10Bs138/22b – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Dr. Sutter (Vorsitz), Mag. Redtenbacher und Mag a . Haas in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Klagenfurt gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 7. April 2022, GZ 15 Hv 66/21y-21, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.
Text
begründung:
Mit dem am 22. Oktober 2021 beim Landesgericht Klagenfurt eingelangten und zum AZ 15 Hv 66/21y registrierten Strafantrag der Staatsanwaltschaft Klagenfurt vom 12. Oktober 2021 (ON 8) legt die Anklagebehörde A* (unter gleichzeitiger Zurückziehung des Strafantrags vom 5. Mai 2021 zum AZ 69 BAZ 1029/20h [ON 5]) das Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB zur Last.
Demnach habe A* am 23. Oktober 2020 in ** einen Bestandteil seines Vermögens wirklich verringert und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen geschmälert, indem er die bereits gerichtlich gepfändete Zugmaschine der Marke New Holland der AB B* GmbH im Wert von EUR 44.500,00 als Pfand samt Verkaufsauftrag übergab.
Mit Verfügung vom 29. Oktober 2021 bzw. 29. November 2021 stellte das Erstgericht dem Angeklagten eine Gleichschrift des Strafantrags samt Belehrung nach § 222 Abs 3 StPO zu und forderte ihn unter Hinweis auf das Vorliegen notwendiger Verteidigung zur Bekanntgabe eines Verteidigers oder Antragstellung iS des § 61 Abs 2 StPO binnen acht Tagen auf (ON 1, AS 6). Weiters holte es eine Strafregisterauskunft (ON 1, AS 6 iVm ON 9), einen Sozialversicherungsdatenauszug (ON 1, AS 6 iVm ON 10) und einen ZMR-Auszug (ON 1, AS 6 iVm ON 11) ein. Am 16. Dezember 2021 nahm es eine Kopie des von ihm amtswegig beigeschafften Aktes AZ 3 E 869/20d des Bezirksgerichts Feldkirchen zum Akt (ON 1, AS 6). Mit Beschluss vom 3. Jänner 2022 (ON 1, AS 7) gab es dem Angeklagten gemäß § 61 Abs 1 Z 5, Abs 2 Z 1 StPO einen Verfahrenshilfeverteidiger bei und übermittelte dem von der Rechtsanwaltskammer bestellten Verteidiger (ON 13) eine Aktenkopie samt Strafantrag und Belehrung nach § 222 Abs 3 StPO. Am 1. Februar 2022 wurde ein Firmenbuchauszug betreffend die AB B* GmbH angefertigt und zum Akt genommen. Am 2. Februar 2022 verfügte das Erstgericht eine ZMR- und Strafregisterabfrage betreffend den Zeugen C* (ON 1, AS 7 iVm ON 15 und ON 16). Am 3. Februar 2022 führte das Erstgericht Beweiserhebungen durch, indem es mit D*, der Buchhalterin der AB B* GmbH ein Telefonat führte (Aktenvermerk in ON 1, AS 8). Der mündlichen Zusicherung dieser Zeugin, alle Belehnungen bezüglich der in Rede stehenden Zugmaschine seit 2018 bis zuletzt und vor allem auch in Bezug auf den 15. Jänner 2020 und den 27. Mai 2019 zu übermitteln, wurde (offenbar) mit Eingabe ON 17 entsprochen. Am 11. März 2022 wurden ein Exekutionsregisterauszug und das im Verfahren AZ 3 E 1002/19m des Bezirksgerichts Feldkirchen vom Angeklagten abgegebene Vermögensverzeichnis nach § 47 EO zum Akt genommen (ON 18 und ON 19). In einem weiteren Telefonat am 14. März 2022 wurde die Zeugin D* zum Inhalt des Vertrags mit dem Angeklagten befragt (Aktenvermerk in ON 1, AS 8) und die von der Rechtsabteilung der AB B* GmbH per Mail übermittelten Vertragsunterlagen zum Akt genommen (ON 20).
Mit dem angefochtenen Beschluss sprach das Erstgericht sodann mit der Begründung, es sei weder der Tatbestand des § 156 Abs 1 StGB noch des § 162 StGB erfüllt, gemäß § 485 Abs 1 Z 1 StPO seine sachliche Unzuständigkeit aus (ON 21).
Die dagegen erhobene Beschwerde der Staatsanwaltschaft Klagenfurt (ON 22), zu der sich der Angeklagte mit Eingabe vom 10. Mai 2022 äußerte, hat (im Ergebnis) Erfolg.
Das Gericht hat den Strafantrag vor Anordnung der Hauptverhandlung zu prüfen und – soweit hier von Bedeutung – im Fall seiner örtlichen oder sachlichen Unzuständigkeit gemäß § 450 StPO vorzugehen (§ 485 Abs 1 Z 1 StPO).
Im einzelrichterlichen Verfahren tritt die Rechtswirksamkeit der Anklage durch den positiven (die eigene Zuständigkeit bejahenden) Ausgang einer amtswegigen Vorprüfung des Strafantrags durch das Gericht ein. Sie zeigt sich dort in einem (Real-)Akt, der als Anordnung der Hauptverhandlung (§ 485 Abs 1 Z 4 StPO) im Sinn eines – das Hauptverfahren einleitenden (§ 4 Abs 2 StPO) – contrarius actus zur Ablehnung der Entscheidung über den Strafantrag (§ 485 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO) – und keineswegs nur als das „Ausschreiben“ eines Verhandlungstermins – zu begreifen ist (RS0132157 Pkt. 3; Bauer in WK StPO § 450 Rz 1 und § 485 Rz 6/1; Oshidari in WK StPO § 37 Rz 7/1).
Die in § 484 zweiter Satz StPO angeordnete unverzügliche Zustellung des Strafantrags ist unabhängig von einer (idR gleichzeitigen) Vorgangsweise nach § 485 Abs 1 Z 1 bis 3 oder Z 4 StPO geboten. Geht die betreffende Verfügung – wie hier – nicht (ohnedies) mit der „Ausschreibung“ der Hauptverhandlung (vgl. § 221 Abs 1 StPO) einher, ist sie daher nicht eo ipso als deren Anordnung aufzufassen.
Ein Akt des Landesgerichts Klagenfurt, der die Bejahung der eigenen Zuständigkeit unmissverständlich erkennen ließ, ist fallbezogen aber die beschlussmäßige Beigabe eines Verfahrenshilfeverteidigers nach § 61 Abs 1 Z 5, Abs 2 Z 1 StPO am 3. Jänner 2022. Damit hat es die Rechtswirksamkeit des bei ihm eingebrachten Strafantrags zum Ausdruck gebracht, maW die Hauptverhandlung angeordnet (§ 485 Abs 1 Z 4 StPO).
Nach Eintritt der Rechtswirksamkeit des Strafantrags kommt aber ein beschlussförmiger Ausspruch der sachlichen Unzuständigkeit (§ 450 erster Satz StPO, § 485 Abs 1 Z 1 StPO) nicht mehr in Betracht (RS0132703; Bauer in WK StPO § 450 Rz 1 und § 485 Rz 6/1; Fabrizy/Kirchbacher , StPO 14 § 485 Rz 5).
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde war daher Folge zu geben, der Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen.
Lediglich der Vollständigkeit halber anzumerken ist, dass die Prüfung der sachlichen Unzuständigkeit (zwar) nicht bloß anhand des Strafantrags, sondern (auch) nach der Aktenlage erfolgt, und das Gericht die rechtliche Beurteilung des angeklagten Sachverhalts selbstständig anhand der Verdachtslage – im Sinn eines Anschuldigungsbeweises – vorzunehmen hat, wie sie sich aus dem Strafakt ergibt ( Bauer in WK StPO § 450 Rz 2 mwN). Solcherart hat aber die Prüfung anhand der im Zeitpunkt der Einbringung des Strafantrags vorliegenden Ermittlungsergebnisse zu erfolgen. Eine unmittelbare Beweisaufnahme zur (weiteren) Klärung der für die Beurteilung der sachlichen Zuständigkeit erforderlichen Tatsachen durch den (hier:) Einzelrichter außerhalb der Hauptverhandlung ist der StPO fremd (vgl. Danek/Mann in WK StPO § 222 Rz 6).
Der Rechtsmittelausschluss gründet auf § 89 Abs 6 StPO.