtet – nicht auszumachen. Bei Abwägung der Strafzumessungslage und der allgemein im Sinn des § 32 Abs 2 und Abs 3 StGB anzustellenden Erwägungen erweist sich bei dem zur Verfügung stehenden Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren die vom Erstgericht gefundene Sanktion mit Blick auf den Unrechts- und Schuldgehalt der begangenen Tat – aber auch wegen der einschlägigen Vorstrafenbelastung - keineswegs als zu streng bemessen und ist somit keiner Reduktion zugänglich. Dementsprechend scheitert auch der begehrte Ausspruch einer gänzlich bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe am Vorleben der Angeklagten.
Die Verlängerung der im Verfahren Hv2* des Landesgerichts Wels ausgesprochenen Probezeit war alleine wegen der Identität der Rechtsgutbeeinträchtigung angezeigt.