Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Disziplinargericht für Richter:innen und Staatsanwält:innen durch die Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Mag. Knapp, LL.M., als Vorsitzenden sowie Dr. Engers und Mag. Dampf als weitere Mitglieder des Senats in der Disziplinarsache gegen den Richter des ** A*, nach der in Anwesenheit des Schriftführers RiAA Mag. Moritz Binder, des Ersten Oberstaatsanwalts Mag. Boris Kuznik und des Disziplinarbeschuldigten A*, durchgeführten öffentlichen Verhandlung am 18.6.2025 zu Recht erkannt:
A* ist
s c h u l d i g ,
er hat als Richter des **
die in § 57 Abs 2 und Abs 3 RStDG normierten Pflichten, den dienstlichen Anordnungen seiner Vorgesetzten Folge zu leisten und sich im Dienst so zu verhalten, dass das Vertrauen in die Rechtspflege sowie das Ansehen seines Berufsstandes nicht gefährdet wird, verletzt, indem er zu datumsmäßig größtenteils nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten seit dem Jahr 2017 bis zuletzt am 25.9.2024 in seinem Dienstzimmer am ** jeweils ohne ein dienstliches Interesse und somit unter Missachtung der ihm inhaltlich bekannten Bestimmungen der von der Bundesregierung erlassenen IKT-Nutzungsverordnung, BGBl II 281/2009, und der vom Bundesministerium für Justiz erlassenen Richtlinien für die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie sowie des Internets im Justizressort (in der jeweils geltenden Fassung) über den vom Dienstgeber bereitgestellten Internetzugang unter Verwendung des ebenfalls vom Dienstgeber zur Verfügung gestellten Dienst-PC bzw Laptop
1. in hunderten Fällen Bild- und Videodateien mit erotischen Darstellungen knapp bekleideter, zumeist aber völlig nackt oder nur mit spärlich bedecktem Gesäß-, Brust- oder Schambereich abgebildeter Frauen in aufreizenden Posen sowie mit pornografischen Inhalten, die den Beischlaf oder diesem gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen (Oralverkehr) zwischen Frauen und Männern zeigen, im Internet – unter anderem auf der Fotoplattform „B*“ – aufrief und betrachtete, die zugehörigen Web-Adressen teilweise im Favoritenverzeichnis des von ihm verwendeten Internet-Browsers (chronologisch in zahlreichen Ordnern) speicherte sowie derartige Dateien zum Teil auch herunterlud und auf einem von ihm angeschlossenen privaten USB-Stick abspeicherte;
2. diese Bilddateien mit erotischen Darstellungen der zu 1. beschriebenen Art sowie in einem Fall im Sommer 2022 eine bildliche Darstellung des Oralverkehrs zwischen einer Frau und einem Mann im Internet während der Dienstzeiten in wiederholten Fällen - sowie zum Teil in Kenntnis der bereits eingeleiteten Disziplinaruntersuchung - bei offenstehender Bürotür aufrief und betrachtete und dadurch bewirkt, dass dieses Verhalten (samt den von ihm jeweils betrachteten Bildern) von anderen Personen beim Vorbeigehen an seinem Dienstzimmer oder beim Betreten des Zimmers beobachtet werden konnte und - auch von mehreren Gerichtsbediensteten und Rechtspraktikantinnen tatsächlich wiederholt wahrgenommen wurde.
A* hat hiedurch das Dienstvergehen nach § 101 Abs 1 RStDG begangen.
Gemäß § 104 Abs 1 lit b RStDG wird über ihn eine
G e l d s t r a f e in Höhe eines eineinhalbfachen Monatsbezugs (150 %)
verhängt.
Gemäß § 137 Abs 2 RStDG hat der Disziplinarbeschuldigte die mit EUR 500,-- bestimmten Kosten des Verfahrens zu ersetzen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
[...]
Disziplinarrechtlich wurde der Disziplinarbeschuldigte bislang noch nicht auffällig.
Sein Monatsbruttobezug für Mai 2025 belief sich auf EUR 7.818,60 (ON 113).
Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender, entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:
Der Disziplinarbeschuldigte verfügte jedenfalls ab 2017 über einen ihm vom öffentlichen Dienstgeber beigestellten PC samt Bildschirm, später – ungefähr ab der Corona-Pandemie – über einen ihm ebenfalls vom öffentlichen Dienstgeber beigestellten Laptop samt zwei externen Bildschirmen mit jeweils ua einem Internetzugang. Er wurde vom Dienstgeber angewiesen, diese Hard- und darauf installierte Software nach den einschlägigen Vorgaben des Dienstgebers – die Richtlinien für die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie sowie des Internets im Justizressort (IT-Benutzungsrichtlinie [Internet am Arbeitsplatz] BMJ 6236/0001-Pr 4/2015; IKT Benutzungsrichtlinie [Stand 5.2.2021 {aufrufbar im Intranet unter Justizverwaltung IT IT-Sicherheit}], ident mit dem Erlass 19.11.2020, 2020-0.591.293, insbesondere deren Pkt VII lit b Z 1, der das Aufrufen von Internetseiten mit offenkundig sittenwidrigem oder gesetzwidrigem Inhalt ohne konkret dokumentiertes Diensterfordernis verbietet) – zu benutzen. Er begann 2017 im Dienst in seinem Dienstzimmer auf dem ihm vom Dienstgeber zu Dienstzwecken zur Verfügung gestellten PC und später Laptop über den ihm vom Dienstgeber zur Verfügung gestellten Internetzugang ohne dienstliches Interesse rein aus privater Neigung unter anderem auch die Fotoplattform „B*“ aufzurufen, sich davon in hunderten Fällen erotische und pornografische Fotografien und Videodateien herunterzuladen – laut Auswertung ON 26 rekonstruierbar 17 Video- und hunderte Bilddateien, darunter nachweislich 17 pornografische/hardcore Bilddateien (ON 26 S 98 107, 126) – und zu betrachten (ON 46 AS 312 f). Betroffen waren Bild- und Videodateien mit erotischen Darstellungen knapp bekleideter, zumeist aber völlig nackt oder nur mit spärlich bedecktem Gesäß-, Brust- oder Schambereich abgebildeter erwachsener Frauen in aufreizenden Posen sowie mit pornografischen Inhalten, die den Beischlaf oder diesem gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen (Oralverkehr) zwischen Frauen und Männern zeigen. Dieses Verhalten setzte er durchgehend - zum Teil sogar in Kenntis der gegen ihn eingeleiteten Disziplinaruntersuchung - bis zumindest 25.9.2024 fort.
Um das wiederholte Aufsuchen bereits aufgerufener Seiten im Zeitraum 2017 bis Oktober 2022 gerade auch mit erotischen und pornografischen Inhalten einfacher und schneller zu gestalten, speicherte er die Internetadressen einer Vielzahl jener Webseiten im Favoritenverzeichnis des verwendeten Browsers auch teilweise (chronologisch) auf den Laufwerken des Dienst-PC/Laptop ab. Überdies speicherte er solche heruntergeladene Bild- sowie Videodateien zu einem erheblichen Teil und wiederholt auf einem privaten USB-Stick. Sowohl das Aufsuchen (also der Zugang) zu diesen Internetseiten mit unter anderem erotischem/pornografischem Inhalt, das Herunterladen von solchen Bild- und Videodateien mit erotischem/pornografischem Inhalt sowie deren Abspeichern auf einem privaten USB-Stick standen in keinerlei dienstlichem Zusammenhang, sondern erfolgten ausschließlich aus privater Neigung.
Das Aufsuchen/Aufrufen, Herunterladen, Abspeichern von heruntergeladenen und das Betrachten von erotischen und pornografischen Bild- sowie Videodateien sowie das Abspeichern der Internetadressen einer Vielzahl von Webseiten mit erotischen/pornografischen Inhalten im Favoritenverzeichnis des verzeichneten Browsers - teilweise chronologisch - auf den Laufwerken des Dienst-PC/Laptops sowie auf einem privaten USB-Stick führte der Disziplinarbeschuldigte durch, obwohl ihm bekannt war, dass dies aufgrund der erlassmäßigen Vorgaben der einschlägigen IT- und IKT-Benutzungsrichtlinien sowie Mitteilungen des Bundesministeriums für Justiz über die Verwendung seines vom Dienstgeber zur Verfügung gestellten Dienst-PC/Laptops und Internetzugangs, also der sog IKT-Infrastruktur, zu privaten Zwecken ohne dienstlichen Zusammenhang so wie von ihm praktiziert aus rein privater Neigung Stelle untersagt war (ON 46 AS 312 f).
Diese Vorgangsweise insgesamt stand wie der Disziplinarbeschuldigte wusste, in Widerspruch zu den einschlägigen ihm insoweit bekannten Benutzerrichtlinien ua des Bundesministeriums für Justiz und der von der Bundesregierung erlassenen IKT-Nutzungsverordnung. Er wusste sohin, dass diese konstatierte Verhalten den angeführten Vorgaben der vorgesetzten Stellen zur privaten Nutzung von Hard- und Software samt Nutzung des Internetzugangs massiv widerstreitet und er den dienstlichen Anordnungen wiederholt über einen längeren Zeitraum nicht Folge leistete.
Diese nicht dienstlich veranlasste, ausschließlich privat motivierte Nutzung der IKT-Infrastruktur des öffentlichen Dienstgebers hielt der Disziplinarbeschuldigte auch im Dienstbetrieb des ** nicht unter Verschluss: Der Disziplinarbeschuldigte benützte ab 2017 bis jedenfalls 25.9.2024 ein Dienstzimmer, in dem die – jedenfalls ab 2017 zwei – externen Bildschirme des PCs/Laptops von jeder eintretenden Person oder vor der großteils oder ganz geöffneten Zimmertür auch von auf dem Flur stehenden oder vorbeigehenden Person eingesehen werden konnten (Fotodokumentation ON 32 und ZV C* ON 35, ZV D* AS 259, ZV E* AS 291, ZV F* G* AS 295, ZV H* AS 404 f, ZV I* AS 494 f, ZV J* AS 500, ZV K* AS 508 und ZV L* AS 512). Im Nahebereich des Dienstzimmers des Disziplinarbeschuldigten befinden sich Gerichtskanzleien, ein Besprechungs- und Vernehmungszimmer, sowie andere Dienstzimmer von Richter:innen und Rechtspfleger:innen, sodass auch mit dem Auftreten dieser Gerichtsbediensteten aber auch mit Parteienverkehr gerichtsexterner Personen vor dem Dienstzimmer des Disziplinarbeschuldigten jederzeit zu rechnen war (ZV D* AS 258 f, ZV E* AS 297, ZV H* AS 404 f), weil ua Dritte, um zu diesen anderen Räumen zu gelangen, das Amtszimmer des Disziplinarbeschuldigten passieren mussten (ZV F* G* AS 297). Auch der Weg zum Aktenlager der **abteilung (ZV H* AS 403), zum Drucker anderer Mitarbeiter:innen mit Büro in derselben Etage oder der Weg zur Toilette für einzelne Mitarbeiter:innen führte am Dienstzimmer des Disziplinarbeschuldigten vorbei. Die Tür zu seinem Dienstzimmer hielt der Disziplinarbeschuldigte, wenn er im Zimmer anwesend war, von seltensten Ausnahmen abgesehen, immer ganz oder großteils geöffnet (AS 259, 291, 297, 493 f).
Fünf, dem Disziplinarbeschuldigten oder Richterkolleg:innen, deren Urlaubsvertreter er war, in der Zeit von 2020 bis 2022 (zwei Monate oder einen Monat lang) dienstzugeteilte Rechtspraktikantinnen, nämlich E*, D*, M* N*, F* G* sowie (nunmehr: RiAA) O* nahmen zu unterschiedlichen Zeitpunkten – E* zweimal, am 7. und 29. Oktober 2020 (AS 289), D* einmal im August oder September 2021 (AS 257), M* N* einmal (AS 408, 413), F* G* mehrmals im Februar 2022 (AS 295 f), RiAA O* einmal zwischen 25.7 und 25.9.2022 (AS 429 f) – bei der Annäherung an das Dienstzimmer des Disziplinarbeschuldigten durch die – fast ganz oder zumindest bis zur Möglichkeit direkten Sichtkontakts auf die Bildschirme mit den Darstellungen (AS 289, 295, 297) – geöffnete Tür vom Gang aus und anschließend beim Betreten des Dienstzimmers wahr, dass auf dem mit seinem Dienstlaptop verbundenen Bildschirm erotisches und in zumindest zwei Fällen pornografisches (AS 257: entblößte Genitalien einer Frau; AS 430: Frau, die sich über einen erigierten Penis beugt) Bildmaterial aufschien. Die Wahrnehmungen dieses Bildmaterials auf dem Bildschirm haben die betroffenen Gerichtsbediensteten unangenehm berührt, teilweise belastet (P* AS 408, M* N* AS 414, O* AS 430). D* war so schockiert, dass sie sofort mit anderen Rechtspraktikant:innen das Gespräch über den Vorfall suchte (AS 258). E* war so unangenehm berührt, dass sie diese Ereignisse in einem Feedbackgespräch erwähnte und eine nachfolgende (etwas später beim Disziplinarbeschuldigten) andere Rechtspraktikantin davon in Kenntnis setzte (AS 291 f). M* N* (geb Q*) war so betroffen, dass sie von den Vorgängen weiteren Rechtspraktikant:innen, zB F* G* erzählte (AS 296, 414). Deshalb erstatteten von diesen Vorgängen Betroffene im Wege einer ins Vertrauen gezogenen Richteramtsanwärterin (RiAA P*) Meldung an die Dienststellenleitung des **, die diese an das Oberlandesgericht ** als Dienstbehörde des Disziplinarbeschuldigten weiterleiteten (ON 35 AS 245 f, ON 41 AS 291 f). Dieses Verhalten des Disziplinarbeschuldigten war zumindest ab Sommer 2021 auch Gesprächsstoff in Rechtspraktikant:innenkreisen jedenfalls im Sprengel des Landesgerichts ** (vorstehende Beweisergebnisse und ZV RiAA P* AS 407 f iVm Zuteilungsliste AS 249).
Auch Kanzleimitarbeiter:innen, die in den im Bereich des Dienstzimmers des Disziplinarbeschuldigten gelegenen Gerichtskanzleien arbeiteten, nahmen ab 2017 bis September 2024, also zum Teil nach der dem Disziplinarbeschuldigten bekannten Einleitung dieses Disziplinarverfahrens, teilweise fast täglich (AS 403: H* ab 2021; AS 494 f: I* 2017 bis 2022 und weiter bis 25.9.2024; AS 499: J*: aus aktueller Zeit öfter; AS 503 f: R*: einmal 2022; AS 507 f: K*: 2017 bis September 2024; AS 511 f: L* wiederholt ab 2019; AS 515 f: S* T* ab 2018 wiederholt bis laufend) bei dienstlichen Wegen im Bereich des Dienstzimmers des Disziplinarbeschuldigten oder bei Vorsprachen beim Disziplinarbeschuldigten durch die geöffnete Tür und teilweise auch beim Betreten des Dienstzimmers erotische/pornografische Bilder auf den Bildschirmen des Disziplinarbeschuldigten wahr (H* AS 403 f, I* AS 493 f, J* AS 499 f,K* AS 507 f, S* T* AS 515 f), die sie zum Teil unangenehm berührten (S* T* AS 516). Dieses Verhalten des Disziplinarbeschuldigten war auch Gesprächsstoff in den im selben Geschoß des Gebäudes situierten Gerichtskanzleien (H* AS 403 ff) und Büros (E Mail U* vom 3.10.2024 AS 455).
In den beschriebenen Fällen hielt der Disziplinarbeschuldigte die Tür seines Dienstzimmers teils zur Gänze (AS 258f, AS 289), in anderen Fällen etwas weniger, aber jedenfalls bis etwa zur Hälfte (AS 297) geöffnet, obwohl auf dem Bildschirm Dateien mit erotischem oder pornografischem Inhalt geöffnet waren. Überdies arbeitete der Disziplinarbeschuldigte in aller Regel bei zum Gang hin geöffneter Tür (AS 258 f, 290, 296).
Das konstatierte Fehlverhalten des Beschuldigten war mit Blick auf die wiederholte Begehung über einen längeren Zeitraum und die Wahrnehmbarkeit für Dritte typischerweise geeignet, einem größeren Personenkreis inner- aber auch außerhalb der Justiz bekannt zu werden. In Anbetracht des Gegenstands des Fehlverhaltens im Dienst (Aufsuchen und Betrachtung erotischen und zum Teil pornografischen Bildmaterials mihilfe vom Dienstgeber zur Verfügung gestellter Hard- und Software im Amtszimmer während der Dienstzeit ohne dienstliches Interesse zu rein privaten Zwecken und als „Pausenbeschäftigug“) bestand zudem damit auch die typische Eignung, das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtspflege und das Ansehen des Stands der Richter zu beeinträchtigen, zumal das konstatierte Fehlverhalten den Vorstellungen der mit allgemein anerkannten Werten verbundenen Bevölkerung über das von einem Richter im Dienst zu erwartende standeskonforme Verhalten als sittenwidrig diametral zuwiderläuft. Diese zur typischen Eignung führenden tatsächlichen Umstände hielt der Beschuldigte ernstlich für möglich und fand sich damit billigend ab. Pflichtkonformes Verhalten wäre ihm jederzeit möglich und zumutbar gewesen.
Diese Feststellungen stützt der Senat auf die zu den Pflichtverletzungen in objektiver und subjektiver Hinsicht überwiegend geständige Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten, der die Vorwürfe auch in der mündlichen Verhandlung letztlich einräumte. Seine Depositionen sind mit den Ergebnissen des Disziplinarverfahrens (insbesondere der Disziplinaranzeige des Präsidenten des Oberlandesgerichts ** vom 23.1.2023 samt Beilagen, 1 Je 424/23t-17-8 ON 1, der umfangreichen Datendokumentation vom Laufwerk des Dienst-Laptops des Disziplinarbeschuldigten samt Bild- und Videodateien ON 26, Fotodokumentation über die räumlichen Verhältnisse im Dienstzimmer und Umgebung ON 32, Zuteilungslisten ON 36, ON 53 und ON 67) sowie den Aussagen der von der Untersuchungskommissärin einvernommenen Zeugen C* ON 35, D* ON 39, E* ON 41, F* G* ON 42, H* ON 58, P* ON 59, V* N*, geb W* 60, O* ON 64, I* ON 77, J* ON 78, R* ON 79, K* ON 80, L* ON 81 und X* T* ON 82 zwanglos und gut in Einklang zu bringen. Soweit der Beschuldigte einzelne Wahrnehmungen der Zeugin G* in Zweifel zu ziehen versuchte, folgt der Senat jedoch den Schilderungen der Zeugin, die keinen Grund hat den Disziplinarbeschuldigten zu belasten und aus deren Aussage auch keine Aggravierungstendenzen ableitbar sind.
Der festgestellte Sachverhalt erfährt folgende rechtliche Beurteilung:
Der dienstliche Internetanschluss ist grundsätzlich für die dienstliche Internetnutzung vorgesehen ( Fellner/Nogratnig,RStDG, GOG und StAG I 5.03§ 57 RStDG [Stand 1.3.2024, rdb.at] Rz 88 f).
Nach der – auf der Rechtsgrundlage des § 79d BDG 1979 ergangenen – Verordnung der Bundesregierung über die private Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnik-Infrastruktur des Bundes durch Bundesbedienstete (IKT-Nutzungsverordnung – IKT-NV 2009) vom 1.9.2009, BGBl II 281/2009, ist die Nutzung der für den Dienstbetrieb zur Verfügung stehenden IKT-Infrastruktur für private Zwecke nur im eingeschränkten Ausmaß zulässig. Sie darf (ua) nicht missbräuchlich erfolgen, dem Ansehen des öffentlichen Dienstes nicht schaden und die Sicherheit und Leistungsfähigkeit der IKT-Infrastruktur nicht gefährden. Sie darf außerdem nur unter Beachtung sämtlicher weiterer ressort- oder arbeitsplatzspezifischer Nutzungsregelungen erfolgen. Insbesondere ist eine eigenmächtige Veränderung der zur Verfügung gestellten IKT-Infrastruktur (Hard- und Software) unzulässig (§ 3 IKT-NV 2009). Die vom Dienstgeber bereitgestellten Internetdienste dürfen für private Zwecke nur dann verwendet werden, wenn (ua) eine Beeinträchtigung des Ansehens des öffentlichen Dienstes, eine Anscheinserweckung, dass die Nutzung im Namen, Interesse oder mit Wissen des Dienstgebers vorgenommen wird, die Erzeugung negativer Rechtsfolgen beim Dienstgeber, eine Verletzung eigener oder fremder Dienstpflichten ausgeschlossen sind (§ 4 Abs 1 Z 1, 3, 4 und 6 IKT-NV 2009).
Die Internetnutzung über die vom öffentlichen Dienstgeber beigestellte IKT-Infrastruktur, ua PC/Laptop, Bildschirme, und die darauf installierte Software ist auf dienstliche Notwendigkeiten zu beschränken (§ 3 IKT-NV 2009; IKT-Benutzungsrichtlinie Stand 5.2.2021 Pkt VII.a.; IT-Benutzungsrichtlinie Internet am Arbeitsplatz BMJ 6236/0001 Pr 4/2015 Pkt 4.)
Der Zugang zu Internetseiten mit pornografischem Inhalt ist ohnehin gesperrt („Blacklist“: IKT-Benutzungsrichtlinie 2020 Pkt VII.b.; IT-Benutzungsrichtlinie 2015 Pkt 5.). Daraus kann zwanglos abgeleitet werden, dass solche Inhalte auch in jenen Fällen ua für Richter untersagt sind, in denen solche Inhalte auf nicht gesperrten Internetseiten verfügbar gemacht werden können.
Außerhalb der ohnehin gesperrten Internetseiten ist es untersagt, über die vom öffentlichen Dienstgeber beigestellte IKT-Infrastruktur
Internetseiten mit offenkundig sittenwidrigem oder gesetzwidrigen Inhalt aufzurufen (IKT-Benutzungsrichtlinie 2020 Pkt VII.b.1.; IT-Benutzungsrichtlinie 2015 Pkt 6.a.);
das beigestellte Equipment auf eine Art und Weise zu nutzen, die mit den Aufgaben der Justiz in Widerspruch steht oder dem Ansehen der Justiz und des öffentlichen Dienstes insgesamt schaden könnte (IKT-Benutzungsrichtlinie 2020 Pkt VII.b.2.; IT-Benutzungsrichtlinie 2015 Pkt 6.d.);
dienstgeber„fremde“ Speichermedien, wie zB USB-Sticks anzuschließen; dies wäre nur zulässig, soweit dies aus dienstlichen Erfordernissen unumgänglich ist (IKT-Benutzungsrichtlinie 2020 Pkt IV.3.).
Die zitierte IKT-Benutzungsrichtlinie 2020, und die IT-Benutzungsrichtlinie 2015 stellen nähere ressortspezifische Bedingungen für die Nutzung der IKT-Infrastruktur außerhalb der (weisungsfreien) richterlichen Tätigkeit auf, die in diesem Bereich auch von den Richter:innen zu berücksichtigen und zu befolgen sind.
Aus all den vorgenannten allgemeinen und ressortspezifischen Vorschriften über die Nutzung von IKT (Informations- und Kommunikations-)technologie odertechnik, also alle Einrichtungen zur elektronischen oder nachrichtentechnischen Übermittlung, Speicherung und Verarbeitung von Sprache, Text, Stand- und Bewegtbildern sowie Daten (Definition gemäß § 1 Z 1 IKT-NV 2009) ergibt sich, dass die private Nutzung der vom Dienstgeber zur Verfügung gestellten IKT-Infrastruktur (Hard- und Software: § 1 Z 2 IKT-NV 2009) ua insbesondere dann verboten ist, wenn das Ansehen des öffentlichen Diensts und der Justiz (auch indem der Anschein einer Nutzung im Namen, Interesse oder mit Wissen des Dienstgebers erweckt wird) oder die Sicherheitder IKT-Infrastruktur gefährdet wird (siehe zB § 3 IKT-NV 2009; Pkt 2. und 3. IT-Benutzungsrichtlinie 2015; Pkt III. I. a., IV.c.3. und f., V.g. und VII.f. IKT-Benutzungsrichtlinie 2020).
Gegen den Gesichtspunkt der Vermeidung negativer Außenwirkung hat das vom Disziplinarbeschuldigten gesetzte Verhalten in mehrfacher Hinsicht verstoßen:
Dass der Aufruf von erotischem und pornografischen Inhalt – zB auf der Fotoplattform „B*“ – in Ausübung seines Diensts als ** gewesen wäre, hat der Disziplinarbeschuldigte weder eingewendet noch haben sich dafür Anhaltspunkte im Beweisverfahren ergeben. Im Gegenteil hat der Disziplinarbeschuldigte in seiner Vernehmung vom 14.5.2024 ausdrücklich eingeräumt, dass das Herunterladen, Betrachten und Speichern dieser Bilder mit erotischem und pornografischem Inhalt auf einem privaten USB-Stick nichts mit seiner Dienstverrichtung ** zu tun hatte (AS 312). Auch im konkreten Fall unterlag der Disziplinarbeschuldigte daher den Beschränkungen der eben wiedergegebenen Rechtsgrundlagen für die Nutzung der IKT-Infrastruktur. Er hat in seiner Vernehmung vom 14.5.2024 auch zugegeben, es sei ihm bewusst gewesen, dass diese Vorgangsweise mit diversen Richtlinien nicht in Einklang zu bringen ist (AS 312). Bei dieser Verantwortung ist er auch in der mündlichen Verhandlung geblieben.
Dass das somit ausschließlich von privaten Motiven getragene Aufrufen von erotischen und pornografischen Inhalten auf dieser Internetplattform auf demDienst-PC/Laptop im inkriminiertem Zeitraum durch den Disziplinarbeschuldigten jedenfalls diesen IKT-Benutzungsrichtlinien widersprach, ist offensichtlich. Überdies ging er mit diesem Bildmaterial nicht sorgsam um, sodass sowohl Mitarbeiter:innen im Justizdienst als auch Rechtspraktikantinnen, die nicht (mehr) im Justizdienst stehen, also ein außerhalb der Justiz verankerter Personenkreis, von seinem Userverhalten zumindest im Endergebnis Kenntnis erlangten. Sein Verhalten ist daher jedenfalls dem Ansehen der Justiz bzw des öffentlichen Dienstes abträglich. Ebenso wenig war das - ohnehin zugestandene - (ausgiebige und wiederholte) persönliche Betrachten der aufgerufenen Darstellungen auf dem Dienst-PC/Laptop im Dienstzimmer im selben Zeitraum nach dieser Richtlinie zulässig. Dieses Verhalten war überdies dazu geeignet – wäre es öffentlich bekannt geworden – einen Verlust an Achtung vor dem Richterstand zu bewirken (§ 57 Abs 3 RStDG). Schließlich verstieß auch das Abspeichern der Internetadresse – der leichteren Auffindbarkeit halber – als Ordner auf dem Dienstlaptop und schließlich das teilweise Speichern von erotischen und pornografischen Bild- und Videodateien auf einem privaten USB-Stick etwa in der Zeit von 2017 bis Oktober 2022 gegen diese Richtlinien ua auch deren Sicherheitsaspekte. Die IKT-Richtlinie 2020 verbietet in ihren Pkt IV.c.3. sogar ausdrücklich den Anschluss privater Speichermedien wie zB den hier erwiesenen USB-Stick aus privaten Interessen an den Dienstlaptop (vgl die IT-Benützungsrichtlinie 2015 Pkt 2.).
Dem Beschuldigten waren die einschlägigen Sicherheitsvorschriften für die IKT-Infrastruktur, insbesondere die IKT-Richtlinie 2020, bekannt und er hat selbst im Rahmen seiner Einvernahmen angegeben, dass er sich des disziplinarisch zu verfolgenden Fehlverhaltens gegen diese Richtlinien bewusst war und ist (Vernehmung vor dem Vizepräsidenten des OLG ** vom 25.11.2022 in 1 Jv 424/22t 17 zu 7 S 2 und AS 311 f). Auch den Vorsatz auf die Eignung seines Verhaltens mit Puplizitätswirkung, das Vertrauen in die Rechtspflege und das Ansehen des Standes der Richter zu beeinträchtigen, gestand er in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht ein.
Der Beschuldigte hat somit nach den getroffenen Feststellungen wiederholte vorsätzliche Verletzungen von Dienst- und Standespflichten nach § 57 Abs 2 und Abs 3 RStDG begangen. Alle vorgeworfenen Verletzungen eines Richters sind als einheitliches Disziplinardelikt zu behandeln und im Gesamten in der Richtung zu würdigen, ob die Art oder Schwere der Verfehlungen, deren Wiederholung oder andere erschwerende Umstände die Pflichtverletzungen in ihrer Gesamtheit zu einem Dienstvergehen machen oder nicht (RISJustiz RS0072492 [T3]). Ob auch eine einzelne von mehreren pflichtverletzenden Handlungen per se ein Dienstvergehen begründet, ist hingegen für die Schuldfrage ohne Bedeutung (RISJustiz RS0072588).
Unter Heranziehung dieser Kriterien fällt aber dem Beschuldigten bei der gebotenen Gesamtbetrachtung ein Dienstvergehen nach § 101 Abs 1 RStDG zur Last.
Ein allenfalls theoretisch in Betracht kommendes Absehen vom Ausspruch über die Verhängung einer Disziplinarstrafe (§ 101 Abs 3 RStDG) oder der bloße Ausspruch der Disziplinarstrafe des Verweises (§ 104 Abs 1 lit a RStDG) kommen im Hinblick auf das Gewicht der Pflichtverletzungen nicht in Betracht (OGH 4.7.2019, 2 Ds 2/19w).
Es bedarf also der Bestrafung des Disziplinarbeschuldigten, die auch spürbar ist, um ihn in Zukunft von derartigen, das Standesansehen der Richterschaft und die Vertrauenswürdigkeit in den Richterstand schädigenden Verhaltensweisen abzuhalten. Für die Strafbemessung ist nicht nur die Art und Schwere der Pflichtverletzung maßgebend, sondern es ist auch auf Erwägungen der Spezial- und Generalprävention Rücksicht zu nehmen (OGH 4.7.2019, 2 Ds 2/19w oder 4.7.2019, 2 Ds 3/19t).
Bei der Strafzumessung erschwerend waren das Vorliegen mehrerer Verfehlungen (OGH 27.2.2012, Ds 10/11; RISJustiz RS0072541), der lange Tatzeitraum des Fehlverhaltens sowie die teilweise Begehung während des schon anhängigen Disziplinarverfahrens und der Umstand, dass das die Qualifikation zum Dienstvergehen erforderliche Ausmaß doch deutlich überschritten wurde (OGH 4.7.2019, 2 Ds 19/19w; 4.3.2014, Ds 26/13).
Mildernd war zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte unbescholten ist und die disziplinäre Tat mit seinem sonstigen Verhalten im auffallender Widerspruch steht, er sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat umfassend und reumütig geständig verantwortete, darin auch ein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung zu erblicken ist und das gegen ihn geführte Disziplinarverfahren unverhältnismäßig lange dauerte.
In Anbetracht der Strafzumessungsgründe und im Lichte präventiver Strafbemessungserwägungen ist die Verhängung einer Geldstrafe in Höhe eines eineinhalbfachen Monatsbezugs (150 %) schuld- und tatangemessen.
Die Entscheidung über die Kosten des Disziplinarverfahrens ist im § 137 Abs 2 RStDG begründet.
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