2R71/25m – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag. Bernhard Telfser als Vorsitzenden, Dr. Werner Gratzl und Mag. Christine Mayrhofer in der Rechtssache des Klägers A* B* , geb. **, **, **, vertreten durch Mag. Manfred Arthofer, Rechtsanwalt in Steyregg, gegen die beklagten Parteien 1. C* , geb. **, ** Straße **, **, und 2. D* AG , E* , FN **, **, **, beide vertreten durch Prof. Mag. Dieter Schnetzinger, Rechtsanwalt in Linz, wegen EUR 40.540,24 sA und Feststellung (Streitwert EUR 10.000,00), über die Berufung der Beklagten gegen das Zwischenurteil des Landesgerichtes Linz vom 6. März 2025 (signiert am 12.3.2025), Cg*-11, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
entscheidungsgründe:
Am 1. September 2021 ereignete sich gegen 20.50 Uhr auf der **straße in F* ein Verkehrsunfall. Der Erstbeklagte fuhr mit seinem bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten Motorrad der Marke Honda (Kennzeichen **), von G* kommend auf der L ** in Richtung H*/I*. Der Kläger lenkte sein Kleinkraftrad der Marke Derbi Senda X-Treme 50 SM (Kennzeichen **) von I* kommend in der Gegenrichtung. Auf Höhe des Straßenkilometers ** kam es zur Frontalkollision der beiden Zweiräder. Durch die Wucht des Aufpralls wurden die Lenker jeweils in ihre ursprüngliche Fahrtrichtung geschleudert und kamen schließlich in den angrenzenden Straßengräben zum Liegen.
Mit seiner Klage vom 20. Oktober 2024 begehrt der Kläger von den Beklagten unter Anrechnung einer Akonto-Zahlung von EUR 3.000,00 die weitere Leistung von EUR 40.240,24. Zudem begehrt er gegenüber den Beklagten die Feststellung der Haftung für sämtliche zukünftige Schäden aus dem Unfall.
Die Beklagten bestritten und beantragten die Abweisung der Klage. Sie wendeten Verjährung der geltend gemachten Forderung ein, zumal der Unfall bereits am 1. September 2021 geschehen sei und die Klage erst am 20. Oktober 2024, somit nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist eingereicht worden sei.
Der Klagevertreter habe mit Schreiben vom 18. Jänner 2022 Ansprüche dem Grunde nach geltend gemacht. Es werde bestritten, dass die Zweitbeklagte das Alleinverschulden des Erstbeklagten daraufhin anerkannt habe. Die Zweitbeklagte habe vielmehr in ihrer Stellungnahme vom 16. Februar 2022 ausdrücklich betont, dass sie lediglich unpräjudiziell und nur für den Fall eines außergerichtlichen Vergleichs von einem Verschulden des Erstbeklagten ausgehe. Das in der Folge zu den Verletzungsfolgen des Klägers außergerichtlich eingeholte medizinische Sachverständigengutachten sei dem Klagevertreter am 27. Februar 2024 per E-Mail übermittelt worden. Der Kläger habe seine Forderungen weder konkretisiert, noch einen Verjährungsverzicht gefordert.
Der Kläger replizierte, es sei zutreffend, dass sein Vertreter mit Schreiben vom 18. Jänner 2022 erstmals an die Zweitbeklagte herangetreten sei, um seine Ansprüche geltend zu machen. Er sei bis zum 28. November 2021 in ambulanter Behandlung gewesen. Erst danach sei das Ausmaß des Schadens genauer zu erkennen gewesen. Mit E-Mail vom 16. Februar 2022 habe die Zweitbeklagte mitgeteilt, dass von einem Verschulden des Erstbeklagten ausgegangen werde. Der Hinweis der Zweitbeklagten, dass dies „unpräjudiziell für den außergerichtlichen Vergleichsfall“ geschehen sei, sei nach § 1497 ABGB jedoch unerheblich. Zudem habe die Zweitbeklagte am 26. Mai 2023 einen Teilbetrag von EUR 3.000,00 gezahlt, wodurch die Verjährung jedenfalls unterbrochen worden sei, zumal diese Zahlung als schlüssiges Anerkenntnis zu werten sei.
Mit dem angefochtenen Zwischenurteil nach § 393a ZPO erkannte das Erstgericht , dass hinsichtlich der klagsgegenständlichen Ansprüche keine Verjährung eingetreten sei.
Es legte seiner Entscheidung zusätzlich zum eingangs wiedergegebenen Sachverhalt zusammengefasst noch folgende Feststellungen zugrunde:
Wegen der Verletzungen, die der Kläger beim Unfall am 1. September 2021 erlitt, befand er sich bis zum 28. November 2021 in ambulanter Behandlung.
Am 18. Jänner 2022 trat der Klagsvertreter erstmals an die Zweitbeklagte heran, um die Ansprüche des Klägers geltend zu machen. Die Zweitbeklagte reagierte mit E-Mail vom 16. Februar 2022, indem sie „unpräjudiziell für den außergerichtlichen Vergleichsfall“ von einem Verschulden des Erstbeklagten ausging (Beil./1).
Am 26. Mai 2023 erfolgte durch die Zweitbeklagte eine Zahlung von EUR 3.000,00 auf das Konto des Klägers. Diese Zahlung wurde ausdrücklich als ungewidmetes Akonto bezeichnet (Beil./D).
Im Februar 2024 übermittelte die Zweitbeklagte an den Klagevertreter das zu den Verletzungsfolgen des Klägers außergerichtlich eingeholte medizinische Sachverständigengutachten. Es kann nicht festgestellt werden, ob die Zweitbeklagte damit oder danach ein weiteres Angebot über die Zahlung eines Teilschmerzengeldes an den Klagsvertreter erstattete.
Rechtlich urteilte das Erstgericht, dass für den Beginn der Verjährung nicht das Unfalldatum 1. September 2021 ausschlaggebend sei, weil die Verjährung erst mit jenem Zeitpunkt zu Laufen beginne, indem der Geschädigte erstmals so ausreichend Kenntnis von Schaden und Schädiger habe, dass er seine Ansprüche mit Aussicht auf Erfolg geltend machen könne. Darüber hinaus werde gemäß § 1497 ABGB die Verjährung unterbrochen, wenn der Schuldner durch sein Verhalten erkennen lasse, dass er sich seiner Zahlungsverpflichtung bewusst sei. Dabei genüge es, dass er die Forderung dem Grunde nach anerkenne, sei es ausdrücklich, schlüssig oder deklarativ. Eine Teilzahlung könne ein solches deklaratives Anerkenntnis darstellen, sofern zweifelsfrei erkennbar sei, dass der Schuldner damit nur einen Teil der Forderung abtragen wolle und nicht die gesamte Schuld beglichen sehe.
Hier sei am 26. Mai 2023 eine Akonto-Zahlung erfolgt, die ausdrücklich als solche bezeichnet worden sei. Da eine Akonto-Zahlung naturgemäß eine Teilzahlung auf eine noch offene Forderung sei, sei sie als deklaratives Anerkenntnis zu qualifizieren. Sie bestätige die fortbestehende Schuld und unterbreche daher die Verjährung. Da die Verjährungsfrist mit der Akonto-Zahlung neu zu laufen begonnen habe, sei die Klage rechtzeitig innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist erhoben.
Gegen das Zwischenurteil richtet sich die unbeantwortet gebliebene Berufung der Beklagten mit einer Rechtsrüge. Die Beklagten begehren in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung die Feststellung, dass hinsichtlich der klagsgegenständlichen Ansprüche Verjährung eingetreten und der Kläger kostenersatzpflichtig sei. In eventu wird ein Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagten vertreten in ihrem Rechtsmittel die Auffassung, dass der Kläger bereits zum Zeitpunkt des Unfalls die für eine Klage relevanten Umstände, nämlich den Schaden und den Schädiger, gekannt habe, sodass er - wenn er schon nicht eine Leistungsklage erheben habe wollen - eben auf die Feststellung der Haftung für zukünftige Schäden klagen hätte können.
Die darüber hinaus erfolgte Teilzahlung führe zwar möglicherweise zu einem deklarativen Anerkenntnis, wenn der Schuldner erkennen lasse, dass er einen Teil seiner Schuld abzahlen wolle oder er als Abschlag auf eine unter Umständen erst im Prozessweg festzustellende weitergehende Verpflichtung leiste. Für die Anerkennung der Unterbrechungswirkung müssten aber positive Anhaltspunkte für die Absicht des Schuldners gegeben sein. Könne jedoch die Absicht des Schuldners nicht deutlich und zweifelsfrei erschlossen werden, liege eine Unterbrechung hinsichtlich der Restschuld nicht vor. Dies sei bei einer als „unpräjudiziell“ bezeichneten Zahlung der Fall.
Diese Kritik ist insgesamt nicht stichhältig, vielmehr ist auf die zutreffende rechtliche Beurteilung des Erstgerichts zur Unterbrechung der Verjährung durch Teilzahlung zu verweisen (§ 500a ZPO; RS0034464). Die Beklagten erkennen selbst, dass nach § 1497 ABGB neben einem konstitutiven Anerkenntnis, das einen neuen Verpflichtungsgrund schafft, auch das unechte oder deklarative Anerkenntnis, sohin die bloße Wissenserklärung, eine Anerkennung iSd zitierten Bestimmung sein könne.
Für die gesetzmäßige Ausführung der Rechtsrüge ist zunächst von den Feststellungen in erster Instanz auszugehen. Unbekämpft steht fest, dass die Zweitbeklagte auf die Ansprüche des Klägers mit E-Mail vom 16. Februar 2022 reagierte, indem sie unpräjudiziell für den außergerichtlichen Vergleichsfall von einem Verschulden des Erstbeklagten ausging.
Der Oberste Gerichtshof hielt bereits in der Entscheidung 2 Ob 20/94 (RS0034464 [T5]) fest, dass ein Schreiben der Beklagten, wie es hier mit dem E-Mail vom 16. Februar 2022 festgestellt ist, eine (zumindest deklarative) Anerkennung dem Grunde nach erfüllt. Der Beisatz „für den Fall einer außergerichtlichen Bereinigung“ sei nämlich der Anerkennungswirkung ebenso wenig abträglich, wie die in der Berufung erwähnte „Unpräjudizialität“ von Teilzahlungen (2 Ob 20/94). Der guten Ordnung halber ist festzuhalten, dass hier die Teilzahlung vom 26. Mai 2023 ohnehin nicht „unpräjudiziell“ erfolgte, sondern als ungewidmetes Akonto. Da nach der zitierten Judikatur des Höchstgerichts schon mit dem E-Mail vom 16. Februar 2022 ein unechtes deklaratives Anerkenntnis der Beklagten vorliegt, konnten die Ansprüche des Klägers nicht vor 16. Februar 2025 verjähren. Die Klage ist damit rechtzeitig erhoben. Zudem führt auch die ungewidmete Teilzahlung als Akonto – entgegen den Berufungsausführungen (die Entscheidungen SZ 48/44 und ZVR 1996/24 = 2 Ob 26/94 sagen nichts Gegenteiliges aus) - der Rechtsprechung folgend zur Unterbrechung der Verjährung (RS0034464 [T5]). Die Berufung bleibt erfolglos.
Der Kostenvorbehalt stützt sich auf eine analoge Anwendung der §§ 393 Abs 4 und 52 Abs 4 ZPO (2 Ob 6/13s, 3 Ob 9/14s).
Da sich das Berufungsgericht auf die zitierte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs berufen konnte, war die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen.