JudikaturOLG Linz

12Rs122/24h – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
17. Januar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Barbara Jäger in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, vertreten durch Mag. Rainer Storch, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt , 1100 Wien , Wienerbergstraße 11, vertreten durch ihren Angestellten Mag. B*, wegen Versehrtenrente (hier Bestimmung der Sachverständigengebühr), über den Rekurs des Sachverständigen Dr. C* , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, **straße **, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 12. November 2024, GZ*, beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

begründung:

Der Kläger wurde bei einem Arbeitsunfall verletzt und erhob gegen die Herabsetzung der Versehrtenrente eine Klage. Mit Beschluss vom 31. August 2023 bestellte das Erstgericht (ua) den Rekurswerber zum Sachverständigen und beauftragte ihn mit der Erhebung des Befundes und der Erstattung eines Gutachtens über die Änderung der Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers gegenüber den Vorverfahren sowie mit der Beurteilung einer allfälligen Vorschädigung (ON 4).

In Entsprechung dieses Auftrags untersuchte der Sachverständige als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am 10. November 2023 den Kläger und führte im Rahmen seiner psychiatrischen Befunderhebung einen sogenannten Syndrom-Kurz-Test (kurz: SKT) zur Erfassung von Störungen der Aufmerksamkeit und Gedächtnisleistung durch. Aufgaben, die eine sprachliche Ausdrucksfähigkeit unter einer zeitlichen Begrenzung erforderten, waren nur bedingt verwertbar. Die Aufgaben, welche die Merk- und Gedächtnisleistung überprüften, waren im Normbereich (ON 7.1 S 11, S 15). Für die Durchführung dieses Tests verzeichnete der Sachverständige - zusätzlich zur pauschalen Mühewaltungsgebühr nach § 43 Abs 1 Z 1 lit e GebAG für das psychiatrische Gutachten – eine nicht näher spezifizierte Gebühr in Höhe von EUR 110,00 zuzüglich 20 % USt (ON 7.3).

Die Beklagte sprach sich in ihrer Äußerung gegen die kumulative Berücksichtigung dieser Gebühr für die testpsychologische Untersuchung aus, weil dieser Test ein standardisierter Fragebogen sei und als solcher integrierter Teil der Exploration und selbstverständliche Voraussetzung für die Erstattung eines fundierten psychiatrischen Gutachtens. Dieser Test sei mit der Pauschalgebühr für die Mühewaltung mit abgegolten (ON 13).

Diese Einwendungen wurde dem Sachverständigen zur Gegenäußerung binnen 14 Tagen zugestellt (ON 14). Er äußerte sich aber nicht, sodass die genaue Ausgestaltung dieses Tests und die Höhe des begehrten Honorars im Dunkeln blieben.

Das Erstgerichtbestimmte die Gebühren des Sachverständigen für die psychiatrische Untersuchung samt Befund und Gutachten nach § 43 Abs 1 Z 1 lit e GebAG mit EUR 195,20 zuzüglich USt und lehnte eine gesonderte (zusätzliche) Honorierung der psychiatrischen Testuntersuchung ab. Dieser Test sei offenbar ein Fragebogentest und als solcher Teil der Befundaufnahme. Dass ein über einen standardisierten Fragebogen hinausgehender Test erforderlich gewesen und durchgeführt worden sei, habe der Sachverständige nicht dargelegt.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Sachverständigen mit dem Abänderungsantrag auf Bestimmung seiner Gebühren im verzeichneten Ausmaß.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt .

1 Der Sachverständige führt aus, der Kläger habe ein Schädel-Hirntrauma mit Gehirnprellung erlitten und eine Merkfähigkeitsstörung angegeben. Derartige Einschränkungen habe aber die klinisch-psychiatrische Untersuchung nicht ergeben und deshalb sei ein Screening Test zur Quantifizierung etwaiger Defizite erforderlich gewesen. Der SKT sei mit einem psychiatrischen Befund, bei welchem in einfacher Form durch Fragen oder einfache Aufgaben die Merk- und Konzentrationsfähigkeit beurteilt werde, nicht zu vergleichen. Der Test sei standardisiert und international anerkannt, dh jeder Arzt stelle die gleichen Testaufgaben und insofern sei das Gesamtergebnis auch vergleichbar. Das sei bei einem psychiatrischen Befund nicht der Fall, da jeder Arzt andere Fragen oder Aufgaben stelle. Die Aufgaben seien zudem in einer Untersuchungssituation nicht durchzuführen, da dafür verschiedene praktische Hilfsmittel notwendig seien. Der Syndrom-Kurz-Test beinhalte einen Koffer voller Bildvorlagen, auf denen sich verschiedene Aufgaben befänden und Würfel mit verschiedenen Ziffern; daraus würden neun Aufgaben gestellt und die Antworten zeitlich mit einer Stoppuhr erfasst, dokumentiert und anhand einer Tabelle ausgewertet. Die errechnete Summe ergebe dann einen Wert, der einen Rückschluss auf die kognitiven Defizite zulasse. Diesen Test als Fragebogen zu bezeichnen und einer psychiatrischen Untersuchung gleichzusetzen, sei medizinisch nicht nachvollziehbar.

2.1Gemäß § 39 Abs 1 letzter Satz GebAG kann das Gericht vor der Gebührenbestimmung den Sachverständigen auffordern, sich über Umstände, die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, zu äußern und, unter Setzung einer bestimmten Frist, noch fehlende Bestätigungen über seine Kosten vorzulegen.

Diese Bestimmung sichert das rechtliche Gehör des Sachverständigen. Das Wort „kann“ ist in verfassungskonformer Interpretation als „muss“ zu verstehen und dient der Verbreiterung der Entscheidungsgrundlagen. Wird der Aufforderung nicht entsprochen, hat der Sachverständige die Nachteile – allenfalls den völligen Gebührenverlust – zu tragen. Das im Rechtsmittelverfahren geltende Neuerungsverbot hindert den Sachverständigen, Umstände, die er bereits in erster Instanz behaupten hätte können, im Rechtsmittel geltend zu machen ( Krammer/Schmidt/Guggenbichler,SDG – GebAG 4§ 39 GebAG Anm 4, E 36; RIS-Justiz RS0117521, vgl RS0119962).

Dies ist allerdings insofern zu konkretisieren, als sich die Folgen der Nichtäußerung auf Tatfragen beziehen. Nur die Geltendmachung von Umständen im Rekurs, die keine reinen Rechtsfragen darstellen, setzt voraus, dass sie Gegenstand einer vorherigen Äußerung waren (vgl RIS-Justiz RW0000402; Krammer/Schmidt/Guggenbichler,SDG – GebAG 4§ 39 GebAG E 48 f).

2.2 Daraus folgt, dass im nunmehrigen Rekursverfahren der Syndrom-Kurz-Test als testpsychologische Untersuchung in Form eines standardisierten Fragebogen zu qualifizieren ist, wie von der Beklagten behauptet. Die im Rekurs nachgetragenen Erklärungen des Sachverständigen unterliegen dem Neuerungsverbot.

3.1Die Gebühr für Mühewaltung nach § 43 Abs 1 Z 1 GebAG ist eine Gesamtgebühr für Befund und Gutachten, weshalb mit der Entlohnung für eine psychiatrische Untersuchung und Begutachtung auch jene psychodiagnostischen Tests, die integrierter Teil der Exploration und geradezu selbstverständliche Voraussetzung für die Erstattung eines fundierten psychiatrischen Gutachtens sind, abgegolten werden; derartige Tests sind daher in der Regel nicht gesondert zu vergüten (RIS-Justiz RS0059366).

Die Rechtsprechung reagierte auf die mit Februar 2007 in Kraft getretene Änderung der Ärzteausbildung und leitete daraus ab, dass vom psychiatrischen Sachverständigen selbst durchgeführte psychologische Testuntersuchungen gesondert zu entlohnen seien, weil die Fähigkeit zur Durchführung psychiatrisch-psychologischer Testuntersuchungen nicht weiterhin Ausbildungsinhalt des Fachgebiets Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin sei (OGH 12 Os 22/10t; RIS-Justiz RS0125844). Das Rekursgericht folgte vorerst dieser neuen Judikatur undifferenziert zu verschiedenen psychodiagnostischen Testverfahren, knüpfte dann aber nach neuerlicher Änderung der Ärzteausbildung im Bereich des Sonderfachs Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin mit Jänner 2011 mit der Entscheidung 12 Rs 71/11i wieder an die eingangs zitierte Rechtsprechung an, schrieb den Rechtssatz RIS-Justiz RS0059366 erneut fort und lehnte eine kumulative Honorierung ab (OLG Linz 12 Rs 106/11m, 11 Rs 61/13i; vgl auch Krammer/Schmidt/Guggenbichler , SDG-GebAG 4§ 43 GebAG E 74).

Der von Krammer– im Hinblick auf die Loslösung der Psychologie und psychologischen Diagnostik von der Psychiatrie in Richtung einer Fächertrennung – dazu vorgebrachten Kritik (SV 2012/1, 32) Rechnung tragend, begann das Rekursgericht in der Folge zwischen einfachen psychiatrischen Tests und solchen aufwändigen Testuntersuchungen, die nicht zur psychiatrischen Alltagspraxis gehören, zu differenzieren. Einfache und zur Alltagspraxis gehörende psychiatrische Tests in Form eines bloßen Fragebogens sind als unselbständige Bestandteile einer psychiatrischen Untersuchung nicht gesondert zu vergüten (OLG Linz 12 Rs 105/19a). Es besteht kein Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen.

3.2 Jedenfalls unter der Prämisse (siehe Pkt 2.2), dass es sich beim Syndrom-Kurz-Test um einen kurzen Fragebogentest zur Erfassung von Störungen der Aufmerksamkeit und Gedächtnisleistung handelt, muss somit der Rekurs erfolglos blieben. Inwieweit die Zuhilfenahme von Bildvorlagen und einer Stoppuhr die Beurteilung des SKT als aufwändige und für einen psychiatrischen Sachverständigen nicht alltägliche Untersuchung tragen könnte, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben.

4Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 5 ZPO jedenfalls unzulässig.