8Bs238/25y – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richterin Mag a . Berzkovics als Vorsitzende, den Richter Mag. Obmann, LL.M., und die Richterin Mag a . Haas in der Maßnahmenvollzugssache des A*wegen bedingter Entlassung aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme nach § 47 StGB über die Beschwerde des Untergebrachten gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom 7. August 2025, GZ **-15, in nichtöffentlicher Sitzung den
BESCHLUSS
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.
Text
BEGRÜNDUNG:
Der am ** geborene A* wurde im Verfahren AZ ** des Landesgerichts Leoben wegen der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und der Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 Abs 1 StGB zur Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB (aF) in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Danach hat er im Zeitraum von August 2016 bis 11. August 2017 in **
1./ außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an der am ** geborenen und somit unmündigen B* vorgenommen, indem er sie an ihrer nackten Scheide betastete und auch über der Bekleidung im Scheidenbereich streichelte;
2./ Handlungen, die geeignet sind, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter 16 Jahren zu gefährden, vor der unmündigen B* vorgenommen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, indem er sich vor der Genannten bis zur Ejakulation mit der Hand selbst befriedigte, ihr Bilder aus pornografischen Magazinen vorzeigte, auf denen unter anderem ersichtlich ist, wie ein Mann einer Frau ins Gesicht ejakuliert und wie eine Frau einen Mann oral befriedigt, und zu Analverkehr mit ihm aufforderte, indem er sie fragte, ob er seinen „Pimmel in ihren Popo reinstecken dürfe“.
Der Einweisungsanordnung nach § 21 Abs 2 StGB (aF) lagen die auf dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. C* basierenden Feststellungen zu Grunde, dass bei A* eine Störung der Sexualpräferenz iS einer Pädophilie vorliege, die eine seelische bzw. geistige Abartigkeit von höherem Grad darstelle. Die Taten wurden unter dem Einfluss dieser geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades begangen. Wegen dieser Abartigkeit bestand ohne Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher die große (vgl. OLG Graz, AZ 9 Bs 250/18k) Gefahr, dass A* weitere Tathandlungen mit schweren Folgen, insbesondere sexuelle Missbrauchshandlungen an Unmündigen, begehen werde (US 8 ff, 18).
Die Strafzeit ist am 11. Februar 2020 abgelaufen. Seitdem stellt die Maßnahme, die seit 19. Mai 2022 in der Justizanstalt Graz-Karlau vollzogen wird, den alleinigen Grund der Freiheitsentziehung dar.
Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 15) sprach das Landesgericht für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht als Senat von drei Richtern (§ 162 Abs 3 StVG) aus Anlass der amtswegigen Überprüfung nach § 25 Abs 3 StGB – gestützt auf die Anlass-Verurteilung, eine aktuelle Strafregisterauskunft (ON 4), die Äußerungen des Untergebrachten (ON 2.6) und des Leiters der Justizanstalt Graz-Karlau (ON 2.2), die Stellungnahmen des Psychologischen Dienstes des Departments Maßnahmenvollzug vom 25. April 2025 (ON 5) und der BEST vom 26. Mai 2025 (ON 6) sowie das Gutachten der Sachverständigen Mag a. D*, MA, vom 17. Juli 2025 (ON 13) – konform der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Graz (ON 1.4) aus, dass die Unterbringung des A* in einem (nunmehr:) forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB weiterhin notwendig ist.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen gerichtete Beschwerde des Untergebrachten (ON 18), zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft Graz inhaltlich nicht äußerte, hat keinen Erfolg.
Zum bisherigen Gang des Verfahrens, zu den Eingaben und Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten, der BEST und des Departments Maßnahmenvollzug der Justizanstalt Graz-Karlau, zum Gutachten der Sachverständigen Mag a. D* und zum Inhalt der Strafregisterauskunft sowie zur maßgeblichen Bestimmung des § 47 Abs 2 StGB wird auf deren jeweils zutreffende Darstellung im angefochtenen Beschluss (BS 2 ff) verwiesen.
Die freiheitsentziehende Maßnahme nach § 21 Abs 2 StGB (idgF) darf nur aufrecht erhalten werden, wenn die einen maßgeblichen Einfluss auf die Anlasstat(en) habende schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung sowie die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Betroffene nach seiner Aufführung und Entwicklung in der Anstalt, nach seiner Person, seinem Gesundheitszustand, seinem Vorleben und nach seinen Aussichten auf ein redliches Fortkommen in absehbarer Zukunft unter dem maßgeblichen Einfluss seiner schwerwiegenden und psychischen Störung weiterhin Prognosetaten mit schweren Folgen begehen wird, noch bestehen und es keine Möglichkeit gibt, die unterbringungsrelevante Gefährlichkeit extra muros hintanzuhalten (§ 47 Abs 2 StGB; Haslwanter in WK 2StGB § 47 Rz 12 bis 14).
Ausgehend vom Gutachten der Sachverständigen Mag a . D* (ON 13), der forensischen Stellungnahme des Departments Maßnahmenvollzug der Justizanstalt Graz-Karlau (ON 5) und der Äußerung der BEST (ON 6) ist die erstgerichtliche Annahme der Notwendigkeit der weiteren Unterbringung des Betroffenen nicht zu kritisieren.
Nach dem aktuellen Sachverständigengutachten iVm der forensischen Stellungnahme des Departments Maßnahmenvollzug besteht bei A* weiterhin eine schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung, nämlich eine Störung der Sexualpräferenz im Sinne einer nicht-ausschließlichen Pädophilie (ICD-10: F65.4).
Unverändert steht nach der Aufführung und Entwicklung des Angehaltenen in der Anstalt, seiner Person, seinem Gesundheitszustand, seinem Vorleben und seinen Aussichten auf ein redliches Fortkommen mit hoher Wahrscheinlichkeit (RIS-Justiz RS0090401) in absehbarer Zeit die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung mit schweren Folgen (nämlich des neuerlichen sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 StGB) unter dem maßgeblichen Einfluss seiner fortbestehenden schwerwiegenden und nachhaltigen Störung zu befürchten (§ 21 Abs 2 StGB; Haslwanter in WK 2StGB § 21 Rz 27). Maßgebend ist insoweit vor allem, dass der Beschwerdeführer bereits zum zweiten Mal wegen Verbrechen nach § 207 Abs 1 StGB nach § 21 Abs 2 StGB angehalten wird, er die Anlasstaten teils während offener Probezeit nach bedingter Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug und trotz Psychotherapie und Betreuung durch die Bewährungshilfe beging, und trotz seines fortgeschrittenen Alters das Risiko künftiger Sexualdelinquenz zum Nachteil Unmündiger weiterhin als überdurchschnittlich eingeschätzt wird (ON 5, 11 [Department Maßnahmenvollzug]; ON 6, 3 [BEST]; Gutachten vom 17. Juli 2025 [ON 13, 40; wenngleich dort differenzierend je nach Entlassungssetting]). Die Befürchtung absehbarer Rückfälligkeit im oben dargestellten Sinne ergibt sich insbesondere daraus, dass beim Untergebrachten ein anhaltendes Störungsbild vorliegt, das vor allem in Phasen starker sozialer/psychischer (Stress-)Belastung und Einsamkeit „aktiviert“ wird. Rückfallspräventiv bedarf es daher einer – derzeit noch nicht gesicherten – Weiterbetreuung des Untergebrachten in einer forensisch-geriatrischen Einrichtung samt begleitender stimmungsstabilisierender, triebdämpfender Medikation (Antidepressiva).
Aufgrund der geschilderten Umstände kann die Gefährlichkeit, gegen die sich die vorbeugende Maßnahme richtet, trotz zuletzt erzielten Behandlungsfortschritts und ruhiger Führung mangels Erprobung des Untergebrachten im Rahmen von Vollzugslockerungen und wegen Fehlens eines risikopräventiven sozialen Empfangsraums durch Maßnahmen im Sinne der §§ 50 bis 52 StGB außerhalb der Unterbringung derzeit noch nicht hintangehalten werden (vgl. Haslwanter in WK 2StGB § 47 Rz 6, 8 und 10 aE).
Das Beschwerdevorbringen erschöpft sich in der – isolierten, teils (in Ansehung des aktenkundigen Bewährungsversagens infolge Rückfalls noch während offener Probezeit im Verfahren AZ ** des Landesgerichts Leoben) nicht nachvollziehbaren – Kritik an der von der Sachverständigen im Rahmen der durchgeführten Testverfahren (konkret: PCL-R, VRAG-R und STATIC-99) vorgenommenen Bewertung einzelner Items. Dabei übersieht der Beschwerdeführer grundlegend, dass die angesprochenen Testverfahren nur einer von vielen Beurteilungsparametern für die auf Basis einer Gesamtwürdigung der Person des Rechtsbrechers, seines Zustands und der Art der Anlasstat(en) ( Haslwanter in WK 2StGB § 21 Rz 24) zu erstellende Gefährlichkeitsprognose sind. Indem die Beschwerde zudem die weiteren gutachterlichen Ausführungen ebenso wie die zum selben Ergebnis gelangenden Einschätzungen der BEST und des Departments Maßnahmenvollzug der Justizanstalt außer Acht lässt, vermag sie an der Beurteilung aktuell noch bestehender, die weitere Unterbringung erforderlich machender Gefährlichkeit des Beschwerdeführers nichts zu ändern.
Der Rechtsmittelausschluss gründet auf §§ 163, 17 Abs 1 Z 3 erster Satz StVG iVm § 89 Abs 6 StPO.