JudikaturOLG Graz

10Bs147/25f – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
17. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Mag a . Haas (Vorsitz), Mag. Wieland und Dr. Sutter in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens der grob fahrlässigen Tötung nach § 81 Abs 1 StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Klagenfurt gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 7. Mai 2025, GZ **-31, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.

Text

BEGRÜNDUNG:

Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt erhob am 21. März 2025 Strafantrag gegen den am ** geborenen A* wegen des Vergehens der grob fahrlässigen Tötung nach § 81 Abs 1 StGB (ON 1.32 und ON 27 [je der Akten AZ ** des Landesgerichts Klagenfurt]). Noch am selben Tag verfügte der Einzelrichter die Zustellung einer Gleichschrift des Strafantrags an den Verteidiger „+ Beisatz gemäß § 222 Abs 3 StPO: Frist: 10 Tage“ (ON 1.33). Am 2. April und am 28. April 2025 übersandte die Staatsanwaltschaft noch Nachträge.

Am 7. Mai 2025 fasste der Einzelrichter den angefochtenen Beschluss, mit dem er die sachliche Unzuständigkeit des Landesgerichts Klagenfurt gemäß § 485 Abs 1 Z 1 StPO aussprach.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft. Sie vermeint sinngemäß, dass die Beschlussfassung des Erstgerichts trotz positiver Vorprüfung und damit formal unzulässig erfolgt sei; ferner sei die Entscheidung auch inhaltlich unzutreffend (ON 32). Der Angeklagte hält die Würdigung des Erstrichters, es läge der Verdacht der fahrlässigen Tötung nach § 80 Abs 1 StGB, nicht aber eine grob fahrlässige Tötung gemäß § 81 Abs 1 StGB vor, für zutreffend (ON 33).

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist erfolgreich.

Die Einleitung des Hauptverfahrens (§ 4 Abs 2 StPO) geschieht im einzelrichterlichen Verfahren durch die Anordnung der Hauptverhandlung (§ 450 und § 485 Abs 1 Z 4 StPO). Unter dieser Anordnung wird (keinesfalls nur das „Ausschreiben“ einer Hauptverhandlung, sondern) jedes Verhalten des Gerichts verstanden, das die Bejahung der Prozessvoraussetzungen (den positiven Ausgang der amtswegigen Vorprüfung) unmissverständlich erkennen lässt. Dies trifft auf jede Entscheidung zu, deren Ergebnis keines nach - hier - § 485 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO ist, also jeder contrarius actus dazu (RIS-Justiz RS0132157). Werden - ohne dass zunächst die Hauptverhandlung „ausgeschrieben“ wird - sonstige Verfügungen getroffen oder Beschlüsse gefasst, die das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen nicht in Frage stellen, ist bereits die erste solche Entscheidung des Gerichts als „Anordnung“ der Hauptverhandlung aufzufassen. Denn solche Verfügungen und Beschlüsse bringen (ebenfalls) zum Ausdruck, dass das Gericht zuvor die Prozessvoraussetzungen für das betreffende Hauptverfahren bejaht hat (12 Ns 64/21i = EvBl-LS 2022/23 mwN). Während die Zustellung des Strafantrags gemäß § 484 zweiter Satz StPO nicht eo ipso als die Anordnung der Hauptverhandlung (§ 485 Abs 1 Z 4 StPO) aufzufassen ist (11 Ns 42/20w, vgl auch 15 Ns 56/24i), kann sich die Rechtswirksamkeit des Strafantrags etwa aus dem Ersuchen auf Übermittlung der Akten zur Einbeziehung (vgl 13 Ns 87/20b), der Anordnung der Aufenthaltsermittlung (11 Ns 42/20w), aus einer Verteidigerbestellung (OLG Graz, 10 Bs 138/22b), der Verfügung der Zustellung einer Note an den Angeklagten, wonach „ein Verhandlungstermin gesondert bekanntgegeben“ werde (15 Ns 56/24i) oder eben - wie hier - aus der Vorbereitung für die Hauptverhandlung (OLG Graz 10 Bs 48/23v) ergeben.

In concreto blieb es nicht bei der gesetzlich angeordneten Zustellung des Strafantrags, sondern es wurden bereits Vorbereitungen für die Hauptverhandlung getroffen. Insoweit genügt der Verweis auf die vom Erstrichter selbst zitierte Norm des § 222 StPO, der sich im 13. Hauptstück der StPO, somit jenem, der die Vorbereitungen zur Hauptverhandlung „regelt“, findet. Letztlich diente gerade die Aufforderung, binnen zehn Tagen eine schriftliche Gegenäußerung zur Anklageschrift einzubringen, in die der Verteidiger Anträge gemäß § 222 Abs 1 StPO aufzunehmen hat, ausschließlich der Strukturierung des Hauptverfahrens (abermals OLG Graz 10 Bs 48/23v).

Indem aber nach Eintritt der Rechtswirksamkeit des Strafantrags ein beschlussförmiger Ausspruch der sachlichen Unzuständigkeit nicht mehr in Betracht kommt (RIS-Justiz RS0132703; Bauer in WK StPO § 485 Rz 6/1 mwN; Kirchbacher, StPO 15 § 485 Rz 5; Roitner , ÖJZ 2019/48), hat der Erstrichter das Verfahren fortzusetzen.

Damit dringt die staatsanwaltschaftliche Beschwerde schon mit ihrem formalen Argument durch. Eines Eingehens auf die weitere Beschwerdeargumentation bedarf es daher nicht.

Der Ausschluss einer weiteren Rechtsmittelmöglichkeit ergibt sich aus § 89 Abs 6 StPO.