JudikaturOLG Graz

6Ra6/25m – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
Arbeitsrecht
10. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen hat durch die Senatspräsidentin Mag. a Fabsits (Vorsitz), die Richterinnen Dr. in Meier und Mag. a Gassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Zaponig (Arbeitgeber) und Mag. a Zakostelsky (Arbeitnehmer) als weitere Senatsmitglieder in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei DI A* , **, vertreten durch die LIKAR Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei B* e.U. , **, vertreten durch Mag. Werner Thurner, Rechtsanwalt in Graz, wegen EUR 18.506,18 s.A., über die Berufung der beklagten Partei (Berufungsinteresse: EUR 16.749,68 brutto s.A.) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 30.September 2024, GZ **-21, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.958,22 (darin EUR 326,37 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revision ist nichtnach § 502 Abs 1 ZPO zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Der Kläger war von 01.08.2008 bis zum 31.10.2023 beim beklagten Einzelunternehmen als Angestellter tätig und bezog ein monatliches Bruttoeinkommen von zuletzt EUR 7.789,00. Das Dienstverhältnis endete durch Dienstnehmerkündigung.

Da sich der Aufgabenbereich und die Verantwortung des Klägers ab dem Jahr 2019 (in welchem er ab August 2019 monatlich EUR 5.584,00 brutto bezog) durch die Übertragung der Gesamtverantwortung für den internationalen Vertrieb von „C*“ wesentlich erweitert und er zuletzt im Jahr 2018 eine Gehaltserhöhung erhalten hatte, trat der Kläger im März/April 2022 an DI D* E*, den Inhaber der beklagten Partei, mit dem Wunsch einer Gehaltserhöhung heran und legte ihm dazu eine Präsentation mit seinen Vorstellungen vor. Diese enthielt u.a. die Forderung einer Gehaltsanpassung auf EUR 8.550,00 monatlich zuzüglich eines variablen Anteils sowie eine Gegenüberstellung seiner Tätigkeiten in den Jahren 2018 und 2022. DI D* E* machte dem Kläger – ebenso in Form einer Präsentation – einen Gegenvorschlag, der insbesondere Folgendes beinhaltete: Erhöhung des „Basisjahresgehalts“ auf EUR 105.000,00 brutto (= Monatsgehalt von EUR 7.500,00 ab 01.05.2022), eine All-In-Vereinbarung, wonach alle über die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden hinausgehenden Arbeitszeiten mit dem Basisgehalt abgegolten sein sollten, die Definition der Umsatzziele für das Jahr 2022 sowie Prämien, die bei Überschreitung des Umsatzziels 2022 ausbezahlt werden würden.

Im Rahmen der Gehaltsverhandlungen einigten sich der Kläger und DI D* E* mündlich darauf, das zuletzt bezogene Bruttogehalt des Klägers von EUR 5.727,00 ab Mai 2022 auf ein Gehalt in Höhe von EUR 7.500,00 brutto anzuheben. [F1] Dabei wurde zwar über die Möglichkeit einer All-In-Vereinbarung, mit der auch die Überstunden abgegolten sein sollten, und eine Erfolgsprämie gesprochen, eine Einigung kam diesbezüglich zwischen dem Kläger und DI D* E* allerdings nicht zustande, weil der Kläger einen All-In-Vertrag im Gespräch mit DI D* E* sofort ablehnte. Für den Kläger wäre eine All-In-Vereinbarung nur im Falle einer Unternehmensbeteiligung in Frage gekommen.

Nachdem sich der Kläger und DI D* E* auf die Gehaltserhöhung ab Mai 2022 geeinigt hatten, sendete der Kläger an die für die Lohnauszahlungen zuständige Mitarbeiterin der beklagten Partei, F* E*, am 29.04.2022 eine E-Mail mit folgendem Inhalt:

„Hallo F*, nachdem die wesentlichen Eckdaten bzgl. Arbeitsrahmenbedingungen u. Gehaltsanpassung in der Zwischenzeit schon fixiert wurden (Vertrag u. flexibler Gehaltsanteil noch im Detail zu formulieren u. zu unterzeichnen), ist dies m.E. der Zeitpunkt meine aktuellen Überstunden (90) bitte bei nächster Gelegenheit auszuzahlen, damit wir dann auf Basis der neuen Vereinbarung durchstarten u. keine Altlasten mitziehen. Die Gehaltsanpassung auf EUR 7500 / Monat gilt ab Mai, bitte dies auch der Gehaltsverrechnung entsprechend zu kommunizieren. Danke und ein schönes Wochenende. LG A*“

Diese übermittelte am 02.05.2022 an die für die Gehaltsverrechnung der beklagten Partei zuständige G* Wirtschaftstreuhand und Steuerberatung GmbH folgendes E-Mail:

„Liebe Frau H*, bitte Hrn. A* ab Mai auf € 7.500,00 brutto erhöhen und mit Mai 90 Überstunden (50 %) auszahlen. Vielen Dank und liebe Grüße, F* E*“

[F2] Weitere Gespräche über eine mögliche All-In-Vereinbarung oder eine Erfolgsprämie fanden anschließend nicht mehr statt. Nach der mündlichen Einigung zwischen DI D* E* und dem Kläger über die Gehaltserhöhung wurde auch keine schriftliche Vereinbarung aufgesetzt.

Der Kläger war bei der beklagten Partei im Ausmaß von wöchentlich 38,5 Stunden vollzeitbeschäftigt. Er hatte keine fixen Arbeitszeiten in der Form, dass deren konkrete Lage definiert gewesen wäre, zumal er internationale Kunden z.B. in den USA oder in Asien betreute und seine Arbeitszeiten an die Geschäftszeiten der Kunden anpassen musste. Das tägliche Ausmaß seiner Arbeitszeiten (Montag-Donnerstag jeweils 8 Stunden und freitags 6,5 Stunden) war jedoch (im Zeiterfassungssystem der beklagten Partei) definiert. Sowohl vor als auch nach der Gehaltserhöhung im Mai 2022 zeichnete der Kläger seine Arbeitszeit stets im (elektronischen) Zeiterfassungssystem der beklagten Partei auf und trug darin seine regelmäßig angefallenen Mehr- bzw Überstunden (z.B. 54,5 Stunden im Mai 2022, 61 Stunden im Juni 2022, 38,5 Stunden im Juli 2022, 21 Stunden im September 2022, 72 Stunden im November 2022) die sich auch aus dem Umstand ergaben, dass er internationale Kunden betreute, ein. Urlaube sowie seine Zeitausgleichsanträge wurden im Zeiterfassungssystem ebenfalls eingetragen. [F4] In Abständen von mehreren Monaten legte der Kläger die ausgedruckten Stundenlisten zusätzlich DI D* E* vor.

Für die geleisteten Mehr- bzw Überstunden wurden im Zeiterfassungssystem auch (allfällige) Zuschläge erfasst und zu dem am Beginn des Monats ausgewiesenen Zeitausgleich-Stand addiert. Der jeweils ausgewiesene „ZA-Stand am Ende des Monats“ beinhaltete daher die Summe der geleisteten Mehr- bzw Überstunden des Klägers inklusive Zuschlägen. Das solcherart errechnete Zeitguthaben wurde laufend weitergeführt. Monatlich wurden die jeweils über die Normalarbeitszeit hinaus geleisteten Stunden zum zuletzt ausgewiesenen Zeitausgleich-Stand hinzu addiert oder Minusstunden bzw konsumierter Zeitausgleich oder ausbezahlte Überstunden davon abgezogen. Für die geleisteten Mehr- bzw Überstunden nahm sich der Kläger entweder Zeitausgleich, dies auch in größeren Blöcken in den Sommermonaten, oder ließ sich diese in sehr unregelmäßigen Abständen auszahlen. Die letzten Auszahlungen seiner Mehr- und Überstunden erfolgten im Oktober 2021 im Ausmaß von 100 Stunden, im März 2022 im Ausmaß von 275 Stunden und im Mai 2022 im Ausmaß von 90 Stunden. Im Jahr 2019 erfolgte keine Auszahlung von Überstunden, im Jahr 2020 wurden die Überstunden zweimal (im September und Dezember) ausbezahlt.

[F3] Nach Mai 2022 bis zum Ende seines Dienstverhältnisses am 31.10.2023 nahm der Kläger – mangels Bedarfs einer Auszahlung – nur Zeitausgleich. Dazu stellte er im Zeiterfassungssystem einen Zeitausgleichsantrag und hatte er einen Vertreter bekanntzugeben, woraufhin der Antrag von Frau I*, der Assistentin des DI D* E* und Teamleiterin des Backoffice, freigegeben wurde. Im Juni 2022, kurz nach seiner Gehaltserhöhung, nahm er z.B. am 07.06.2022 einen Tag Zeitausgleich, im August 2022 nahm er etwa Zeitausgleich im Ausmaß von 150 Stunden und im August 2023 im Ausmaß von 152 Stunden. Bei Beendigung des Dienstverhältnisses mit Ende des Monats Oktober 2023 belief sich das (laufend ermittelte bzw aktualisierte) noch offene Zeitguthaben laut Zeitkonto des Klägers im Zeiterfassungssystem der beklagten Partei (nach Berücksichtigung der Zuschläge) unter dem Punkt „ZA-Stand am Ende des Monats“ auf 339 Stunden und 45 Minuten.

Dass der Kläger bis zum Ende seines Dienstverhältnisses regelmäßig mehr als die vorgegebene (wöchentliche) Normalarbeitszeit arbeitete, war DI D* E* bewusst. Ebenso war der beklagten Partei die Anzahl der jeweils geleisteten, eingetragenen und ausgewiesenen Stunden im Zeiterfassungssystem sowie der vom Kläger konsumierte Zeitausgleich bekannt und wurden der Inhalt des Zeitkontos, die verzeichneten Stunden sowie die Zeitausgleichsanträge von der beklagten Partei nie beanstandet.

Der Kläger begehrte von der Beklagten die Zahlung von EUR EUR 18.506,18 s.A. brutto für das mit Ende des Dienstverhältnisses offene Zeitguthaben in Höhe von 339,75 Stunden. Nach dem Kollektivvertrag für Angestellte im Metallgewerbe errechne sich (1/143) ein Überstundengrundlohn in Höhe von EUR 54,47 brutto. Stark zusammengefasst stützte er sich darauf, dass keine gültige All-In- bzw Überstunden-Pauschale vereinbart worden sei, zudem habe es einen von beiden Seiten unterfertigten Dienstvertrag während des gesamten Beschäftigungsverhältnisses nicht gegeben. Ein Verfall des Zeitguthabens sei nicht eingetreten, weil die Verfallsfrist erst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu laufen beginne.

Die Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wandte, soweit im Berufungsverfahren noch relevant, im Wesentlichen ein, im Frühjahr 2022 sei zwischen den Parteien eine All-In-Vereinbarung mit einem Gehalt von jährlich EUR 105.000,00 (Bruttomonatsgehalt von EUR 7.500,00) geschlossen worden, mit welchem sämtliche Überstundenleistungen des Kläger abgegolten seien. Ab Mai 2022 sei auf Basis dieser Vereinbarung ein All-In-Bruttogehalt von EUR 7.500,00 bezahlt worden. Daneben sei eine Definition von Umsatzzielen erfolgt und dem Kläger eine Prämie bei Erreichen aller Umsatzziele von 2% des Umsatzes in Aussicht gestellt worden. Eine Auszahlung von Zeitguthaben habe der Kläger erst nach seiner Kündigung mit Schreiben vom 20.09.2023 gefordert. Das Grundgehalt sei dem Kläger bekannt gewesen und entspreche dessen Gehalt im April 2022 ohne Überstundenentlohnung. Selbst wenn ihm dies aber nicht bekannt bzw erkennbar gewesen wäre, hätte der Kläger Anspruch auf das Grundgehalt einschließlich der branchen- und ortsüblichen Überzahlungen, welche am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebühren würden, was dann auch als Berechnungsgrundlage für Überstunden gebühre. Auch in diesem Fall wären die geleisteten Überstunden vollinhaltlich als abgegolten zu betrachten. Im Mai 2022 sei nicht das Grundgehalt auf EUR 7.500,00 bei zusätzlicher Abgeltung der Überstunden erhöht worden. Selbst wenn man davon ausgehe, dass im Mai 2022 keine Vereinbarung getroffen worden sei, habe der Kläger im Vergleich zum Vormonat April 2022, in dem das Bruttomonatsgehalt EUR 5.727,00 betragen habe, über eineinhalb Jahre hinweg rund EUR 1.800,00 mehr bezogen, wodurch sämtliche Überstunden jedenfalls pauschal abgegolten seien. Darüber hinaus seien die Überstundenleistungen vor Februar 2023 verfallen. Im Übrigen ergebe sich aus dem anzuwendenden Kollektivvertrag eine Grundstundenvergütung von 1/158, sodass selbst unter Heranziehung der Berechnung des Klägers lediglich ein Entgelt für das Zeitguthaben in Höhe von EUR 3.253,63 zustehen würde.

Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtet das Erstgericht die beklagte Partei, dem Kläger EUR 16.749,68 brutto samt Anhang zu bezahlen und weist das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer EUR 1.756,50 brutto samt Anhang ausgehend vom eingangs zusammengefassten, soweit kursivwiedergegeben strittigen Sachverhalt ab. Rechtlich meint es nach Darlegung der Rechtslage und einschlägiger Judikatur, eine Pauschalierungsvereinbarung könne durch Einzelvertrag ausdrücklich oder schlüssig getroffen werden, ohne dass es auf deren Bezeichnung ankomme. Bei Vertragsabschluss müsse dem Arbeitnehmer allerdings erkennbar sein, dass mit dem gewährten Entgelt auch die Überstundenvergütung (Normallohn und Zuschlag) abgegolten sein solle. Für die Qualifikation und Abgeltung von Überstunden sei es nach ständiger Rechtsprechung erforderlich, dass die Überstundenleistung im Einverständnis mit dem Arbeitgeber erfolge. Dies sei hier der Fall gewesen, weil der Kläger die geleisteten Arbeits-, Mehr- und Überstunden im Zeiterfassungssystem der beklagten Partei eingetragen und in regelmäßigen Abständen Auszüge aus dem Zeitkonto DI E* vorgelegt habe, dem bekannt gewesen sei, dass der Kläger regelmäßig mehr als die vorgegebene Normalarbeitszeit gearbeitet habe. Der Kläger habe auch regelmäßig Zeitausgleich in Anspruch genommen. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergebe sich, dass weder schriftlich noch mündlich eine All-In-Vereinbarung getroffen worden sei. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte für das Zustandekommen einer schlüssigen All-In-Vereinbarung, zumal der Kläger weiterhin in erheblichem Ausmaß Zeitausgleich konsumiert habe. Bereits aus diesem Grund könne gerade nicht davon ausgegangen werden, dass es ihm erkennbar gewesen wäre, dass mit der Gehaltszahlung auch Überstunden abgegolten gewesen wären. Damit bestehe der Anspruch des Klägers auf Auszahlung seines bei Beendigung des Dienstverhältnisses offenen Zeitguthabens gemäß § 19e Abs 1 AZG im Ausmaß von 339,75 Stunden dem Grunde nach zu Recht. Anzuwenden sei der Kollektivvertrag für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben idF 01.01.2023. Kollektivvertragliche Fristen zur Geltendmachung des Überstundenentgelts seien auf Zeitguthaben, die wegen einer Zeitausgleichsvereinbarung „stehen gelassen“ worden seien, nicht anzuwenden. Zwischen den Streitteilen sei eine (zumindest schlüssige) Zeitausgleich-Vereinbarung vorgelegen, zumal der Kläger regelmäßig die geleisteten Überstunden durch Zeitausgleich abgebaut habe, was er durch Zeitausgleich-Anträge im Zeiterfassungssystem bekannt gegeben habe und von der beklagten Partei unwidersprochen geblieben sei. Erst durch die Beendigung des Dienstverhältnisses sei der Beginn der Verfallsfrist ausgelöst worden. Unter Berücksichtigung des im anzuwendenden Kollektivvertrag vorgesehenen Teilers für die Grundstundenvergütung von 1/158 des Bruttomonatsgehaltes errechne sich ein (im Berufungsverfahren der Höhe nach nicht weiter strittiger) Gesamtvergütungsbetrag von EUR 16.749,68 brutto.

Gegen den klagsstattgebenden Teil dieses Urteils richtet sich die Berufung der beklagten Partei aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahingehend abändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

1. Zur Mängelrüge :

Die Berufungswerberin kritisiert die unterlassene Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Berufskunde. Sie habe diesen zum Beweis „der ortsüblichen Überzahlung hinsichtlich der Überstunden bzw. der All-In-Vereinbarung“ und dafür, dass eine All-In-Vereinbarung auch einer Plausibilitätsprüfung auf Angemessenheit standhalten würde, beantragt. Die Einholung eines solchen Gutachtens hätte ergeben, dass mit der von ihr behaupteten Vereinbarung die Überstundenleistungen orts- branchenüblich bereits als abgegolten anzusehen seien.

Zur Klärung der entscheidungsrelevanten Frage, welche konkrete Vereinbarung die Streitteile trafen, mag eine solche branchenüblich sein oder auch nicht, taugt der beantragte Sachverständigenbeweis jedoch nicht. Das Erstgericht hat daher zutreffend von der Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet Berufskunde Abstand genommen.

Das Verfahren ist mängelfrei.

2. Zur Tatsachen- und Beweisrüge :

2.1. Vorweg ist festzuhalten, dass das Berufungsgericht die Beweiswürdigung daraufhin zu untersuchen hat, ob die Grenzen der freien Beweiswürdigung eingehalten und die Beweisergebnisse schlüssig gewürdigt wurden ( Kodekin Rechberger/Klicka ZPO 5§ 272 ZPO Rz 3). Die Beweisrüge kann daher nur dann erfolgreich sein, wenn sie gegen die Richtigkeit der vom Erstgericht vorgenommenen Beweiswürdigung stichhaltige Bedenken ins Treffen führen kann, die erhebliche Zweifel an dieser Beweiswürdigung rechtfertigen. Der bloße Umstand, dass nach den Beweisergebnissen allenfalls auch andere Tatsachenfeststellungen möglich gewesen wären, oder dass es einzelne Beweisergebnisse gibt, die für den Tatsachenstandpunkt des Berufungswerbers sprechen, reicht aber noch nicht aus, eine unrichtige oder bedenkliche Beweiswürdigung aufzuzeigen. Maßgeblich ist vielmehr, ob für die richterliche Einschätzung im Rahmen der freien Beweiswürdigung, wie hier, ausreichende Gründe vorhanden sind ( Klauser/Kodek, JN ZPO 17.Auflage § 467 ZPO E 39a).

2.2. Anstelle der eingangs als [F1-3] bezeichneten Feststellung begehrt die Berufungswerberin folgende Ersatzfeststellungen:

a. „Dabei wurde eine All-in-Vereinbarung getroffen, mit der auch die Überstunden abgegolten sein sollten, und eine Erfolgsprämie entsprechend der Präsentation Beilage ./3 vereinbart. Einen All-in-Vertrag lehnte der Kläger nicht ab. Für den Kläger wäre eine All-in-Vereinbarung nicht nur im Falle einer Unternehmensbeteiligung in Frage gekommen, vielmehr war dieser mit dem erzielten Verhandlungsergebnis zufrieden.“

b. „Da bereits eine All-in-Vereinbarung zzgl. Erfolgsprämie vereinbart worden war, fanden zu diesen Themen keine weiteren Gespräche statt.“

c. „Nach Mai 2022 bis zum Ende seines Dienstverhältnisses am 31.10.2023 forderte der Kläger keine Bezahlung von Überstunden mehr ein, weil eine All-in-Vereinbarung getroffen worden war, mit der sämtliche Überstunden abgegolten waren, sodass er lediglich Zeitausgleich bzw. Urlaub in Anspruch nahm.

Dabei führt sie in einem Zug zu a. - c. aus, weshalb auch die Beweisrüge zusammenfassend behandelt wird.

Die Berufungswerberin verweist zunächst neuerlich darauf, dass das Erstgericht mangels Fachkunde nicht habe beurteilen können, ob ein Bruttogehalt von EUR 7.500,00 zzgl Umsatzbeteiligung als üblich und angemessen anzusehen sei. Mangels Beiziehung eines Sachverständigen sei die Beweiswürdigung des Erstgerichts unüberprüfbar. Dabei ignoriert sie aber, dass das Erstgericht durchaus nachvollziehbar die von diesem angenommene Gehaltsanpassung ausdrücklich mit Blick auf die ganz erhebliche Erweiterung der Aufgaben und Verantwortung des Klägers bei der Beklagten schon ab dem Jahr 2019 und unter Berücksichtigung, dass ihm damit für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren noch keine Gehaltsanpassung trotz erheblicher Aufgabenerweiterung gewährt worden war - somit im Vergleich der konkreten beruflichen Entwicklung des Klägers -, als passend und plausibel bezeichnete. Auf die alleinige „Branchenüblichkeit“ der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung kommt es nicht entscheidend an.

Soweit sie den vom Erstgericht angenommenen Lebenssachverhalt als lebensfremd bezeichnet und betont, im Falle der festgestellten Vereinbarung habe nur der Kläger einen (erheblichen) Vorteil gehabt, die beklagte Partei als Arbeitgeberin aber einen Nachteil, ist ihr entgegenzuhalten, dass im Fall der von ihr behaupteten Vereinbarung das Gegenteil verwirklicht gewesen wäre. Dies insbesondere unter Bedachtnahme darauf, dass der Kläger regelmäßig eine sehr hohe Anzahl von Mehr- und Überstunden leistete, deren Abgeltung ohnehin jedenfalls gesichert war. Wäre es daher zu einer Vereinbarung in dem vom DI E* geschilderten Umfang gekommen, nämlich der Kalkulierung eines monatlichen Bruttogehalts von neu EUR 7.500,00 (+ variabler Anteil) unter Beibehaltung des Grundgehalts von EUR 5.800,00 und darüber hinaus Implementierung einer pauschalen Überstundenabgeltung, wäre eine erkennbare, aufgrund der dargestellten Änderungen des Arbeitsbereichs angestrebte (wesentliche) Besserstellung des Klägers (ohne Berücksichtigung des variablen Anteils) nicht wirklich erfolgt. Eine Gehaltserhöhung (bezogen auf sein Grundgehalt) hätte der Kläger damit nicht erreicht (ON 15, Seite 15). Wenn das Erstgericht unter diesen und den weiteren von ihm sehr sorgfältig dargestellten Umständen als nachvollziehbar annahm, dass, ausgehend von der ursprünglichen Forderung des Klägers (EUR 8.550,00 + variabler Anteil) ein Monatsgehalt von EUR 7.500,00 für den Kläger bereits ein Kompromiss gewesen sei, ist dies jedenfalls plausibel. Es gehört zudem zum Wesen der freien Beweiswürdigung, dass sich die Tatsacheninstanz für eine von mehreren widersprechenden Darstellungen aufgrund ihrer Überzeugung entscheidet, dass diese mehr Glaubwürdigkeit beanspruchen kann (RS0043175; Rechbergerin Fasching/Konecny³ § 272 ZPO Rz 4 f, Rz 11; Rechberger in Rechberger/Klicka 5, § 272 ZPO Rz 1). Dabei kommt dem persönlichen Eindruck anlässlich der Einvernahme vor Gericht besonderes Gewicht zu.

Eine bereits getroffene mündliche All-In-Vereinbarung ist auch weder aus dem Wortlaut der E-Mails des Klägers vom 02.05.2022 und der weiteren Vorgehensweise bei der (Meldung für die und Durchführung der) Gehaltsverrechnung noch aus seinen (bereits im Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses stehenden) E-Mails vom 19.09.2023 und 03.10.2023 abzuleiten. Die Argumente der Berufungswerberin zum SMS-Verkehr sind ebenso wenig nachvollziehbar. Die Formulierung „ Ohne Arbeitsvertrag gelten die gesetzlichen Bestimmungen… Nachdem es diesen nicht gibt ist dies für mich sehr eindeutig. “ ist dem Kläger wohl nicht vorwerfbar (weil in Bezug auf das Fehlen eines Vertrags inhaltlich richtig), eine Einschränkung auf einen schriftlichen Vertrag/eine schriftliche Vereinbarung ergibt sich daraus ohnehin nicht. Der Überstundenabrechnung im Mai 2022 legte die beklagte Partei im Übrigen selbst ein Grundgehalt von EUR 7.500,00 zugrunde. Aber auch der Verweis der Berufungswerberin auf die Baumaßnahmen des Klägers an seinem Einfamilienhaus und einen daraus abgeleiteten Geldbedarf erwecken keine Bedenken des Berufungsgerichts an der äußerst sorgfältigen und umsichtigen Beweiswürdigung des Erstgerichts. Der Kläger verzichtete keineswegs auf die Abgeltung von Überstunden, sondern konsumierte diese auch nach dem Mai 2022 durch (auf Sommermonate konzentrierten) Zeitausgleich. Weder in Bezug auf die Normalarbeitszeit von 38,5 Stunden noch auf die Inanspruchnahme von Zeitausgleich traten Änderungen ein. Der Argumentation des Erstgerichts, dass diese, von der Beklagten akzeptierte, Vorgehensweise eine All-In-Vereinbarung ad absurdum führen würde, kann die Berufung inhaltlich nichts Substantielles entgegensetzen, befasst sich diese im gegebenen Zusammenhang doch nur mit der Tatsache der Zeitaufzeichnung. Zuzustimmen ist ihr aber, wenn sie ausführt, das erzielte Verhandlungsergebnis sei auch vom Einverständnis des Arbeitgebers abhängig, der Arbeitnehmer könne nicht beliebige Gehaltsforderungen durchsetzen. Dieser Grundsatz gilt jedoch auch umgekehrt. Eine PowerPoint-Präsentation der eigenen Vorstellungen stellt keine verbindliche Vereinbarung dar, mögen auch darin enthaltene Teilaspekte der tatsächlich getroffenen Vereinbarung zugrundegelegt werden. Anhaltspunkte für eine Zustimmung des Klägers zu einer (erstmals) All-In-Vereinbarung ergab das Beweisverfahren jedoch nicht und und sind aus der nach dem Mai 2022 gelebten Praxis, die auch aus Sicht des Berufungsgerichts nicht nur mit „allfälligen Versäumnisse“ erklärt werden kann, nicht zu erkennen. Das Erstgericht hat deutlich und plausibel dargelegt, warum es den Angaben des DI D* E* zum Inhalt der getroffenen Vereinbarung nicht folgte.

Mit welcher Vorstellung, also Absicht, die Parteien jeweils in die Gehaltsverhandlung einstiegen, stellte das Erstgericht ausdrücklich fest. Beide erklärten (unbekämpft) mittels PowerPoint Präsentation ihre Positionen, die Beilage./3 stellt - auch aus Sicht der beklagten Partei (vgl ON 15.2, Seite 13) - den Gegenvorschlag der beklagten Partei dar. Warum das Erstgericht zu diesen Präsentationen weitere Feststellungen (welche genau?) in Bezug auf die „Parteienabsicht“ hätte treffen müssen, erschließt sich nicht. Werden zu einem bestimmten Thema (positive oder negative) Feststellungen getroffen, so ist es ein Akt der Beweiswürdigung, wenn die vom Rechtsmittelwerber gewünschten (abweichenden) Feststellungen nicht getroffen werden (RS0053317 [T3]). Sekundäre Feststellungsmängel wären in einer Rechtsrüge geltend zu machen, eine solche führt die beklagte Partei nicht aus, weshalb im Übrigen auch auf die nur angerissene Thematik des Verfalls nicht weiter einzugehen ist.

Der zusammenfassenden Argumentation der Berufungswerberin, die Ersatzfeststellungen a. - c. seien wahrscheinlicher, kann sich das Berufungsgericht daher nicht anschließen. Insgesamt konnte die sie keine Bedenken des Berufungsgerichts erwecken, das Erstgericht habe im Rahmen seiner ausführlichen und sorgfältigen beweiswürdigenden Überlegungen die Grenzen der freien Beweiswürdigung nicht eingehalten und die Beweisergebnisse nicht schlüssig gewürdigt ( Kodekin Rechberger/Klicka ZPO 5§ 272 ZPO Rz 3).

2.3. Abschließend setzt die Berufungswerberin der Feststellung [F4], der Kläger habe in Abständen von mehreren Monaten die ausgedruckten Stundenlisten zusätzlich DI D* E* vorgelegt, folgende Ersatzfeststellung entgegen:

d. „Der Kläger legte seine Stundenlisten nicht in Abständen von mehreren Monaten dem Zeugen DI D* E* vor; ab dem Abschluss der All-In-Vereinbarung mit April wurde dies nicht (mehr) so gehandhabt“.

Dazu verweist sie auf die aus ihrer Sicht der bekämpften Feststellung widersprechende Aussage des DI D* E*, die Arbeitsaufzeichnungen habe keiner angesehen, weil sie ohnehin irrelevant seien. Daraus ist die begehrte Ersatzfeststellung aber nicht abzuleiten, können doch auch Unterlagen, die vorgelegt werden, nicht angesehen werden.

Die Beweisrüge bleibt auch in diesem Punkt, und damit insgesamt erfolglos. Weitere Argumente zieht das Rechtsmittel nicht an.

3.1. Der Berufung ist damit kein Erfolg beschieden.

3.2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO in Verbindung mit § 2 Abs 1 ASGG. Dabei war aber zu berücksichtigen, dass der Streitwert im Berufungsverfahren nur EUR 16.749,68 brutto s.A. beträgt, zumal sich die Berufung nur gegen den klagsstattgebenden Teil des Urteils richtet.

8.2. Die ordentliche Revision gem. § 502 Abs 1 ZPO ist mangels zu beantwortender Rechtsfrage nicht zuzulassen.