7Bs224/25m – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Knapp, LL.M., als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Offer und Mag. Preßlaber als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB über die Berufungen des Angeklagten wegen Nichtigkeit sowie der Aussprüche über die Schuld und die Strafe und der Staatsanwaltschaft Feldkirch wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das einzelrichterliche Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 3.6.2025, GZ **-10, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Schuld wird F o l g e gegeben, das angefochtene Urteil a u f g e h o b e n und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht z u r ü c k v e r w i e s e n .
Mit seiner weiteren Berufung wird der Angeklagte ebenso auf diese Entscheidung verwiesen wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Strafberufung.
Text
Entscheidungsgründe:
Ein Einzelrichter des Landesgerichts Feldkirch erkannte mit dem angefochtenen Urteil den ** geborenen Angeklagten A* des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB schuldig.
Nach dem Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) habe der Angeklagte am 25.12.2024 in ** seine Schwester B* C* durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper zu einer Handlung, nämlich mit ihm in die Schweiz zu kommen, genötigt, indem er ihr gegenüber erklärte: „Komm mit, bevor ich dir die Nase breche und du im Krankenhaus landest!“.
Hiefür verhängte der Erstrichter über den Angeklagten nach § 105 Abs 1 StGB eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je EUR 30,--, im Fall der Uneinbringlichkeit 90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, sah zwei Drittel der Geldstrafe gemäß § 43a Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nach, und verurteilte ihn nach § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens.
Gegen dieses Urteil richten sich die jeweils in der Hauptverhandlung rechtzeitigen angemeldeten (ON 9, 5) und fristgerecht ausgeführten Berufungen des Angeklagten wegen Nichtigkeit unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrunds nach §§ 489 Abs 1, 281 Abs 1 Z 4 StPO und wegen der Aussprüche über die Schuld und die Strafe (ON 15) sowie der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe (ON 13.2).
Die Strafberufung der Staatsanwaltschaft zielt auf eine schuld- und tatangemessene Erhöhung der Strafe ab. Die Berufung des Angeklagten trägt darauf an, das angefochtene Urteil aufzuheben und ihn nach Beweisergänzung freizusprechen, in eventu die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen sowie in eventu die ausgesprochene Geldstrafe schuld- und tatangemessen herabzusetzen.
Während die Staatsanwaltschaft ausdrücklich auf die Erstattung von Gegenausführungen verzichtete (ON 1.6), beantragte der Angeklagte, der Berufung der Staatsanwaltschaft keine Folge zu geben (ON 14).
Die Oberstaatsanwaltschaft vertritt in ihrer Stellungnahme, zu welcher sich der Angeklagte nicht äußerte, den Standpunkt, dass lediglich der Berufung der Staatsanwaltschaft im Sinne einer Anhebung des unbedingten Teils der Geldstrafe Folge zu geben sein werde.
Rechtliche Beurteilung
Die Schuldberufung ist berechtigt.
Der Angeklagte leugnete im Verfahren gleichbleibend die ihm angelastete Tat (ON 2.6 und ON 9, 2 f) und erläuterte bereits vor der Polizei, dass an jenem Abend er sowie „B*, D* und die Kinder“ bei seiner Schwester E* gewesen seien (ON 2.6, 5), wobei er mit B* (C*) nicht alleine in einem Zimmer gesprochen habe (ON 2.6, 6). In der Hauptverhandlung erhob er seine polizeilichen Angaben zu seiner gerichtlichen Aussage (ON 9, 2). Laut der Zeugin B* C* habe sich ihr Bruder, der Angeklagte, in Anwesenheit der Familie normal verhalten, „später“ habe er sie „in einem Zimmer aufgefordert mit nach Hause zu gehen“ und nachdem sie sich weigerte, ihr gegenüber die inkriminierte Äußerung ausgesprochen (ON 2.8, 4). Ob dies in Abwesenheit anderer Personen geschah, ergibt sich daraus nicht zwingend. Der Angeklagte wurde diesbezüglich vor Gericht nicht befragt, während das Tatopfer deponierte, dass „auch“ ihr Schwager „dabei“ gewesen sei (ON 9, 4).
In Anbetracht der aktuellen Verfahrenslage ergibt sich daher die Notwendigkeit der Aufnahme weiterer Beweise bereits im Hinblick auf die (auch) im Rahmen der Schuldberufung beantragten, bislang nicht vernommenen (Tat-)Zeugen E* C* und D* C*, welche laut Vorbringen „die ganze Zeit lückenlos anwesend“ gewesen wären, sowie des von B* C* erwähnten und laut ihr zum Zeitpunkt der Tat anwesend gewesenen „Schwagers“ als Tatzeugen, sodass schon vor der öffentlichen Verhandlung über die Berufungen feststeht, dass das Urteil aufzuheben und die Verhandlung in erster Instanz zu wiederholen ist (RIS-Justiz RS0101731, RS0101741; Ratz in WK-StPO § 470 Rz 3).
Mit seiner weiteren Berufung war der Angeklagte ebenso auf diese Entscheidung zu verweisen wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Strafberufung.