8Bs176/25f – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richterin Mag a . Berzkovics als Vorsitzende sowie den Richter Mag. Petzner, Bakk., und die Richterin Mag a. Haas in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1 und 3 Z 2, Abs 4 erster Fall FPG und einer weiteren strafbaren Handlung nach öffentlicher Verhandlung am 20. August 2025 in Anwesenheit des Oberstaatsanwalts Mag. Liensberger, LL.M., sowie des Angeklagten und seiner Verteidigerin Rechtsanwältin Mag a . Schlögl über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 2. Dezember 2024, GZ **-264, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf zwei Jahre herabgesetzt.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – der am ** geborene A* des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB (A./) und „mehrerer“ Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, 3 „Z 1 und“ 2, Abs 4 (zu ergänzen:) erster Fall FPG (B./) schuldig erkannt, in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 114 Abs 4 FPG zur Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Kostenersatz verpflichtet. Gemäß § 38 (Abs 1) StGB wurde die Vorhaft von 11. Mai 2024, 6.10 Uhr, bis 2. Dezember 2024, 14.45 Uhr, auf die Strafe angerechnet.
Dem Schuldspruch zufolge hat A* in Ungarn, Deutschland sowie B* und an anderen Orten des österreichischen Bundesgebiets
A./ sich spätestens ab Anfang Juli 2023 mit C*, D*, E*, F*, G*, H* sowie weiteren unbekannten Mittätern an einer auf längere Zeit angelegten kriminellen Vereinigung beteiligt, die darauf ausgerichtet war, dass ihre Mitglieder in arbeitsteiliger Weise entgeltliche Schlepperfahrten, mithin Verbrechen nach § 114 Abs 1 und 3 Z 1 FPG ausführen;
B./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit C* und den unten genannten Personen im Rahmen einer kriminellen Vereinigung die rechtswidrige Ein- oder Durchreise in Bezug auf mindestens drei Fremde in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, wobei er die Taten in der Absicht beging, sich durch die wiederkehrende Begehung von entgeltlichen Schleppertätigkeiten längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, und er bei den ersten beiden Angriffen bereits zwei weitere solche Taten im Einzelnen geplant und ab dem dritten Angriff bereits zwei solche Taten begangen hat, indem sie in arbeitsteiliger Weise in zahlreichen Angriffen in wechselnden Rollen Schlepperfahrten von der ungarisch-serbischen Grenze nach Österreich und Deutschland vornahmen, wobei A* Organisationsaufgaben übernahm und als Fahrer von Schlepper- und Begleitfahrzeugen auftrat, und zwar
1./ „zu nicht näher bekannten Zeitpunkten ab zumindest Anfang Juli 2023, indem sie in zahlreichen Angriffen in nicht näher bekannter Besetzung eine nicht näher bekannte Anzahl an Flüchtlingen an der ungarisch-serbischen Grenze in nicht näher bekannte Fahrzeuge aufnahmen und nach Österreich und Deutschland schleppten“;
2./ vom 15. auf den 16. September 2023, indem F* zwölf Fremde an der ungarisch-serbischen Grenze in einem PKW mit dem deutschen Kennzeichen I* aufnahm und nach Österreich schleppte, wobei D* als Lenker des Fahrzeugs mit dem deutschen Kennzeichen J* auf der ungarischen Strecke Vorausfahrer- und Aufpasserdienste leistete;
3./ vom 16. auf den 17. September 2023, indem
a./ D* 21 Fremde an der ungarisch-serbischen Grenze in Ungarn in einen Transporter mit dem deutschen Kennzeichen J* aufnahm, mit dem Fahrzeug zunächst nach Österreich und nach dem Aussteigen eines Fremden nach Deutschland schleppte, wobei F* als Lenker des Fahrzeugs mit dem deutschen Kennzeichen I* auf einem Teil der ungarischen Strecke Vorausfahrer- und Aufpasserdienste leistete;
b./ F* zwölf Fremde an der ungarisch-serbischen Grenze in Ungarn in ein Fahrzeug aufnahm und nach Strem schleppte;
4./ am 19. September
**/ indem F* 17 Fremde in Ungarn in einen Transporter mit dem deutschen Kennzeichen J* aufnahm, mit dem Fahrzeug nach Österreich und in weiterer Folge nach Deutschland schleppte, „wobei die Tat nur deshalb beim Versuch blieb, weil sie in B* von der Polizei aufgegriffen wurden“ (vgl. aber zur Abgrenzung von Versuch und Vollendung RIS -Justiz RS0127813 [T7]);
b./ indem K* L* 36 Fremde in einen PKW mit dem deutschen Kennzeichen ** aufnahm und nach Österreich zu schleppen versuchte, wobei H* als Vorausfahrer eines Fahrzeugs mit dem ungarischen Kennzeichen ** fungierte, „wobei die Tat nur deshalb beim Versuch blieb, weil M* L* unmittelbar vor der österreichischen Grenze angehalten sowie festgenommen und die Geschleppten aufgegriffen wurden“;
5./ am 21. September 2023, indem D* zwölf Fremde in Ungarn in ein Fahrzeug mit dem deutschen Kennzeichen ** und ein unbekannter Täter eine nicht näher bekannte Zahl von Fremden in Ungarn in ein Fahrzeug mit dem ungarischen Kennzeichen AEAD362 aufnahmen und nach Österreich schleppten, „wobei die Tat hinsichtlich D* nur deshalb beim Versuch blieb, weil sie in Haus von der Polizei aufgegriffen wurden“.
Gegen den Strafausspruch richtet sich die Berufung des Angeklagten mit dem Ziel einer Herabsetzung der Freiheitsstrafe (ON 274.2).
Die Oberstaatsanwaltschaft Graz trat dem Rechtsmittel entgegen.
Bei Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 12. Juni 2025, GZ 14 Os 23/25a-7 (hier: ON 286.3), stellte dieser klar, dass dem Erstgericht zu B./ Subsumtionsfehler (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) unterlaufen sind, weil die Feststellungen die Annahme einer Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Durchreise von Fremden durch den Angeklagten iS des § 114 Abs 1 FPG zu B./1./ bis 4./ nicht tragen (Rz 11 bis 15) und zu B./5./ eine ausreichende Sachverhaltsgrundlage für die Annahme der Gewerbsmäßigkeitsqualifikation (§ 114 Abs 3 Z 1 FPG) fehlt (Rz 16). Solcherart ist der zu (verbleibend) B./5./ konstatierte Lebenssachverhalt als das (ein) Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1 und 3 Z 2, Abs 4 erster Fall StGB zu subsumieren. Da sich diese Subsumtionsfehler fallbezogen aber nicht konkret zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben, sah sich der Oberste Gerichtshof zu einer amtswegigen Maßnahme nicht veranlasst. An den insoweit fehlerhaften Schuldspruch ist das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Berufung des Angeklagte nicht gebunden (RIS-Justiz RS0118870).
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung hat Erfolg.
Strafnormierend ist – in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB – § 114 Abs 4 FPG mit einer Strafdrohung von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe.
Erschwerend ist, dass der Angeklagte mehrere strafbare Handlungen verschiedener Art (hier: Zusammentreffen eines Vergehens mit einem Verbrechen) begangen hat.
Schuldaggravierend (§ 32 StGB) sind die Verwirklichung auch der (nicht strafnormierenden) Qualifikation des § 114 Abs 3 Z 2 FPG und die mehrfache Überschreitung der dort normierten Mindestanzahl von drei Fremden (B./5./).
Eine vom Erstgericht angenommene „im Wesentlichen übergeordnete Rolle des Angeklagten als rechte Hand und auch Fahrer des C* (Kopf der kriminellen Vereinigung)“ (US 18 erster Absatz) ergibt sich demgegenüber weder aus den Feststellungen noch aus den Akten.
Mildernd hingegen ist, dass der Angeklagte bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat und die Taten mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch stehen.
Die Behauptung eines „wenn überhaupt nur … sehr geringen Tatbeitrag(s)“ hingegen ist in Ansehung der zu B./ inkriminierten Tathandlung ([bloßes] Fördernder rechtswidrigen Ein- oder Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs; RIS-Justiz RS0127813) und der konstatierten unmittelbaren Mittäterschaft des Angeklagten nicht nachvollziehbar.
Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) ist auf Grundlage der Schuld des Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB) die Verhängung einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren tat- und schuldangemessen. Diese Strafe entspricht auch spezial- und generalpräventiven Erfordernissen.
Eine auch nur teilweise bedingte Nachsicht der Sanktion kommt mit Blick auf das Zusammentreffen eines Vergehens mit einem Verbrechen und die vielfachen Beteiligungshandlungen zu A./ aus spezial- sowie auch aus generalpräventiven Gründen nicht in Betracht.
Aufgrund der bisherigen Dauer der anrechenbaren Haft lagen im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung zwar die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung des Angeklagten nach Verbüßung von (mittlerweile) mehr als der Hälfte der Strafzeit vor. Mit Blick auf die Tatschwere war aber fallbezogen schon wegen generalpräventiver Kontraindikation kein Beschluss nach § 265 Abs 1 StPO zu fassen.
Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.