7Bs127/25x – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch die gemäß § 33 Abs 2 erster Satz StPO zuständige Einzelrichterin Mag. Preßlaber in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB über die Beschwerde der Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 17.4.2025, ** (= GZ **-8 der Staatsanwaltschaft Innsbruck), beschlossen:
Spruch
Der Beschwerde wird t e i l w e i s eFolge gegeben und der vom Bund der A* gemäß § 196 Abs 1 StPO zu leistende Beitrag zu den Kosten der Verteidigung im Ermittlungsverfahren mit EUR 700,-- bestimmt.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
Text
Begründung :
Das unter anderem gegen A* von der Staatsanwaltschaft Innsbruck zu ** wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB geführte Ermittlungsverfahren wurde mit Verfügung vom 31.3.2025 gemäß § 190 StPO eingestellt (ON 1.2).
Am 9.4.2025 beantragte die anwaltlich Vertretene unter Hinweis auf ein entsprechendes Leistungsverzeichnis in der Gesamthöhe von EUR 2.765,18 (darin enthalten ein Erfolgszugschlag von 50 % in Höhe von EUR 670,56 netto und umsatzsteuerpflichtige Barauslagen von EUR 2,60) den Zuspruch eines angemessenen Beitrages zu den Kosten der Verteidigung (ON 7).
Die Staatsanwaltschaft Innsbruck äußerte sich dazu nicht.
Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht den Beitrag zu den Kosten der Verteidigung der Beschuldigten gemäß § 196a Abs 1 StPO mit EUR 400,-- (ON 8).
Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitig erhobene (Kosten-)Beschwerde der Beschuldigten, die darauf abzielt, den angesprochenen Beitrag mit EUR 1.000,-- zu bestimmen. Vorgebracht wird, dass über die vom Erstgericht zutreffend dargestellten Leistungen des Verteidigers überdies zu berücksichtigen sei, dass das Ermittlungsverfahren ca. zwei Monate angedauert habe, mehrere Zeugen vernommen sowie zahlreiche Telefonate und ausführliche Korrespondenz geführt worden seien, weshalb der erfolgte Zuspruch zu gering und nicht angemessen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft einer Stellungnahme enthalten hat, ist nicht berechtigt.
Wird ein Ermittlungsverfahren gemäß § 108 oder § 190 StPO eingestellt, so hat gemäß § 196a Abs 1 StPO der Bund dem Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten. Der Beitrag umfasst die nötig gewesenen und vom Beschuldigten bestrittenen baren Auslagen und außer im Fall des § 61 Abs 2 StPO auch einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Beschuldigte bedient. Der (letztgenannte) Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen und darf – abgesehen von den hier nicht vorliegenden Fällen des § 196a Abs 2 StPO – den Betrag von EUR 6.000,-- nicht übersteigen. Die Kriterien des Umfangs der Ermittlungen und der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen sind anhand des konkreten Ermittlungsverfahrens zu gewichten. Ausschlaggebend sind insbesondere der sich auf die Verteidigung durchschlagende Aufwand bei den Ermittlungsmaßnahmen, die Dauer des Ermittlungsverfahrens, die Anzahl der Verfahrensbeteiligten sowie die Gestaltung des dem Ermittlungsverfahren zugrundeliegenden Sachverhalts, der in seiner Komplexität von ganz einfachen Fällen bis hin zu umfangreichen Strafverfahren (etwa organisierter Kriminalität oder Wirtschaftsstrafverfahren) variieren kann und bei dem auch Aspekte, die die Ermittlungsarbeit erheblich aufwendig gestalten (beispielsweise wirtschaftliche Verflechtungen, Auslandsbeteiligungen, schwer nachvollziehbare Geldflüsse, Erfordernis von Sachverständigengutachten oder Rechtshilfeersuchen) zu berücksichtigen sind.
Zudem steht die Bemessung des Verteidigerkostenbeitrags immer auch unter dem Blickwinkel der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Verteidigung bzw der einzelnen Verteidigungshandlungen (EBRV 2557 der Blg XXVII. GP, S 3 ). Die Regelung des § 196a StPO wurde an jene des § 393a StPO angelehnt, für den von der Judikatur der Aktenumfang, die Schwierigkeit bzw Komplexität der Sach- und Rechtslage sowie der Umfang des Verfahrens (Hauptverhandlungen, Rechtsmittel) herangezogen wurden.
Der Pauschalkostenbeitrag im Höchstbetrag der Grundstufe 1 in Höhe von EUR 6.000,-- soll grundsätzlich für alle Verteidigungshandlungen zur Verfügung stehen, die nicht außergewöhnlich oder extrem sind. Da die Bandbreite der Verfahren, die in diese Grundstufe fallen, von ganz einfachen Verteidigungsfällen, wie etwa einer gefährlichen Drohung, bis hin zu Wirtschaftsstrafsachen, reichen, kann sich der Beitrag je nach Umfang der Ermittlungen und Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen dem im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag annähern bzw sich von diesem weiter entfernen. Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass ein durchschnittliches Standardverfahren rund EUR 3.000,-- an Aufwand für die Verteidigung verursachen wird, wobei in dieser Berechnung zwar der Einheitssatz Berücksichtigung findet, Erfolgs- und Erschwerniszuschläge jedoch außer Betracht zu bleiben haben. Für Verfahren die in die bezirksgerichtliche Zuständigkeit fallen, erscheint angesichts deren zu erwartender im Regelfall geringeren Komplexität und auch der kürzeren Verfahrensdauer in diesem Sinne eine Reduktion der Ausgangsbasis auf die Hälfte des Durchschnittswerts, sohin EUR 1.500,-- angemessen (EBRV 2557 der Blg XXVII. GP, S 5). Eine Verpflichtung, einem Beschuldigten sämtliche Aufwendungen für seine Verteidigung zu ersetzen, sieht das Gesetz nicht vor und ist eine solche Verpflichtung weder den geltenden Verfassungsbestimmungen noch der Judikatur des EGMR zu entnehmen (EBRV 2557 der Blg XXVII. GP, S 2).
Hintergrund des gegenständlichen Strafverfahrens ist die Beurteilung des Vorwurfs, ob die Beschuldigte im Zeitraum zwischen 15.2.2025 und 16.2.2025 in ** mehrere Kraftfahrzeuge durch „Zerkratzen“ beschädigt hat. Nachdem diese am 18.5.2025 über das gegen sie geführte Ermittlungsverfahren in Kenntnis gesetzt wurde, nahm ein Mitarbeiter der Kanzlei des Verteidigers nach erfolgter Vollmachtsbekanntgabe (ON 2.11) am 24.2.2025 bei der Polizei Einsicht in den Akt (ON 2.2, 4) und fand am 11.3.2025, von 11.11 Uhr bis 11.25 Uhr, ihre niederschriftliche Einvernahme im Beisein ihres Verteidigers statt (ON 2.5), in welcher sie vollumfänglich auf eine schriftlich vom Verteidiger verfasste Stellungnahme (ON 2.9) verwies. Letztlich übermittelte der Verteidiger am 3.4.2025 eine Vollmachtsbekanntgabe und einen Antrag auf Akteinsicht an die Staatsanwaltschaft Innsbruck (ON 5). Diese Verteidigungshandlungen waren notwendig und zweckmäßig, indes haben Kosten für den Antrag nach § 196a StPO außer Betracht zu bleiben ( Lendl in Fuchs/Ratz WK-StPO § 393a Rz 23 aE).
Der Abschlussbericht wurde am 23.3.2025 der Staatsanwaltschaft Innsbruck übermittelt und über deren Auftrag noch eine weitere Zeugin vernommen. Das gegenständliche Ermittlungsverfahren dauerte vom Zeitpunkt der Anzeigenerstattung am 16.2.2025 bis zur Einstellung durch die Staatsanwaltschaft am 31.3.2025 nur etwa eineinhalb Monate und umfasste der Akteninhalt bis zur erfolgten Einstellung vier Ordnungsnummern. Die zu lösenden Tat- und Rechtsfragen waren ausgehend von den vorliegenden Aussagen der Zeugen und der Beschuldigten lediglich von unterdurchschnittlicher Komplexität.
Insgesamt handelt es sich fallaktuell aufgrund der sehr einfachen Sach- und Rechtslage, des äußerst geringen Umfangs der gegen die Beschwerdeführerin durchgeführten Ermittlungen und dem dadurch geringen Ausmaß des notwendigen und zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers um ein weit unter dem Durchschnitt liegendes Standardermittlungsverfahren (zur konkreten Bemessung des Verteidigungskostenpauschalbeitrags in der hier vorliegenden Grundstufe 1 vgl EBRV 2557 BlgNR XXVII. GP 5). Mit Blick darauf und unter Berücksichtigung des notwendigen Aktenstudiums zur Vorbereitung durch den Verteidiger sowie der Führung von jedenfalls einer Besprechung mit der Mandantin erweist sich der vom Erstgericht bestimmte Kostenbeitrag mit EUR 400,-- allerdings als etwas zu gering und war auf EUR 700,-- anzuheben.