8Bs39/25h – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Richter Mag. Koller in der Strafsache gegen A* wegen Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde des gemäß § 61 Abs 2 StPO beigegebenen Verteidigers Mag. Henrik Gießauf gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 27. Jänner 2025, AZ **-21, den
BESCHLUSS
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.
Text
BEGRÜNDUNG:
Mit Bescheid des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 10. Jänner 2024 wurde Mag. Henrik Gießauf zum Verfahrenshilfeverteidiger gemäß § 61 Abs 2 StPO für den Angeklagten A* bestellt (ON 5.1) und vertrat diesen im Hauptverfahren.
Der Akt wird elektronisch geführt.
Der Verteidiger begehrte mit der am 10. Jänner 2025 eingelangten Eingabe gemäß § 393 Abs 2 StPO den Ersatz der Barauslagen in Höhe von insgesamt EUR 41,77 (soweit hier relevant: darin enthalten EUR 35,70 für Kopien; ON 20).
Mit dem angefochtenen Beschluss erkannte das Erstgericht dem Verteidiger den Ersatz von Barauslagen in Höhe von EUR 6,07 zu und wies den Antrag auf Ersatz der Kopierkosten in Höhe von EUR 35,70 ab, weil es die geltend gemachten Kosten unter Verweis auf die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte für nicht ersatzfähig ansah (ON 21).
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Verfahrenshilfeverteidigers (ON 22), zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft Graz inhaltlich nicht äußerte.
Rechtliche Beurteilung
Dem Rechtsmittel kommt kein Erfolg zu.
Einem nach § 61 Abs 2 StPO beigegebenen Verteidiger sind – soweit hier von Bedeutung – auf sein Verlangen die notwendig gewesenen und wirklich bestrittenen baren Auslagen vom Bund zu vergüten (§ 393 Abs 2 erster Satz StPO). Welche Auslagen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Verfahren nötig waren, hat das Gericht nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden (RIS-Justiz RS0101355; Lendl , WK-StPO § 393 Rz 9).
Nach § 52 Abs 2 Z 1 und Abs 3 StPO hat der Verfahrenshilfeverteidiger Anspruch darauf, dass ihm Kopien aus dem Akt kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Im Rahmen der technischen Möglichkeiten kann gemäß § 53 Abs 2 zweiter Satz StPO Akteneinsicht auch über Bildschirm oder im Wege elektronischer Datenübertragung gewährt werden.
Gemäß § 89c Abs 5 Z 1 GOG sind Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Verteidigerinnen und Verteidiger in Strafsachen nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet.
Die elektronische Akteneinsicht ist in § 89i GOG geregelt. Nach Abs 2 leg.cit kann den Parteien auch elektronische Einsicht in sämtliche gemäß den §§ 51, 57 Abs 2 und 68 Abs 1 und 2 StPO zugängliche, ihre Sache betreffende Daten, die in der Verfahrensautomation Justiz gespeichert sind, nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten sowie unter Bedachtnahme auf eine einfache und sparsame Verwaltung und eine ausreichende Sicherung vor Missbrauch durch dritte Personen ermöglicht werden.
Hiervon ausgehend kommt bei einem wie hier elektronisch geführten Akt das „Freischalten“ des Verteidigers im Aktensystem dem Ausfolgen einer Kopie gleich und besteht demzufolge (nach ständiger und übereinstimmender Rechtsprechung sämtlicher Oberlandesgerichte) kein zusätzlicher Anspruch auf Ausfolgung einer Aktenkopie in Papierform (vgl ErläutRV 2402 BlgNr 24.GP 7; OLG Linz 10 Bs 50/23h, 8 Bs 40/23y uva; OLG Wien 21 Bs 403/24d, 23 Bs 55/23s uva; OLG Innsbruck 6 Bs 217/24y, 11 Bs 225/22h uva; OLG Graz 8 Bs 121/24s, 9 Bs 410/23x, 10 Bs 325/24f uva).
Ab diesem Zeitpunkt ist für den Verfahrenshilfeverteidiger die Möglichkeit der Einsicht in den Akt mithilfe eines geeigneten mobilen elektronischen Geräts unabhängig von Zeit und Ort gewährleistet, wobei die Verpflichtung der Verteidiger, für die zur Wahrung, Verfolgung und Durchsetzung der ihnen anvertrauten Interessen notwendigen Einrichtungen, speziell im Zusammenhang mit den Anforderungen des elektronischen Rechtsverkehrs (§ 89a GOG), Sorge zu tragen, ausdrücklich in § 9 Abs 1a RAO statuiert ist.
Dem Verfahrenshilfeverteidiger bleibt es zwar unbenommen, selbst Ausdrucke herzustellen, um über einen Handakt als Arbeitsbehelf zu verfügen, ein genereller Kostenersatz für einen zusätzlichen Ausdruck des elektronischen Aktes auf Papier würde jedoch einerseits der ständigen Rechtsprechung, wonach eine zweite Aktenkopie eines Papierakts, die der Verteidiger beispielsweise für den Verfahrensbeholfenen herstellt, nicht zu vergüten ist (vgl Lendl, aaO Rz 13), widersprechen, andererseits der Intention, durch (nunmehr) elektronisch geführte Akten „Papierberge“ und damit auch Kosten zu vermeiden, zuwiderlaufen (vgl dazu OLG Graz 9 Bs 410/23x uva).
Die Herstellung einer Akten(teil)kopie durch den Verfahrenshilfeverteidiger für die Besprechung mit dem Angeklagten stellt im Anlassfall (in dem keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Verfahrenshilfeverteidiger daran gehindert gewesen wäre, unter Zuhilfenahme etwa eines Laptops sowohl für eine Vorbesprechung als auch in der Hauptverhandlung auf den elektronischen Akt zuzugreifen) keine „nötige“ Auslage iS des § 393 Abs 2 StPO dar und ist daher nicht zu vergüten (vgl. Lendl, aaO Rz 13; OLG Graz 10 Bs 25/24p uva).
Erfolgt – wie hier – die Übermittlung in digitaler Form, ist zudem der (in der Beschwerde thematisierte) mit Ausdrucken der digitalen Inhalte verbundene Aufwand als gewöhnlicher Kanzleiaufwand zu beurteilen, der nicht gesondert zu vergüten ist, weil er einen Teil des pauschalen (für die Altersvorsorge der Rechtsanwälte herangezogenen) Honoraransatzes darstellt, den das Bundesministerium für Justiz jährlich dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag für erbrachte Verfahrenshilfeleistungen vergütet (§ 47 RAO; vgl. Lendl , aaO Rz 8; OLG Wien 21 Bs 255/24i, OLG Innsbruck 6 Bs 217/24y uva).
Der Ausschluss weiterer Rechtsmittel folgt aus § 89 Abs 6 StPO.