JudikaturOLG Graz

3R21/25w – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
05. März 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch den Richter Mag. Tanczos (Vorsitz) und die Richterinnen Dr in . Lichtenegger und Mag a . Binder in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A*, Rechtsanwalt, **, vertreten durch die Tautschnig Meixner Knirsch Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei C*, geboren **, **, vertreten durch die Reif und Partner Rechtsanwälte OG in Villach, wegen EUR 292.478,08 samt Anhang und Feststellung (Streitwert EUR 10.000,00), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 16. Jänner 2025, **, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird behoben .

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig .

Text

begründung:

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger vom Beklagten eine Schadenersatzzahlung von EUR 292.478,08 samt Anhang und die Feststellung der Haftung des Beklagten für sämtliche kausalen Schäden und Folgen, die dem Kläger im Zusammenhang mit dem Verwaltungsstrafverfahren der Bezirkshauptmannschaft C*, GZ: **, entstehen (Streitwert EUR 10.000,00).

Der Kläger brachte im Wesentlichen vor, er habe zur Errichtung eines Gästehauses auf dem Grundstück 159/4, KG **, die D* GmbH, vertreten durch den Beklagten als Alleingesellschafter und Geschäftsführer, mit der Einreichplanung und der Erwirkung der Baubewilligung beauftragt. Mit Vorliegen der Baubewilligung sei zwischen ihnen am 15. September 2022 ein Werkvertrag zur Umsetzung des Bauvorhabens abgeschlossen worden. Als Werklohn sei ein Pauschalbetrag als Fixpreis bis zur Fertigstellung von EUR 584.050,00 zuzüglich 20 % USt vereinbart worden. In diesem seien die Planungskosten inkludiert. Bei Vertragsabschluss habe der Kläger eine erste Teilzahlung von EUR 105.129,00 geleistet. Nach Aufforderung durch den Beklagten am 14. Oktober 2022 sei ein weiterer Betrag von EUR 280.344,00 (gesamt EUR 385.473,00) überwiesen worden.

Wegen der fehlerhaften Einreichplanung, für welche die D* GmbH verantwortlich sei, hätten die Grabungsarbeiten im Oktober 2022 zu tief in den Hang des Nachbarn hineingereicht. Der Kläger sei mit einem Besitzstörungsverfahren konfrontiert gewesen. Zur Beseitigung der Besitzstörung sei mit der Errichtung einer Hangsicherung in Form von bewehrter Erde begonnen worden. Diese habe sich ebenso als unzulässig erwiesen. Mit Bescheid vom 9. Mai 2023 habe die Gemeinde E* die Baueinstellung verhängt. Ein Verwaltungsstrafverfahren sei eingeleitet worden. Im Mai 2023 habe der Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass das Bauvorhaben wegen eines Haftungsfalles der D* GmbH bei einem anderen Bauvorhaben nicht fertiggestellt werden könne. Das Ersuchen des Klägers um Mitteilung, was mit den überwiesenen Geldern passiert sei, sei unbeantwortet geblieben. Infolge des Kontaktabbruchs habe der Kläger Nachforschungen angestellt und von arglistigen Täuschungen des Beklagten erfahren, von Aufklärungspflichtverletzungen und von der Verschleppung der Insolvenz der D* GmbH durch diesen. Der Kläger habe jegliches Vertrauen in seine Vertragspartner verloren und sei mit Mail vom 31. Juli 2023 mit sofortiger Wirkung vom Werkvertrag zurückgetreten. Es bestünden Bereicherungs- und Schadenersatzansprüche gegen die D* GmbH, die infolge Konkurseröffnung über deren Vermögen (Verfahren ** des Landesgerichtes Klagenfurt) nicht als Zweitbeklagte geführt werde. Der Beklagte hafte als Geschäftsführer der D* GmbH aus folgenden Gründen persönlich für den geltend gemachten Schaden:

Ihm als gewerberechtlicher Geschäftsführer sei vorwerfbar, dass die D* GmbH zum Zeitpunkt der Übernahme und Durchführung der Planung und der Baumaßnahmen über keine ausreichende Gewerbeberechtigung verfügt habe (mit Hinweis auf OGH 8 Ob 57/17s). Zudem habe er den Kläger über entscheidungswesentliche Umstände vorsätzlich getäuscht (Vortäuschung eines langjährigen Traditionsunternehmens unter missbräuchlicher Verwendung von Kennzeichen sowie Täuschung durch missbräuchliche Verwendung von Zertifizierungen bzw. Gütesiegeln) und dadurch vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt. Als Geschäftsführer der D* GmbH habe er dabei im besonderen Maß persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und ein hohes wirtschaftliches Eigeninteresse am Vertragsabschluss gehabt. Der Beklagte hafte auch wegen grob schuldhafter Insolvenzverschleppung im Zusammenhang mit der Konkurseröffnung über das Vermögen der D* GmbH. Bei rechtmäßigem Verhalten des Beklagten hätte der Kläger nicht mit der D* GmbH kontrahiert. Er hätte an diese Gesellschaft keine Zahlungen geleistet. Weil der ersten Teilzahlung von EUR 105.129,00 vermutlich eine Gegenleistung gegenüberstehe, sei nur die zweite von EUR 280.344,00 streitgegenständlich, zuzüglich der Kosten für das Besitzstörungsverfahren, für den neuen Planer und der Mehraufwendungen.

Der Beklagte entgegnete, ihn treffe keine persönliche Haftung. Der Kläger sei informiert gewesen, dass es sich bei der D* GmbH um eine „Ein-Mann-Gesellschaft“ handle, das beauftragte Haus von Subunternehmen errichtet werde, der Beklagte berechtigt die Marke „F*“ verwende und sich die Gütesiegel auf das ehemalige Unternehmen, „F*“, beziehen würden. Die Einreichplanung sei korrekt gewesen. Die Baubewilligung sei erteilt worden. In Kenntnis der Eigentumsverletzung des Nachbarn des Klägers habe dieser auf Durchführung der Grabarbeiten bestanden. Die Besitzstörung sei daher vorsätzlich erfolgt. Der Kläger sei auch in Kenntnis gewesen, dass die geplante Hangsicherung einer Baubewilligung bedürfe. Ungeachtet dessen habe er die Errichtung der Hangsicherung beauftragt, weshalb es zum zweiten Baustopp gekommen wäre.

Die D* GmbH habe keine Planungsfehler zu verantworten, weshalb der Rücktritt vom Vertrag unberechtigt erfolgt wäre. Richtig sei nur, dass die D* GmbH nicht über alle für die Erfüllung des Werkvertrages erforderlichen gewerberechtlichen Genehmigungen verfügt habe. Dies sei dem Beklagten selbst nicht bekannt gewesen. Die fehlenden Gewerbeberechtigungen wären aber durch die Qualifikationen der beauftragten Subfirmen substituiert worden. Mangels Kausalität und schuldhaften Verhaltens scheide eine Haftung des Beklagten aus. Der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens werde erhoben. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses habe auch keine insolvenzrechtliche Überschuldung vorgelegen. Die Schadenshöhe werde ebenfalls bestritten. Ein Feststellungsanspruch bestehe nicht.

Mit seiner Bekanntgabe vom 6. August 2024 (ON 31) informierte der Beklagte das Erstgericht über die Einholung eines Buchsachverständigengutachtens im Parallelverfahren ** des Landesgerichtes Klagenfurt. Er ersuchte darum – so wie auch der Kläger in seiner Äußerung vom 7.8.2024 (ON 32) – aus prozessökonomischen Gründen auf dieses zu warten, zumal es für Ende September 2024 in Aussicht gestellt wurde.

Mit Schriftsatz vom 25. November 2024 (ON 35) legte der Kläger das Gutachten des Sachverständigen Dr. G*, beeideter Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, aus dem Parallelverfahren ** des Landesgerichtes Klagenfurt vor. Er verwies auf die sich aus diesem ergebende Zahlungsunfähigkeit und insolvenzrechtliche Überschuldung der D* GmbH seit mindestens 20. April 2019 und beantragte die Anberaumung eines Verhandlungstermins.

Mit Verfügung vom 10. Dezember 2024 (ON 36) übermittelte das Erstgericht den Akt unter Hinweis auf die Klage und die Urkundenvorlage des Klägers (ON 35) der Staatsanwaltschaft Klagenfurt „zur Prüfung einer allfälligen strafbaren Handlung des Beklagten nach den §§ 146, 147 Abs 2 sowie § 159 StGB“. Es ersuchte darum, über „die allfällige Einleitung eines Ermittlungsverfahrens oder vom Absehen der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu berichten“.

Mit Note vom 13. Jänner 2025 (ON 37) gab die Staatsanwaltschaft Klagenfurt dem Erstgericht bekannt, dass zu ** gegen den Beklagten ein Ermittlungsverfahren wegen der Vorwürfe des schweren Betrugs, einer grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen und der unvertretbaren Darstellung von wesentlichen Informationen über bestimmte Verbände eingeleitet wurde.

Mit dem angefochtenen Beschlussunterbrach das Erstgericht von Amts wegen außerhalb der mündlichen Verhandlung und ohne Einräumung einer Gelegenheit zu einer schriftlichen Stellungnahme das Verfahren ** bis zur rechtskräftigen Beendigung des gegen den Beklagten durch die Staatsanwaltschaft Klagenfurt zu ** eingeleiteten Strafverfahrens und sprach aus, dass das Verfahren nur über Antrag fortgesetzt werde. Das Erstgericht begründet seine Entscheidung mit den im Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt „zu prüfenden Delikten, die betrügerische und gläubigerschädigende Verhaltensweisen sanktionieren“ würden. Im Strafverfahren sei die Klärung jener Fragen zu erwarten, die auch für die Frage der Haftung im Zivilprozess maßgeblich wären. Aufgrund der Präjudizialität sei mit Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 191 ZPO vorzugehen.

Gegen die Verfahrensunterbrechung richtet sich der Rekurs des Klägers aus den Anfechtungsgründen der Nichtigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Er beantragt den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die ordnungsgemäße Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen.

Der Beklagte beteiligte sich nicht am Rechtsmittelverfahren (ON 42).

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

1. Die Unterbrechung eines Rechtsstreits ist eine an Zweckmäßigkeitsüberlegungen orientierte Ermessensentscheidung des Gerichts (RIS-Justiz RS0036918). Die Voraussetzungen sind – sofern sie nicht aktenkundig oder unstrittig sind – zu ermitteln, mit den Parteien zu erörtern und zu beurteilen. Die herrschende Rechtsprechung geht davon aus, dass ein Unterbrechungsbeschluss nur in mündlicher Verhandlung erfolgen darf (OGH 7 Ob 51/04g), widrigenfalls er mit Nichtigkeit behaftet sei. Dabei wird nicht das Unterlassen der mündlichen Verhandlung selbst oder die Beschlussfassung außerhalb der Verhandlung als mit Nichtigkeit bedroht angesehen. Vielmehr ist die Entscheidung außerhalb einer mündlichen Verhandlung (erst) dann mit Nichtigkeit behaftet, wenn ein Unterbrechungsbeschluss gefasst wurde, ohne den Parteien die dafür maßgeblichen Beurteilungsgrundlagen zur Verfügung zu stellen, die an Zweckmäßigkeitsüberlegungen orientierten Voraussetzungen mit ihnen zu erörtern und ihnen Gelegenheit zur Äußerung zu geben ( Höllwerth in Fasching/Konecny 3§ 191 ZPO Rz 17; vgl OLG Wien 14 R 207/98h). Die Verletzung des rechtlichen Gehörs führt zur Nichtigkeit des Beschlusses.

1.1. Das Erstgericht unterbrach von Amts wegen das Verfahren, ohne die Streitteile davor über das Vorhaben zu informieren und die Gründe für dieses darzustellen. Die fehlende Äußerungsmöglichkeit widerspricht den Grundsätzen eines fairen Verfahrens. Dem Rekurs war Folge zu geben. Der angefochtene Beschluss ist als nichtig aufzuheben.

2. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht mit den Streitteilen die Voraussetzungen für die Unterbrechung zu erörtern haben:

2.1. Gemäß § 191 ZPO ist für die Unterbrechung des Zivilverfahrens wegen des Verdachtes einer (oder mehrerer) strafbarer Handlungen maßgeblich, dass deren Ermittlung und Aburteilung für die Entscheidung des Rechtsstreits voraussichtlich von maßgebendem Einfluss ist. Diese Qualität haben die Ergebnisse eines Strafverfahrens regelmäßig nur dann, wenn sie sich auf Tatfragen erstrecken, welche die vom Zivilgericht zu beantwortende Hauptfrage oder zumindest einen Streitpunkt betreffen, der selbständig geeignet ist, das erhobene Klagebegehren oder dessen Abweisung zu begründen.

In der Regel wird das Zivilgericht die Sachlage auch ohne die Ergebnisse eines Strafverfahrens durch selbständige Feststellung der entscheidungswesentlichen Tatumstände beurteilen können. Nach ständiger Rechtsprechung soll die Unterbrechung eines Zivilverfahrens wegen eines Strafverfahrens die Ausnahme sein und insbesondere dann nicht stattfinden, wenn die Rechtssache dringlich ist, das Ende des Strafverfahrens zeitlich ungewiss und der Zivilrichter die Sachlage auch ohne das Strafverfahren durch selbständige Feststellungen der Tatsachen beurteilen kann. Eine Unterbrechung ist im Grunde nur dann angezeigt, wenn im Strafverfahren erzielbare Beweise mit den Mitteln des Zivilverfahrens nicht erreichbar sind. Machen die Parteien – wie hier – mehrere selbständige Streitpunkte zur Begründung ihres Begehrens oder für dessen Abweisung geltend, wird so lange kein Unterbrechungsgrund vorliegen, als noch von den Ergebnissen des Strafverfahrens nicht betroffene Tatsachenbereiche ungeklärt sind.

3. Der Kostenvorbehalt beruht auf §§ 41, 50, 52 Abs 1 Satz 3 ZPO; ein Zwischenstreit liegt nicht vor. § 51 ZPO ist auf Beschlüsse, mit denen nur die Entscheidung und nicht auch das vorangegangene Verfahren aufgehoben wird – nicht anwendbar (RIS-Justiz RS0035870 [T 1]; Fucik in Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 51 Rz 1).

4. Da kein Fall einer zwingenden Verfahrensunterbrechung vorliegt, ist der Revisionsrekurs gemäß § 192 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.