10Bs24/25p – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Strafsache gegen A* B* wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB über die Berufung der Angeklagten wegen Strafe und des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Geschworenengericht vom 16. September 2024, Hv*-271, nach der in Anwesenheit des Ersten Staatsanwalts HR Mag. Gutmayer als Vertreter des Leitenden Oberstaatsanwalts, der Angeklagten und ihres Verteidigers Dr. Mauhart sowie des Privatbeteiligtenvertreters Dr. Grubeck durchgeführten Berufungsverhandlung am 3. März 2025 zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruht, wurde die am ** geborene A* B* des Verbrechens des Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von fünfzehn Jahren verurteilt. Im Adhäsionserkenntnis wurde sie verpflichtet, dem Privatbeteiligten C* B* einen Teilschmerzengeldbetrag von EUR 3.000,00 zu bezahlen. Die Vorhaft vom 3. August 2022, 2.00 Uhr, bis zum 16. September 2024, 16.46 Uhr, wurde auf die verhängte Strafe angerechnet.
Nach dem Schuldspruch hat die Angeklagte am 2. August 2022 in ** ihren Ehegatten C* B* zu töten versucht, indem sie dem im Bett schlafenden C* B* mit einem Cuttermesser, einer Rasierklinge, einem Skalpell oder einem vergleichbaren Gegenstand mit scharfer Klinge eine etwa achtzehn Zentimeter lange, mittig gelegene, waagrechte Schnittverletzung im Halsbereich zugefügt hat, wobei die Tat beim Versuch geblieben ist, weil es zu keiner tiefergehenden Gefäßverletzung gekommen ist.
Bei der Strafbemessung wog für das Erstgericht die Unbescholtenheit, dass die Tat beim Versuch geblieben ist und eine überlange Verfahrensdauer mildernd; die Tatbegehung gegen einen Angehörigen, die Wehr- und Hilflosigkeit des Opfers, die Heimtücke sowie das Nachtatverhalten durch Verdächtigen ihrer im Tatzeitpunkt 13-jährigen Tochter als Täterin erschwerend.
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 21. Jänner 2025, 11 Os 148/24k-6, zurückgewiesen.
Mit ihrer gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung strebt sie nunmehr eine Strafmaßreduktion an. Darüber hinaus erachtet sie den an den Privatbeteiligten vorgenommenen Zuspruch als überhöht.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Nach den Ausführungen der aus dem Fachbereich der Psychiatrie und Neurologie beigezogenen Sachverständigen ist A* B* nicht „im engeren Sinn psychisch krank“ oder minderbegabt und lag zum Tatzeitpunkt auch keine tiefgreifende Bewusstseinsstörung vor. Vielmehr war die Angeklagte zum Tatzeitpunkt sehr gut orientiert und im Handeln überlegt (S 22 in ON 270). Richtig ist, dass die Sachverständige vom Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung mit histrionischer Komponente bei der Angeklagten ausgeht und die im Zuge dessen beschriebene emotionale Instabilität ihren Ausgang in der frühen Kindheit haben kann. Anhaltspunkte für eine Minderung der Diskretions- und/oder Dispositionsfähigkeit ergeben sich aus den sachverständigen Ausführungen in diesem Zusammenhang ebensowenig wie ein Einfluss dieser – ua heftige emotionale Auslenkungen/Reaktionen bedingenden – Störung auf das hier planvolle Tatgeschehen (S 24 ff in ON 270; S 26 f in ON 198.1). Da die Persönlichkeitsstörung somit nicht (mit-)bestimmend für die Tatbegehung gewesen ist, kann sie nicht mildernd wirken [vgl Riffel , WK 2 StGB § 34 Rz 3).
Auch eine vernachlässigte Erziehung fällt bei einer 31-jährigen Täterin nicht mehr ins Gewicht (vgl Riffel aaO § 34 Rz 5 mwN).
Gemäß § 34 Abs 1 Z 19 StGB ist es ein Milderungsgrund, wenn der Täter dadurch betroffen ist, dass er oder eine ihm persönliche nahestehende Person durch die Tat oder als deren Folge eine beträchtliche Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung oder sonstige gewichtige tatsächliche oder rechtliche Nachteile erlitten hat. Beruht die Schädigung einer dem Täter persönlich nahestehenden Person allerdings – wie hier - auf einem bewusst (vorsätzlich) gegen deren Interessen gerichteten Verhalten, kann sich der Täter auf diesen Milderungsgrund nicht berufen (vgl Riffel aaO § 34 Rz 42).
Die mit dem Strafverfahren selbst für den Angeklagten unvermeidbar verbundenen Nachteile - etwa durch die Haft bedingte familiäre Belastungen, aber auch in Form medialer Berichterstattung - sind ebenfalls nicht vom Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 19 StGB umfasst. Die Täterbetroffenheit muss sich aus den Folgen der Tat ergeben, nicht aus der Verfolgung wegen der Tat (vgl RIS-Justiz RS0130394).
Ein Mordversuch zum Nachteil eines schlafenden Opfers stellt grundsätzlich (allein) ein heimtükisches Handeln, nicht aber das Ausnützen einer Wehr- oder Hilflosigkeit des Opfers dar (vgl RIS-Justiz RS0091873, Riffel aaO § 33 Rz 20). So unterscheidet sich die zum Nachteil eines schlafenden Opfers begangene Tat nicht von einer gleichartigen Tatbegehung zum Nachteil eines aufgrund anderer Umstände wehr- oder hilflosen Opfers. Allerdings darf fallkonkret das wohldurchdachte Vorgehen der Angeklagten nicht außer Acht gelassen werden, durch welches dem Opfer (zumindest zur Ruhigstellung) wiederholt Medikamente verabreicht wurden (vgl S 1 in ON 270.10).
Zur unzulässigen schuldaggravierenden Wertung des Nachtatverhaltens der Angeklagten durch Verdächtigen der Tochter ist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Bezug habenden Ausführungen des Obersten Gerichtshofs in seinem Beschluss vom 21. Jänner 2025 zu verweisen.
Nominell anzuführen, wenngleich auf Grund der Gesamtumstände (ungeplantes Aufwachen des Opfers, Anwesenheit der Tochter) lediglich von geringem Gewicht, ist zu Gunsten der Angeklagten das Nachtatverhalten dahin gehend, dass von dieser die Verständigung der Rettung durch die Tochter veranlasst wurde und die Angeklagte C* B* auch ein Handtuch zum Abdrücken der blutenden Wunde gegeben hat.
Zu berücksichtigen ist letztlich zum Nachteil der Angeklagten, dass eine vorsätzliche strafbare Handlung nach dem ersten Abschnitt des Besonderen Teils unter Einsatz einer Waffe begangen wurde (§ 33 Abs 2 Z 5 StGB) und der Versuch durch die tatsächlich eingetretene massive Verletzung im Halsbereich erheblich entwertet wird (vgl Riffel aaO § 34 Rz 30).
Ausgehend von diesen Strafzumessungskritierien erweist sich die von den Erstrichtern ausgemittelte Freiheitsstrafe von fünfzehn Jahren als tat- und schuldangemessen.
Bei Beurteilung der privatrechtlichen Ansprüche kann zur Ermittlung der Höhe des global zu bemessenden Schmerzengeldes nach § 1325 ABGB auf eine Schätzung im Sinne des § 273 ZPO zurückgegriffen werden (vgl RIS-Justiz RS0031614), wobei neben körperlichen Schmerzen auch seelische Schmerzen zu berücksichtigen sind. Hinsichtlich derer bedarf es weder konkreter Behauptungen noch Beweiserhebungen. Auf diese ist vielmehr Bedacht zu nehmen, wenn nach der Lage des Falles – wie vorliegend beim Opfer eines Mordversuchs - mit solchen zu rechnen ist (vgl RIS-Justiz RS0030972). So muss C* B* zudem künftig hin in dem Bewusstsein der durch die Narbe gegebenen Verunstaltung (ON 64.6, S 76 in ON 267) leben, womit auch das Adhäsionserkenntnis nicht zu beanstanden ist.