10Bs29/25y – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Maßnahmenvollzugssache A* wegen bedingter Entlassung über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 21. Jänner 2025, BE*-16, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der am ** geborene A* wurde im zweiten Rechtsgang mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 13. Jänner 2023, Hv1*-173, und unter Einbeziehung der im ersten Rechtsgang rechtskräftig gewordenen Schuldsprüche des Urteils des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 21. April 2022, Hv1*-118, wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 75, 15 StGB, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB sowie des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren und 9 Monaten verurteilt sowie gemäß § 21 Abs 2 StGB in ein forensisch-therapeutisches Zentrum eingewiesen.
Inhaltlich des Schuldspruchs hat A*
1. am 18. Juli 2021 B* durch mehrere Schüsse mit der Pistole der Marke C*, Nr **, in den Körper vorsätzlich zu töten versucht;
2. am 17. Juli 2021 in ** B* vorsätzlich durch Schläge auf den Kopf und gegen das Gesicht am Körper verletzt, wodurch diese ein Monokkelhämatom am linken Auge und ein Hämatom an der linken Schläfe erlitt;
3. ab einem unbekannten Zeitpunkt im Jahr 2015 oder 2016 bis zum 18. Juli 2021, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt Schusswaffen der Kategorie B, nämlich eine Pistole der Marke C*, Nr **, und eine weitere Faustfeuerwaffe (sogenannter „Hasentöter“), besessen.
Im Rahmen der jährlichen Überprüfung gemäß § 25 Abs 3 StGB stellte das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss – nach Einholung einer Stellungnahme des forensisch-therapeutischen Zentrums D* vom 7. November 2024 (ON 8) und eines Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen Univ. Doz. Dr. E* vom 10. Dezember 2024 (ON 9) sowie nach Anhörung des Betroffenen am 21. Jänner 2025 (ON 14) – die Notwendigkeit der weiteren Unterbringung des Genannten in einem forensisch-therapeutischen Zentrum fest (ON 16).
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Beschwerde des Betroffenen (ON 15 iVm ON 20) ist nicht berechtigt.
Die – gemäß § 17 Abs 1 Z 3 iVm § 163 StVG auch im Verfahren über die bedingte Entlassung aus der Maßnahmenunterbringung zu gewährende – Übersetzungshilfe gemäß § 56 StPO ist grundsätzlich von Amts wegen zu gewährleisten ( Bachner-Foregger in Fuchs/Ratz, WK StPO § 56 Rz 16). Voraussetzung für die Gewährung ist, dass sich der Betroffene in der Verfahrenssprache nicht hinreichend verständigen kann, d.h. die Gerichtssprache nicht versteht oder sich darin nicht ausdrücken kann ( Bachner-Foregger in aaO § 56 Rz 10).
Fallkonkret liegen der Beschwerdeargumentation zuwider keine Anhaltspunkte für mangelnde Deutschkenntnisse des Betroffenen vor. Vielmehr hielt der Erstrichter im Anhörungsprotokoll vom 21. Jänner 2025 ausdrücklich fest, dass eine Kommunikation mit dem Betroffenen problemlos auf Deutsch möglich gewesen sei (S. 3 in ON 14). Berücksichtigt man ferner den Umstand, dass der Betroffene auch bei der Befundaufnahme durch den Sachverständigen ohne Beiziehung eines Dolmetschers umfangreiche Angaben in deutscher Sprache machte (S. 13ff in ON 9), besteht kein Zweifel daran, das sich der Betroffene hinreichend in deutscher Sprache ausdrücken kann und diese auch versteht.
Im Übrigen hielt auch die Erstrichterin im Hauptverhandlungsprotokoll vom 20. April 2022 im Verfahren vor dem Landesgericht Graz, Hv2*, fest, dass der Angeklagte der deutschen Sprache „sehr gut mächtig“ ist (S. 17 in ON 115). In Zusammenschau mit der Tatsache, dass die Vernehmung des Betroffenen in der Hauptverhandlung trotz Anwesenheit eines Dolmetschers in deutscher Sprache erfolgte, lediglich ein Wort von der Dolmetscherin übersetzt wurde (S. 14 in ON 117), ist die Einschätzung des Erstrichters nicht zu beanstanden, zumal der Angeklagte umfangreiche und detailierte Angaben zum Tatvorwurf machte. Zudem gab der Betroffene bei seiner Einvernahme im Ermittlungsverfahren an, dass er die deutsche Sprache verstehe und diese auch lesen könne, weshalb er keinen Dolmetscher benötige, wobei er wiederum umfangreiche Angaben zur Sache machte (S. 3 in ON 7.3).
Soweit der Betroffene ferner eine Verletzung seiner Verteidigungsrechte darin releviert, dass ihm für die Anhörung keine ausreichende Vorbereitungsfrist gewährt worden sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass es keine gesetzliche Grundlage, woraus sich ein Anspruch auf Gewährung einer Vorbereitungszeit für Anhörungen ableiten ließe, gibt. Wenngleich § 17 Abs 1 Z 3 StVG für das Verfahren des Vollzugsgericht eine sinngemäße Anwendung der Bestimmungen der StPO normiert, soweit im Einzelnen nicht anderes angeordnet wird, besteht auch für eine analoge Anwendung des eine Vorbereitungsfrist von acht Tagen für die Verteidigung im Hauptverfahren vor dem Landesgericht normierenden § 221 Abs 2 StPO keine Notwendigkeit, zumal Zweck der unmittelbaren Vernehmung im Rahmen der Anhörung nach § 152a StVG (lediglich) die Gewinnung eines unmittelbaren persönlichen Eindrucks von der Persönlichkeit des Betroffenen durch das Vollzugsgericht ist ( Pieber in Höpfel/Ratz, WK 2StVG § 152a Rz 4).
Wenn der Beschwerdeführer weiters kritisiert, dass er mangels Vorbereitungszeit die beabsichtigte Gutachtenserörterung nicht beantragen und keinen Fragenkatalog erstellen hätte können, ist zu erwidern, dass er, obwohl ihm nach eigenen Angaben im Zeitpunkt der Anhörung das Gutachten bekannt war (S. 2/ON 14), selbst im Rahmen seiner Anhörung nicht die Erörterung beantragte. Berücksichtigt man, dass das psychiatrische Gutachten dem forensisch-therapeutischen Zentrum D* bereits am 11. Dezember 2024 mit dem Ersuchen, dieses mit dem Betroffenen zu erörtern, übermittelt wurde (ON 1.1), bleibt unerfindlich, warum der Betroffene nicht schon vor der Anhörung bzw. spätestens im Rahmen dieser eine Erörterung beantragte, zumal er mit einer Anhörung im Februar 2025 rechnete (S. 3 in ON 20).
Ebensowenig vermag sich aus dem weiteren Argument des Betroffenen, er hätte diverse unrichtige Annahmen sowohl im Gutachten als auch in der forensischen Stellungnahme vom 7. November 2024 richtig stellen können, und diese beispielhaft anführt, zu erschließen, warum er die aufgelisteten Annahmen nicht im Rahmen seiner Anhörung thematisierte, betreffen diese doch ausschließlich die Stellungnahme des forensisch-therapeutischen Zentrums D* vom 7. November 2024 (ON 8) und nicht das vom Sachverständigen erstattete Gutachten (ON 9). Inwiefern eine Gutachtenserörterung zur Widerlegung der aufgelisteten Annahmen beigetragen hätte, vermag der Betroffene nicht aufzuzeigen. Abgesehen davon bringt der Betroffene darin keine zur Beurteilung der Voraussetzungen einer bedingten Entlassung nach § 47 StGB relevante Gründe zur Darstellung.
Abschließend ist anzumerken, dass der Betroffene keine inhaltlichen Argumente für eine positive Gefährlichkeitsprognose iSd § 47 Abs 2 StGB ins Treffen führt, sodass auf die zutreffende Begründung des Erstgerichts verwiesen werden kann. Mit Blick auf die Stellungnahme des forensisch-therapeutischen Zentrums D* vom 7. November 2024 (ON 8) und das eingeholte Gutachten vom 11. Dezember 2024 (ON 9) besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, der Betroffene werde unter dem Einfluss seiner schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung, konkret einer kombinierten Persönlichkeitsstörung (ICD 10, F 61 mit narzisstischen, emotional instabilen und dissozialen Anteilen) in absehbarer Zukunft unter dem maßgeblichen Einfluss dieser psychischen Störung eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen, etwa schwere Körperverletzungen insbesondere im innerfamiliären Bereich, begehen. Nach Aufführung und Entwicklung des Betroffenen in der Anstalt, nach seiner Person, seinem Gesundheitszustand, seinem Vorleben und nach seinen Aussichten auf ein redliches Fortkommen ist nicht anzunehmen, dass die Gefährlichkeit, gegen die sich die vorbeugende Maßnahme richtet, nicht mehr besteht. Ebensowenig kann mangels erprobtem sozialen Empfangsraums bzw. existenter und nachhaltiger therapeutischer Strategien die einweisungsrelevante Gefährlichkeit des Betroffenen durch Maßnahmen im Sinne der §§ 50 bis 52 StGB extramural hintangehalten werden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung steht kein weiteres Rechtsmittel zu.