JudikaturOLG Innsbruck

6Bs221/25p – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
05. September 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Friedrich als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Klammer und den Richter Mag. Melichar als weitere Senatsmitglieder in der Maßnahmenvollzugssache der A* B*wegen bedingter Entlassung aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßnahme nach § 21 Abs 1 StGB über die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Vollzugsgericht vom 15.7.2025, GZ **-8, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Der Beschwerde wird n i c h t Folge gegeben.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO iVm §§ 163, 17 Abs 1 Z 3 StVG).

Text

BEGRÜNDUNG:

Die am ** geborene A* B* wurde mit dem am selben Tag rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 25.1.2023, C*, gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen (nunmehr: in einem forensisch-therapeutischen Zentrum untergebracht).

Nach dem Urteilsspruch hat A* B*am 23.09.2022 in ** unter dem Einfluss eines ihre Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB), der auf einer geistigen/seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer akuten Exacerbation einer paranoiden Schizophrenie (ICD-10: F20.0) auf dem Boden einer schizophrenen Residualsymptomatik (ICD-10: F20.5), die D* B* durch die Äußerung „Ich bringe dich um“, gefährlich mit dem Tode bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Die Betroffene A* E* B* hat hiedurch eine mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedrohte Tat begangen, die ihr, wäre sie zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig gewesen, als das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB zuzurechnen wäre.

Da nach ihrer Person, ihrem Zustand und der Art der Tat zu befürchten ist, dass die Betroffene sonst unter dem Einfluss ihrer geistigen/seelischen Abartigkeit von höherem Grad mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen begehen werde, wird die Betroffene A* E* B* gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Die Maßnahme wird im Landeskrankenhaus F* in G* vollzogen, wo sich die Betroffene seit 6.10.2022 in durchgehender stationärer Behandlung befindet.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Vollzugsgericht vom 10.9.2024, GZ **-23, wurde ausgesprochen, dass die weitere Unterbringung der A* B* noch notwendig ist. Der dagegen erhobenen Beschwerde der Betroffenen wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 8.10.2024 zu 6 Bs 249/24d keine Folge gegeben.

Anlässlich der nunmehrigen amtswegigen Überprüfung gemäß § 25 Abs 3 StGB, ob die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum der Betroffenen noch notwendig ist, wurde vom Vollzugsgericht eine Stellungnahme der behandelnden Ärzte eingeholt.

Die behandelnde Ärztin GOÄ Dr. in H* führte in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 23.6.2025 (ON 4) aus, die Betroffene befinde sich seit 6.10.2022 in durchgehender stationärer Behandlung im Landeskrankenhaus F*. Diagnostisch handle es sich um einen schizophrenen Residualzustand. Neben dem unterdurchschnittlichen kognitiven Gesamtniveau von 76 IQ-Punkten sei auch eine deutliche Beeinträchtigung in den Bereichen Sprache, Gedächtnis und Wahrnehmung feststellbar. Im Stationsalltag sei die Betroffene eher zurückgezogen, andere Kontakte meidend und verbringe viel Zeit im Bett, alleine im Zimmer oder im Garten. Nach wie vor zeige sie sich oftmals somatisierend bezüglich Kopfschmerzen, Schwindel und Fieber, um nicht an den nicht den eigenen Vorstellungen entsprechenden Therapien oder Gruppenangeboten teilnehmen zu müssen. Diese kategorische Verweigerung präsentiere sie mit Nachdruck und es bestehe keinerlei Möglichkeit, sie umzustimmen. Nach erneuter Rückkehr auf die Station ** habe sich dies etwas gebessert, allerdings zeige sie auch dort die bekannten Verhaltensweisen, wenn auch nicht in so ausgeprägter Form. Am dort angebotenen Therapieprogramm nehme sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten teilweise bemüht teil, zeige dabei Schwierigkeiten bezüglich Eigeninitiative und benötige Struktur und Motivation von außen. Körperlich zeige sie sich reduziert belastbar. Im psychologischen Gespräch zeige sie sich oberflächlich kooperativ, formal oberflächlich geordnet wirkend, im tiefergehenden Gespräch allerdings nach wie vor deutlich wahnhaft (bezüglich Schwester und Schwager, oder auch beispielsweise die Besitzerin der G* Kliniken zu sein). Im Gedankengang zeige sie sich eingeengt im Denken und sei fixiert auf „ihr Haus“.

Im Kontakt sei die Betroffene zu Pflegepersonal und Mitpatienten meist freundlich, auf unliebsame Therapie-/Gruppenangebote oder auch spezifische Gesprächsinhalte reagiere sie teilweise freundlich-ablehnend bis hin zu angespannt gereizt (verlasse kommentarlos den Raum). Gerade in Bezug auf ihre Krankheitseinsicht oder auch bezüglich der Möglichkeit einer betreuten Wohneinrichtung zeige sie sich konsequent ablehnend. Nachdem der im Herbst 2023 vorgeschlagene Platz im I* Wohnheim J* von vorne herein abgelehnt worden sei, sei auch ein weiterer Versuch für die Wohngemeinschaft K* des I* gescheitert. Bei einem gemeinsamen Besuch habe sie sich von Beginn an misstrauisch gezeigt und angegeben, sich zu setzen „aber hier bleiben werde sie nicht“ und habe auch mehrfach deutlich in Visiten oder psychologischen Gesprächen geäußert, ausschließlich „nach Hause“ entlassen werden zu wollen.

Nach wie vor zeige die Betroffene keinerlei Bereitschaft, sich mit den Auslösern ihrer erneuten Unterbringung auseinanderzusetzen, zeige sich gänzlich krankheitsuneinsichtig und wahnhaft, wolle keine Medikamente, auch nicht ihre Medikamente zur Behandlung ihrer Diabeteserkrankung einnehmen („als gelernte Krankenschwester kenne ich mich aus“). Im Verhalten zeige sie sich teilweise beschimpfend, ob die Ärztin nicht wisse, dass man Schizophrenie messen könne, spreche davon hellhörig zu sein und dass dies stetig falsch empfunden werde.

Aufgrund der bis dato fehlenden Krankheits- und Behandlungseinsicht und der nach wie vor kategorischen Ablehnung eines betreuten Wohnplatzes sei aus fachärztlicher und psychologischer Sicht eine derzeitige Entlassung nicht möglich, weshalb die behandelnde Ärztin GOÄ Dr. in H* empfahl, den derzeitigen Behandlungsrahmen weiterhin aufrecht zu erhalten.

Die Staatsanwaltschaft Innsbruck beantragte, die Notwendigkeit der weiteren Anhaltung festzustellen (ON 5).

Anlässlich ihrer Anhörung am 15.7.2025 (ON 7) gab die Betroffene an, dass das, was die Ärztin ausführe, nicht stimme und sie nicht so sei. Auf die Frage, ob sie bereit sei, in ein betreutes Wohnen zu wechseln, antwortete sie, lieber in der Psychiatrie bleiben zu wollen. Sie selbst sei nicht schizophren, sondern lediglich „hellhörig“. Sie wolle nicht in eine betreute Wohneinrichtung, da sowohl in K* als auch in J* geistig abnorme Rechtsbrecher seien und sie das nicht ertragen würde und unter diesen Umständen lieber in der Psychiatrie bleibe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss stellte das Vollzugsgericht fest, dass die weitere Unterbringung der A* B* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 1 StGB noch notwendig ist. Diese Entscheidung stützte das Erstgericht auf die Stellungnahme der behandelnden Oberärztin vom 23.6.2025 (ON 4), den anlässlich der Anhörung von der Betroffenen gewonnenen persönlichen Eindruck sowie das im Verfahren C* eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. L* und das ergänzende Gutachten vom 8.8.2024 (ON 6). In diesem Gutachten führte der Sachverständige aus, dass die Betroffene die Anlasstat unter dem maßgeblichen Einfluss ihrer psychischen Störung, nämlich einer paranoiden Schizophrenie auf dem Boden eines schizophrenen Residuums begangen habe. Diese psychische Störung bestehe nach wie vor und es sei zu befürchten, dass die Betroffene ohne Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum in absehbarer Zukunft, nämlich innerhalb weniger Wochen, unter dem maßgeblichen Einfluss dieser Störung eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen, etwa absichtliche schwere Körperverletzungen oder sonstige bewusst gewollte Handlungen, die schwere Verletzungen oder den Tod anderer nach sich ziehen können, begehen werde. Aufgrund der anhaltenden fehlenden Krankheitseinsicht der Betroffenen und ihrer vehementen Weigerung, eine andere Wohnform als die bei ihrer hochbetagten Mutter zu akzeptieren, sei es unmöglich, die aus den vorgenannten Komponenten bestehende Gefährlichkeit außerhalb des forensisch-therapeutischen Zentrums hintanzuhalten.

Gegen diesen Beschluss erhob die Betroffene sofort nach dessen Verkündung Beschwerde, die sie nicht schriftlich ausführte (ON 7, Seite 3).

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft einer Stellungnahme enthielt, ist nicht berechtigt.

Gemäß § 47 Abs 2 StGB ist die bedingte Entlassung aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme zu verfügen, wenn nach der Aufführung und Entwicklung des Angehaltenen in der Anstalt, nach seiner Person, seinem Gesundheitszustand, seinem Vorleben und nach seinen Aussichten auf ein redliches Fortkommen anzunehmen ist, dass die Gefährlichkeit, gegen die sich die vorbeugende Maßnahme richtet, nicht mehr besteht.

Der Vollzug der Maßnahme dient dazu, dass sich die der Unterbringungsanordnung zugrundeliegende Gefährlichkeit nicht realisiert, die Prognose sich demnach nicht erfüllt. Zu diesem Zweck wird der Rechtsbrecher angehalten und bei dieser Gelegenheit behandelt ( Haslwanter in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 47 Rz 6).

Dass die der Unterbringungsanordnung zugrundeliegende Gefährlichkeit der Betroffenen weiterhin besteht, ergibt sich aus der aktuellen ärztlichen Stellungnahme, wonach es auch im vergangenen Jahr weder diagnostisch noch therapeutisch zu positiven Veränderungen gekommen sei. Unter Einbeziehung des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen L* MSc vom 8.8.2024 sowie der ausführlichen fachärztlichen Stellungnahme der behandelnden Ärztin OÄ Dr. in H* vom 23.6.2025 liegen somit weiterhin die Voraussetzungen für eine strafrechtliche Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum vor. Aufgrund des krankheitsbedingten Zustandes der Betroffenen, ihrer auch anlässlich der Anhörung ersichtlichen mangelnden Krankheits- und Behandlungseinsicht und mangels Vorhandensein eines tragfähigen sozialen Empfangsraumes ist eine unbedingte oder bedingte Entlassung aus der Unterbringung derzeit nicht möglich, zumal der bestehenden Gefährlichkeit derzeit durch eine Behandlung außerhalb des forensisch-therapeutischen Zentrums nicht wirksam begegnet werden kann.

Die Beschwerde musste daher erfolglos bleiben.