6R84/25b – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edeltraud Kraupa als Vorsitzende sowie Dr. Karin Gusenleitner-Helm und Mag. Hermann Holzweber in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, Pensionist, **, **, vertreten durch Dr. Gerhard Paischer, Rechtsanwalt in Braunau am Inn, gegen die beklagte Partei B* , FN **, **straße **, **, vertreten durch Dr. A. Michael Dallinger, Rechtsanwalt in Wels, wegen EUR 17.541,67 sA und Feststellung (Interesse: EUR 1.000,-), über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 28. Mai 2025, Cg*-12, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 2.089,32 (darin EUR 348,22 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt insgesamt EUR 5.000,-, nicht jedoch EUR 30.000,-.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 27. Juni 2024 besuchte der Kläger – so wie in den letzten Jahren jeweils in den Sommermonaten durchschnittlich ein Mal pro Monat – ein von der Beklagten betriebenes Kaufgeschäft, das mit einem beigen Fliesenboden ausgestattet ist. Er folgte flotten Schrittes zunächst seiner Gattin über den je nach Bestückung und Aufstellung der Regale ca 1,2 bis 1,8 m breiten Hauptgang. Dann wollte er nach links in einen „ seitlichen Regalgang “ einbiegen.
In diesem Eckbereich war zur Warenpräsentation eine ca 90 cm lange, 60 cm breite und 10 cm hohe Holzpalette aufgestellt, auf der eine grüne Filzmatte lag. Darauf befanden sich ca 1 x 1 m große Kartonagen, die etwa zwei Drittel der Fläche der Palette abdeckten und leicht schräg gegen das dahinter befindliche Regal angelehnt waren, sowie ein etwa 80 cm hoher Ständer mit einem weißen Preisschild in grüner Umrandung. Diese Palette ragte ca 30 cm in den Hauptgang hinein, was in unterschiedlichem Ausmaß auch an anderen Ecken zwischen dem Haupt- und Seitengang der Fall war. Die Breite des Seitenganges war im Bereich der Palette auf ca 75 cm verschmälert. Der Bereich war einwandfrei ausgeleuchtet und die Palette vor allem auf Grund des deutlichen Farbkontrastes zwischen dem Fliesenboden und der Filzabdeckung auffällig und aus mehreren Metern Entfernung gut wahrnehmbar.
Als der Kläger nach links in den Seitengang einbog, übersah er die Palette und stürzte, weil er nicht vor die Füße geblickt hatte. Dabei erlitt er einen Oberschenkelhalsbruch.
Der Kläger begehrte unter Berücksichtigung eines 25 %igen Mitverschuldens neben der mit EUR 1.000,- bewerteten Haftungsfeststellung den Ersatz folgender Schadenspositionen: Schmerzengeld EUR 15.000,- Haushaltshilfe EUR 1.500,- Physiotherapiekosten EUR 135,- Krankenhauskosten EUR 531,67 Fahrtkosten EUR 375,- gesamt EUR 17.541,67
Die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, eine zumutbare Sicherung oder Kennzeichnung der eine Gefahrenquelle darstellenden Palette durchzuführen. Der Kläger habe sie übersehen, weil ein Umzugskarton über die Palette hinweg geragt sei.
Die Beklagte bestritt und beantragte Klagsabweisung. Der Sturz sei auf kein Fehlverhalten der Beklagten bzw ihrer Gehilfen zurückzuführen, sondern auf das Alleinverschulden des Klägers. Die in Rede stehende Palette sei bereits mehr als 16 Jahre lang an derselben Stelle aufgestellt gewesen, ohne dass es Beschwerden diesbezüglich gegeben hätte.
Das Erstgericht wies die Klage auf Basis des eingangs im Wesentlichen wiedergegebenen Sachverhalts unter Darlegung der dazu zu beachtenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung ab. Zusammengefasst sei die Aufstellung derartiger Paletten zu Verkaufszwecken in Verkaufsgeschäften der „ B*gruppe “ üblich und die Situierung der Verkaufsregale dem Kläger von früheren Einkäufen bekannt. Unter diesen Umständen liege keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor. Vielmehr sei es dem Kläger als Sorgfaltsverstoß anzulasten, dass er in flottem Tempo gehend seiner Wegstrecke keine entsprechende Aufmerksamkeit zugewandt habe, wodurch er die gut wahrnehmbare Palette übersehen habe.
Dagegen beruft der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Ziel einer gänzlichen Klagsstattgabe; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung die Bestätigung des Ersturteils.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht hält die Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig, hingegen die damit bekämpfte Begründung des angefochtenen Urteils für zutreffend, sodass auf diese verwiesen werden kann (§ 500a ZPO).
1.1. Die Berufung konzediert, dass Fußgänger grundsätzlich vor die Füße schauen und der eingeschlagenen Wegstrecke Aufmerksamkeit zuwenden müssen (RIS-Justiz RS0027447). Die Behauptung, dass von Kaufhauskunden eine geringere Sorgfaltspflicht verlangt werde, da Kaufhausbetreiber die Aufmerksamkeit der potenziellen Kunden auf das Warenangebot lenken würden, welches üblicherweise in den Regalen und nicht am Boden untergebracht sei, ergibt sich jedenfalls nicht aus der von der Berufung zitierten Entscheidung OGH 1 Ob 112/05k: In jener Entscheidung, die ein Ausrutschen eines Baumarktkunden auf einem „ grellrosa Farbfleck “ betraf, hat der OGH eine Abhilfemaßnahme durch Darüberstellen eines Stuhles für ausreichend erachtet (und nicht etwa den Stuhl selbst als Gefahrenquelle betrachtet).
Die Berufung meint außerdem, eine Verschmälerung des Ganges durch Paletten sei weder üblich noch jedermann allgemein bekannt. Vielmehr ergebe sich durch das Aufstellen derartiger Paletten eine massive Gefährdung, zumal von den Kunden nicht verlangt werden könne, dass sie im Kaufgeschäft ihre Aufmerksamkeit durchgehend auf den Boden richten, würden sie diese doch üblicherweise auf die in den Regalen präsentierten Waren lenken. Somit habe die Beklagte durch die Schaffung einer „ Stolperfalle “ gegen ihre Pflichten verstoßen, obwohl ihr bewusst sein hätte müssen, dass insbesondere von älteren Personen Paletten am Boden nicht ausreichend beobachtet bzw deren Ausmaße nicht richtig eingeschätzt werden könnten. Eine Beseitigung der Gefahr wäre zumutbar gewesen, zumal eine Warenpräsentation auch ohne Schaffung derartiger Gefahrenquellen möglich sei.
1.2. Nach gefestigter höchstgerichtlicher Rechtsprechung ist auch vom Besucher eines Kaufhauses zu erwarten, dass er der einzuschlagenden Wegstrecke Aufmerksamkeit zuwendet (RIS-Justiz RS0023787). Das Berufungsgericht teilt (wie schon zu OLG Linz 6 R 22/24h ausgeführt) die Rechtsansicht des OLG Wien, das zu 2 R 166/12i einen durchaus vergleichbaren Fall zu beurteilen hatte: Dort übersah die Klägerin als Kundin eines Supermarktes beim Abbiegen das Eck einer Palette und stürzte. In rechtlicher Hinsicht verwies das OLG Wien darauf, „ dass in den von der Erstbeklagten betriebenen Supermarktfilialen ein großer Teil der Waren auf Paletten angeboten wird. […] Da sich der Holzboden dieser Paletten vom hellbeige gesprenkelten Ton der Bodenfliesen gut abhebt […], bilden sie […] auch im unbeladenen Zustand kein Sicherheitsrisiko, gegen das die Beklagten Vorkehrungen treffen müssten. Vielmehr musste die Klägerin als Kundin die Möglichkeit in Betracht ziehen, beim Durchschreiten der Verkaufsräume auch – vorübergehend – leere Paletten anzutreffen, und bei Abbiegemanövern die entsprechende zumutbare Vorsicht walten lassen, um nicht an einem Paletteneck hängen zu bleiben “.
Im hier zu beurteilenden Fall wird zwar nicht ein „ großer “ Teil der Waren auf Paletten angeboten, aber immerhin befanden sich solche Paletten an mehreren Ecken von Gängen. Andererseits hob sich die Palette hier farblich noch besser vom Boden des Verkaufslokals ab. Hinzu kommt, dass die Palette hier nicht leer, sondern mit Ware und einem Verkaufsschild bestückt war, sodass es für den Kläger gar nicht erforderlich war, auf den Boden zu schauen. Die Konstruktion erreichte insgesamt eine Höhe von 1,1 m. Zusammenfassend lag daher auch hier keine Gefahrensituation vor, die der Kläger nicht selbst hätte erkennen und der er nicht selbst ohne weiteres hätte begegnen können.
2. Ferner leitet die Berufung daraus, dass die Gangbreite im Bereich der Sturzstelle auf lediglich 75 cm verschmälert war, einen schuldhaften Verstoß gegen die Verkehrssicherungs- und vertraglichen Schutzpflichten ab, zumal gemäß ÖNorm B 1600 in derartigen Geschäften im Bereich der Durchgänge eine freie Durchgangsbreite von 120 cm bestehen müsse.
Soweit sich der Kläger erstmals in der Berufung auf die ÖNorm B 1600 beruft, ist ihm das Neuerungsverbot entgegenzuhalten. Im Übrigen handelt es sich bei ÖNormen idR nicht um ein Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB, sondern um die Zusammenfassung üblicher Sorgfaltsanforderungen, zu deren Inhalt und Verletzung in erster Instanz jedoch keine Tatsachenbehauptungen aufgestellt wurden (vgl OGH 2 Ob 193/09k uHa RIS-Justiz RS0022153 und RS0038622).
3.1. Der Berufung kommt daher kein Erfolg zu.
3.2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die § 50, 41 ZPO.
3.3. Der Bewertungsausspruch orientiert sich an der unbeanstandeten Bewertung des Feststellungsbegehrens durch den Kläger.
3.4. Die Revision ist wegen der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung und mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig.