10Bs241/25d – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Einzelrichter Mag. Wieland in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall, zweite Alternative StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Beschwerde des Verfahrenshilfeverteidigers Rechtsanwalt Mag. B* gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 20. August 2025, GZ **-68, den
BESCHLUSS
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.
Text
BEGRÜNDUNG:
Der mit Bescheid vom 19. Februar 2025 (ON 46) bestellte Verfahrenshilfeverteidiger des rechtskräftig verurteilten A* (ON 52) beantragte am 4. August 2025 (ON 67), bei Gericht eingelangt am 7. August 2025, die Vergütung von Barauslagen von insgesamt EUR 206,90, bestehend aus EUR 130,90 für 187 Seiten an Kopien, EUR 13,00 an ERV-Gebühren und EUR 63,00 an Fahrtkosten.
Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 68) bestimmte das Erstgericht die Barauslagen mit EUR 76,00 und wies die Kosten für die erstellten Kopien mit der (zusammengefassten) Begründung ab, dass diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig gewesen seien.
Gegen die Abweisung der geltend gemachten Kosten richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Verfahrenshilfeverteidigers (ON 71), mit der er den Zuspruch der begehrten Barauslagen in Höhe von EUR 130,90 anstrebt. Der Beschwerdeführer argumentiert im Wesentlichen damit, dass es in der Lebensrealität der Kanzlei des Beschwerdeführers – entgegen den erstgerichtlichen Ausführungen – Usus sei, sich die wesentlichen Informationen schriftlich auszudrucken, zumal dies – was die über Anregung des Verteidigers (ON 59) vorgenommenen Berichtigungen (ON 56) dokumentieren – für eine seriöse Vorbereitung, auch mit dem Mandanten, und des Umfang des Akts erforderlich gewesen sei.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 393 Abs 2 StPO sind einem nach § 61 Abs 2 StPO beigegebenen Verteidiger auf sein Verlangen die nötig gewesenen und wirklich bestrittenen baren Auslagen vom Bund zu vergüten. Welche Auslagen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Verfahren notwendig waren, hat das Gericht zu entscheiden ( Lendl, WK-StPO, § 393 Rz 9). Der Verfahrenshelfer hat gemäß § 52 Abs 2 Z 1 und Abs 3 StPO Anspruch darauf, dass ihm Kopien aus dem Akt kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Die Herstellung von Kopien für dritte Personen stellt keine notwendige Vertretungshandlung dar und wird nicht vergütet ( Lendl,aaO Rz 13). Dem Beschuldigten selbst steht das Recht auf Aktenabschrift nicht zu, soweit für ihn ein Verteidiger einschreitet (§ 52 Abs 1 erster Satz letzter Halbsatz StPO). Solcherart kommt es im Fall einer Vertretung durch einen Verteidiger auch zu keiner Verdoppelung des Rechts auf eine Aktenkopie ( Fabrizy/Kirchbacher, StPO 14 § 52 Rz 1). Vom Begriff „Kopien“ sind nicht nur Kopien im körperlich-technischen Sinn, wie Ablichtungen oder andere Wiedergaben des Akteninhalts, umfasst, sondern auch die elektronische Datenübertragung (EBRV 2402 BlgNR 24. GP 7; Kirchbacher, StPO 15§ 52 Rz 1/2). Das bedeutet für einen – wie hier – elektronisch geführten Akt, dass die „Ausfolgung von Kopien“ – zulässig und ausreichend – bereits mit einer Freischaltung im Aktensystem (hier mit 6. Februar 2025, ON 1.25) bewirkt ist (siehe auch RIS-Justiz RS0134433). Ab diesem Zeitpunkt ist für den – ursprünglich sogar als Wahlverteidiger eingeschrittenen (ON 42; ON 45) – Verfahrenshilfeverteidiger (ON 46) die Möglichkeit der Einsicht in den Akt mithilfe eines geeigneten mobilen elektronischen Geräts unabhängig von Zeit und Ort gewährleistet, wobei die Verpflichtung der Verteidiger, für die zur Wahrung, Verfolgung und Durchsetzung der ihnen anvertrauten Interessen notwendigen Einrichtungen, speziell im Zusammenhang mit den Anforderungen des elektronischen Rechtsverkehrs (§ 89a GOG), Sorge zu tragen, ausdrücklich in § 9 Abs 1a RAO statuiert ist. Ein Kostenersatz für einen zusätzlichen Ausdruck des elektronischen Aktes auf Papier würde einerseits der ständigen Rechtsprechung, wonach eine zweite Aktenkopie eines Papierakts, die der Verteidiger beispielsweise für den Verfahrensbeholfenen herstellt, nicht zu vergüten ist (vgl Lendl, aaO § 393 Rz 13), widersprechen, andererseits der Intention, durch (nunmehr) elektronisch geführte Akten „Papierberge“ und damit auch Kosten zu vermeiden, zuwiderlaufen (siehe auch OLG Graz, 8 Bs 60/24w, 8 Bs 39/25h, 10 Bs 28/25f uva). Gründe, die eine Ausnahme von diesem allgemeinen Grundsatz zur Folge haben könnten (vgl RIS-Justiz RS0122433), sind hier nicht erkennbar.
Auch die weitere Argumentation des Beschwerdeführers, dass der Ausdruck von Schriftstücken der Lebensrealität der Kanzlei des Beschwerdeführers entspreche, was sich durch die aufgezeigten Abweichungen dokumentiert, reicht zur Rechtfertigung der Notwendigkeit eines zusätzlichen Papierausdrucks von elektronisch zur Verfügung gestellten Aktenteilen nicht aus und vermag keinen Anspruch auf Barauslagenersatz zu begründen. Denn dieser Argumentation ist entgegenzuhalten, dass es sich bei den Kosten (etwa für Toner, Tinte, Papier, etc) für das Ausdrucken von Aktenstücken zur Herstellung eines bloßen Arbeitsbehelfs oder den kanzleiinternen Handakts doch um gewöhnlichen, nicht gesondert zu ersetzenden Kanzleiaufwand, den das Bundesministerium für Justiz dem österreichischen Rechtsanwaltskammertag nach § 47 RAO im Rahmen eines pauschalen (für die Altersvorsorge der Rechtsanwälte herangezogenen) Honoraransatzes für erbrachte Verfahrenshilfeleistungen jährlich vergütet, handelt ( Lendl , aaO § 393 Rz 8; neuerlich OLG Graz, 8 Bs 60/24w; OLG Wien 21 Bs 255/24i, OLG Innsbruck, 6 Bs 217/24y). Die persönlich präferierte Arbeitsweise spielt dabei im Übrigen keine Rolle, zumal nicht nachvollziehbar ist, weshalb die Ausdrucke erforderlich waren und aus welchen Gründen ein Navigieren in einem elektronischen Akt einem Rechtsanwalt nicht möglich ist (OLG Wien, 21 Bs 119/23p).
Auch die weiteren Argumente dringen nicht durch. Für eine pflichtgemäße Verteidigung genügt es in der Regel, dem Angeklagten den Akteninhalt zu erklären und ihm gegebenenfalls im Wege eines Computers/Laptops Einsicht in die dem Verfahrenshilfeverteidiger seitens der Justiz kostenlos zur Verfügung gestellten Aktenkopien zu ermöglichen (OLG Wien, 23 Bs 55/23s, OLG Innsbruck 11 Bs 76/22x). Die Herstellung einer Aktenkopie für den Beschuldigten begründet demnach keinen Anspruch auf Vergütung von Barauslagen nach § 393 Abs 2 StPO ( Mayerhofer, StPO 5 § 393 E 28a und E 28b). Die allenfalls leichtere Durchführbarkeit von Besprechungen und Verhandlungen begründet keine Barauslagenersatzpflicht (OLG Graz, 10 Bs 293/23y; OLG Wien, 19 Bs 107/23h). Dass der Verfahrenshilfeverteidiger im konkreten Fall auch tatsächlich daran gehindert gewesen wäre, in der – lediglich zwanzig Minuten andauernden (ON 51) – Hauptverhandlung etwa unter Zuhilfenahme eines Laptops auf den elektronischen Akt zuzugreifen, wurde nicht substanziiert behauptet. Zudem ist es gerichtsnotorisch, dass die Verhandlungssäle mittlerweile mit entsprechenden Anschlussmöglichkeiten ausgestattet sind.
Der angefochtene Beschluss entspricht somit der geltenden Rechtslage, weswegen der Beschwerde nicht Folge zu geben ist.
Der Rechtsmittelausschluss gründet auf § 89 Abs 6 StPO.