JudikaturOLG Innsbruck

11Bs250/24p – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
Wirtschaftsrecht
13. Januar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Dr. Lechner als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. a Hagen und Mag. a Obwieser als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens der Untreue nach §§ 153 Abs 1 und 3 1. Fall StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 29.10.2024, GZ **-29, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Der Beschwerde wird n i c h t Folge gegeben.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

Text

BEGRÜNDUNG:

Die Staatsanwaltschaft Innsbruck legt dem am ** geborenen A* mit (ausgedehnten) Strafanträgen vom 04.08.2022, AZ **, und vom 22.08.2022, AZ **, das Vergehen der Untreue nach §§ 153 Abs 1 und 3 1. Fall StGB zur Last.

Demnach habe er im Zeitraum von 06.07.2021 bis 23.02.2022 in ** in seiner Eigenschaft als Verantwortlicher seines Einzelunternehmens B* und Hausverwalter der Wohnungseigentumsgemeinschaft C* seine durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht, sohin in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstoßen, die dem Vermögensschutz der Geschädigten dienen und dadurch die Eigentümergemeinschaft C* in einem insgesamt EUR 5.000,-- übersteigenden Schaden in Höhe von EUR 8.092,50 am Vermögen geschädigt, indem er in 10 Angriffen nachstehende Überweisungen ohne Auftrag bzw. ohne adäquate Gegenleistung sowie ohne Einwilligung der Eigentümergemeinschaft vorwiegend auf sein eigenes Konto sowie in einem Fall auf das Konto eines Rechtsanwaltes veranlasste, und zwar:

1. am 06.07.2021 EUR 389,20 an „A*“ als Kosten für Kopien von Unterlagen (241 Kopie à EUR 1,-- zzgl USt) sowie für die Übergabe von 5 Schlüssel an D* (ON 4.5, 11 ff);

2. am 06.07.2021 EUR 288,00 an „A*“ als Kosten für Kopien von Unterlagen (240 Kopien à EUR 1,-- zzgl USt) an E* (ON 4.5, 14ff);

3. am 15.11.2021 EUR 475,00 an „A*“ als Honorar für Leistungen im Zuge der Begehung des Gebäudes im Rahmen der Begutachtung nach ÖNORM B1300 der Jahre 2019 und 2020 (ON 4.5, 24 ff);

4. am 10.12.2021 EUR 3.026,04 an „A*“ als Vorauszahlung für sein Jahreshonorar Jänner-Dezember 2022;

5. am 14.12.2021 EUR 360,-- an „A*“ als Honorar für Leistungen im Zusammenhang mit einer Tiefgaragen-Überflutung am 11.07.2021 (ON 4.5, 44 ff)

6. am 14.12.2021 EUR 480,-- an „A*“ als Honorar für Leistungen im Zusammengang mit dem Streichen der Fassade (ON 4.6, 13 ff);

7. am 03.01.2022 EUR 252,17 als „Verwaltungshonorar C*“ an A*;

8. am 01.02.2022 EUR 252,17 als „Verwaltungshonorar C*“ an A*.

9. am 16.02.2022 EUR 756,51 an „A*“ für die Aufbereitung und Übergabe der Unterlagen an die neue Hausverwaltung (ON 4.7, 6 ff);

10. am 23.02.2022 EUR 1.813,41 an RA Dr. F* für eine Zahlung im Zusammenhang mit einem Exekutionsverfahren (** des BG Kufstein), in welchem nur er bzw. sein Einzelunternehmen selbst beklagte bzw. in weiterer Folge verpflichtete Partei war (ON 4.7, 9ff).

In der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht Innsbruck am 01.10.2024 bot die Erstrichterin nach Vernehmung des Angeklagten ein diversionelles Vorgehen nach § 203 StPO in Form einer Verfahrenseinstellung für eine Probezeit von zwei Jahren samt der Verpflichtung zur Leistung einer Schadenswiedergutmachung an die WEG C* wie folgt an:

EUR 3.996,83

samt 4 % Zinsen seit 16.11.2021 aus EUR 475,00

samt 4 % Zinsen seit 11.12.2021 aus EUR 1.513,02

samt 4 % Zinsen seit 15.12.2021 aus EUR 360,00

samt 4 % Zinsen seit 15.12.2021 aus EUR 480,00

samt 4 % Zinsen seit 17.02.2022 aus EUR 756,51

samt einer Pauschale für die Kosten der Vertretung der Privatbeteiligten in Höhe von EUR 3.300,00 inklusive 20 % Umsatzsteuer (ON 27).

Diesem Anbot stimmte der Angeklagte zu. Der öffentliche Ankläger sprach sich aus spezialpräventiven Gründen gegen ein diversionelles Vorgehen aus.

Nach geleisteter Schadensgutmachung (ON 28) stellte das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss das Verfahren gemäß §§ 199 iVm 203 Abs 1 StPO unter Bestimmung eines Pauschalkostenbeitrages in Höhe von EUR 350,00 für eine Probezeit von zwei Jahren vorläufig ein. Begründend führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass der unbescholtene Angeklagte für die Taten im Zuge der Hauptverhandlung volle Verantwortung übernommen habe. Er habe einen Teil des Schadens bereits im Zeitpunkt der Hauptverhandlung gut gemacht, den restlichen Schaden samt Zinsen und die Kosten der Privatbeteiligtenvertretung habe er zwischenzeitig nachweislich beglichen. Es würden somit alle Voraussetzungen für ein diversionelles Vorgehen vorliegen und der Angeklagte habe der diversionellen Maßnahme zugestimmt (ON 29).

Gegen diesen Beschluss richtet sich die von der Staatsanwaltschaft fristgerecht ausgeführte und in den Antrag mündende Beschwerde, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens gegen A* aufzutragen. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts lägen die Voraussetzungen für ein diversionelles Vorgehen nicht vor. Der Angeklagte habe weder hinreichend Verantwortung für sein Verhalten übernommen noch sei seine pauschale Verantwortungsübernahme von Einsicht oder Reue getragen gewesen. Darüber hinaus könne ohne die Einvernahme der angebotenen Zeugen, insbesondere des Zeugen G* nicht von einem hinreichend geklärten Sachverhalt ausgegangen werden. Anlassbezogen sei zudem von einer schweren Schuld auszugehen und sprächen auch generalpräventive Gründe gegen eine diversionelle Erledigung (ON 30).

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck einer Stellungnahme enthielt, kommt keine Berechtigung zu.

Das Gericht hat gemäß § 199 StPO in sinngemäßer Anwendung der §§ 198, 200 bis 209b StPO das Verfahren unter den für die Staatsanwaltschaft geltenden Voraussetzungen bis zum Schluss der Hauptverhandlung mit Beschluss einzustellen.

Nach § 198 Abs 1 StPO hat die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung einer Straftat zurückzutreten, wenn aufgrund hinreichend geklärten Sachverhalts feststeht, dass eine Einstellung des Verfahrens nach §§ 190 bis 192 StPO nicht in Betracht kommt, eine Bestrafung jedoch in Hinblick auf die Zahlung eines Geldbetrages (Z 1) oder die Erbringung gemeinnütziger Leistungen (Z 2) oder die Bestimmung einer Probezeit iVm Bewährungshilfe und Erfüllung von Pflichten (Z 3) oder einen Tatausgleich (Z 4) nicht geboten erscheint, um den Beschuldigten (Angeklagten) von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Nach Abs 2 leg cit ist ein solches Vorgehen jedoch nur zulässig, wenn die Tat nicht mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist (Z 1), die Schuld des Beschuldigten (Angeklagten) nicht als schwer (§ 32 StGB) anzusehen wäre (Z 2) und die Tat nicht den Tod eines Menschen zur Folge gehabt hat (Z 3).

Bei der Bewertung des Grades der Schuld als schwer ist von jenem Schuldbegriff auszugehen, der nach § 32 f StGB die Grundlage für die Strafbemessung bildet, wobei stets nach Lage des konkreten Falles eine ganzheitliche Abwägung aller unrechts- und schuldrelevanten Tatumstände vorzunehmen ist. Demnach müssen Handlungs-, Erfolgs- und Gesinnungsunwert insgesamt eine Höhe erreichen, die im Wege einer überprüfenden Gesamtwertung als auffallend und ungewöhnlich zu beurteilen ist (vgl RIS-Justiz RS0116021).

Bei Delikten mit geringen Strafobergrenzen ist insbesondere zu berücksichtigten, dass angesichts des vom Gesetzgeber solcherart zum Ausdruck gebrachten geringeren sozialen Störwertes die Schwelle für die Bejahung des Vorliegens einer nicht als schwer anzusehenden Schuld niedriger anzusetzen ist, als bei einem mit höherer Strafe bedrohten Vergehen und Verbrechen. Vergleichsmaßstab bilden alle einer Diversion zugänglichen Delikte ( Schroll/Kert in Fuchs/Ratz, WK StPO § 198 Rz 28 und 32).

Aufgrund der aktenkundigen Verfahrensergebnisse, insbesondere der kriminalpolizeilichen Erhebungsergebnisse sowie der Angaben der vernommenen Zeugen (ON 4.1ff und ON 17.1ff) und der Verantwortung des Angeklagten sowohl bei der Polizei (ON 4.4 und ON 17.3.2) als auch in der Hauptverhandlung (ON 27) kann von einem hinreichend geklärten Sachverhalt ausgegangen werden (§ 198 Abs 1 StPO). Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft vermag das Beschwerdegericht nicht zu erkennen, weshalb die neuerliche Einvernahme der angebotenen (bereits polizeilich vernommenen) Zeugen, insbesondere des G*, zur hinreichenden Klärung des Sachverhaltes iSd § 198 Abs 1 StPO erforderlich sein sollte ( Schroll/Kert aaO Rz 3).

Dem Beschwerdevorbringen, wonach spezialpräventive Erwägungen einer Diversion entgegen stehen, ist zu erwidern, dass die Möglichkeit einer Diversion in spezialpräventiver Hinsicht von der Haltung des Beschuldigten (hier Angeklagten) abhängt und die Bereitschaft voraussetzt, Verantwortung für das ihm zur Last gelegte Tatgeschehen zu übernehmen. Es ist eine innere Bereitschaft zur Schadensgutmachung oder zum Tatfolgenausgleich erforderlich, welche nur bei entsprechendem Unrechtsbewusstsein möglich ist ( Kirchbacher , StPO 15 § 198 Rz 6 mwN). Nach stRsp kommt es auf eine Schuldeinsicht an. Ein Geständnis ist jedoch keine generelle Voraussetzung für eine diversionelle Erledigung ( Schroll/Kert aaO Rz 4 und 36; RIS-Justiz RS0116299).

Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung Verantwortung für sein Handeln übernommen und den entstandenen Schaden zwischenzeitlich vollständig gutgemacht, was eine klare Schuldeinsicht erkennen lässt. Insoweit die Staatsanwaltschaft dazu ausführt, der Angeklagte habe nicht hinreichend Verantwortung übernommen und sei nicht bereit gewesen, auch nur eine einzige der ihm zur Last gelegten Tathandlungen offen zuzugestehen, weshalb aus spezialpräventiver Sicht eine Bestrafung des völlig uneinsichtigen Angeklagten unerlässlich sei, ist auf obige Ausführungen zu verweisen, wonach ein Geständnis gerade nicht zwingend erforderlich ist.

Die Staatsanwaltschaft moniert weiters eine schwere Schuld des Angeklagten als Hindernis für ein diversionelles Vorgehen. Dem entgegen ist nicht ersichtlich, warum dem Angeklagten als Hausverwalter eine besondere Verantwortung zugerechnet werden sollte, die eine schwere Schuld im Sinne des  § 32 StGB begründet. Vielmehr handelt es sich fallaktuell um eine Schuld, die im Kontext des Delikts der Untreue typischerweise zu erwarten ist, welche jedoch einer diversionellen Maßnahme nicht entgegensteht. Darüber hinaus ist das Nachtatverhalten des Angeklagten (vollständige Schadensgutmachung) schuldmindernd ( Schroll/Kert aaO Rz 25 f, 27 und 32).

Schließlich kritisiert die Staatsanwaltschaft, dass ein diversionelles Vorgehen im gegenständlichen Fall ein völlig falsches Signal an andere darstelle, sohin generalpräventiv nicht gerechtfertigt sei.

Diversion setzt voraus, dass es unter Berücksichtigung der einzusetzenden, von der bloßen Bewährungsfrist bis zur Durchführung eines Tatausgleichs, zur Erbringung einer gemeinnützigen Leistung oder zur Absolvierung eines Kurses reichenden diversionellen Maßnahmen der Bestrafung des Beschuldigten nicht bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Die im vorliegenden Fall auferlegte Probezeit von zwei Jahren sowie die Verpflichtung zur Schadensgutmachung genügt generalpräventiven Zwecken. Diese für den Beschuldigten ernst zu nehmende Reaktion im Zuge diversioneller Erledigung vermittelt der Öffentlichkeit ein ausreichendes Signal der Rechtsbewährung, dass sich Straftaten nicht lohnen ( Schroll/Kert aaO Rz 41 mwN).

Fallaktuell sind daher alle Voraussetzungen für ein diversionelles Vorgehen gegeben, weshalb die Entscheidung des Erstgerichts nicht zu beanstanden ist.

Damit war der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.