Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Mag. Korn und den Hofrat Dr. Stiefsohn (§ 11a Abs 3 ASGG) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei T*, vertreten durch Frischenschlager Navarro, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei N*, vertreten durch Schlosser Péter Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 8.522,94 EUR sA, Endabrechnung, Arbeitszeitaufzeichnungen und Dienstzeugnis, über den Rekurs der beklagten Partei (Rekursinteresse 3.643,64 EUR sA und Übermittlung von Zeitaufzeichnungen) gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 17. Juli 2025, GZ 12 Ra 38/25g 55, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos aufgehoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung der Beklagten unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Rekurskosten bilden weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Der Kläger begehrt offenes Entgelt von 8.522,94 EUR sA sowie die Übermittlung von Lohnabrechnungen und Arbeitsaufzeichnungen und die Ausstellung eines Dienstzeugnisses.
[2] Das Erstgericht gab der Klage teilweise statt.
[3] Das Berufungsgericht wies die Berufung der Beklagten als verspätet zurück. Das Urteil sei am 31. 1. 2025 zugestellt worden. Innerhalb offener Berufungsfrist habe die Beklagte die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Berufung beantragt. Dieser Antrag sei abgewiesen worden, wobei der Abweisungsbeschluss laut Rückschein am 29. 4. 2025 an die Beklagte zugestellt worden sei. Die Entscheidung sei damit am 13. 5. 2025 in Rechtskraft erwachsen. Dementsprechend habe die vierwöchige Berufungsfrist am 10. 6. 2025 geendet. Die erst am 11. 6. 2025 eingebrachte Berufung sei damit verspätet und zurückzuweisen.
[4] Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, den Beschluss zu beheben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung aufzutragen.
[5] Der Kläger beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.
[6] Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.
[7]1. Gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ist ein Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem es die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat, immer mit Vollrekurs anfechtbar ( RS0098745 ). Auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage kommt es nicht an.
[8]2. Die Beklagte macht geltend, dass der Beschluss über die Abweisung der Verfahrenshilfe am 30. 4. 2025 in ihren Briefkasten eingeworfen sei. Das Datum 29. 4. 2025 am internationalen Rückschein sei unrichtig. Selbst wenn am 29. 4. 2025 ein Zustellversuch erfolgt sein sollte, hätte die Sendung frühestens am 30. 4. 2025 von der Post abgeholt werden können und wäre dieser Tag dann als Tag der Zustellung anzusehen gewesen. Tatsächlich sei die Zustellung aber nach dem anwendbaren ungarischen Recht mangelhaft gewesen. Eine Heilung nach § 7 ZustG trete erst mit Zukommen des Dokuments ein, dies sei ebenfalls der 30. 4. 2025. Die Berufung sei daher rechtzeitig.
[9] 3. Aufgrund der vorgelegten Unterlagen ist davon auszugehen, dass die Zustellung des Beschlusses über die Abweisung des Antrags auf Verfahrenshilfe an die Beklagte am 30. 4. 2025 durch Einlegen in ihren Postkasten erfolgte. Dies ergibt sich aus der – erst nach der Entscheidung des Berufungsgerichts vorgelegten – Bestätigung der ungarischen Post, dass am 29. 4. 2025 kein Zustellversuch vorgenommen wurde und der eidesstattlichen Erklärung der Beklagten, nach der sie ihren Postkasten täglich entleert und der Beschluss erst am 30. 4. 2025 vorgefunden wurde.
[10]4. Nach § 464 Abs 3 ZPO beginnt die Berufungsfrist, wenn eine Partei die Beigebung eines Rechtsanwalts zur Erhebung der Berufung beantragt hat, im Fall der Abweisung dieses Antrags mit Eintritt der Rechtskraft des abweisenden Beschlusses neu zu laufen. Ausgehend von einer Zustellung am 30. 4. 2025 erwuchs der Beschluss, mit dem der Verfahrenshilfeantrag der Beklagten abgewiesen wurde, mit Ablauf des 14. 5. 2025 in Rechtskraft. Die am 11. 6. 2025 erhobene Berufung war daher rechtzeitig.
[11] 5. Dem Rekurs war daher Folge zu geben, der Beschluss des Berufungsgerichts aufzuheben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.
[12]6. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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